Bei Menzer & Ragosina scheint es mir eine Mischung aus zunehmender Arroganz und geänderter Interessenlage in Verbindung mit dem UBP-System bzw. SES-System aus Netz & doppelten Boden zu sein. Warum soll jemand mehr tun, sich mehr reinhängen, wenn weniger zum gleichen Ergebnis führt?
Ausgangspunkt dieser Entwicklungen ist allerdings der Halmich-Fall, dh. Dreh- & Angelpunkt für all das ist Jürgen Lutz und sein genialer Plan für Halmich. Zunächst wird ein Verband für sie gegründet, eine Ikone des früheren Frauenboxens zur Präsidentin gemacht, der eigentliche Strippenzieher agiert im Hintergrund und dass Protegé wird auf Welttour für einen Titelgewinn geschickt. Das erste Konzept scheitert, als sein Ziehkind so kläglich in den USA gegen Yvonne Trevino verliert.
Das zweite Konzept mit zunächst nur UBP ist dafür viel genialer. Um den Erfolg in künftigen Kämpfen zu garantieren, braucht die Boxerin eine von Lutz und dem eigenen Promoter kontrollierte Veranstaltung, die nichts dem Zufall überlässt. Überraschungen wie im Trevino-Kampf durften nicht mehr passieren.
So gesellte sich zu einem unzweifelhaft professionellen Umfeld, professionellen Trainingsmethoden und -bedingungen eben auch ein professionelles Outmatching der jeweiligen Gegnerin inkl. "fragwürdiger Punktgerichte" und "eigentümlicher Ringrichterentscheidungen".
SES hat dieses System mit Ragosina adaptiert. Menzer, Graf, Sahin und Kentikian profitier(t)en bei UBP in der mehr-oder-minder-Nachfolge von Halmich auch davon. ABER: Das System scheint die Boxerinnen auch ziemlich einzuzwängen, wer profitieren will, muss spuren und darf nicht aufmucken. Das haben Graf und Sahin zu spüren bekommen. Börsen und Vertragsbedingungen dürfen nicht in Frage gestellt werden - wer aufmuckt, bekommt einen Warnschuss (Graf), wer raus will, den trifft die Härte des Systems (Sahin, Schouten, Graf?). Darüber hinaus scheint das System zu einem Entwicklungsstillstand oder zu einer Rückentwicklung bei den betroffenen Boxerinnen zu führen. Man scheint sich zu sicher zu sein, Interviews nach fragwürdigen Urteilen und mauen Leistungen triefen vor Arroganz - die boxerische Leistungsfähigkeit verläuft diametral zur Selbstsicht.
Die Konkurrenz ist nicht stärker geworden, die Zahl wirklich guter Boxerinnen in den unterschiedlichen Gewichtsklassen ist immer noch erschreckend gering. Die Konkurrenz kann gegenüber UBP oder SES auch kaum aufholen, da in der Regel weder die erforderliche Professionalität noch die finanziellen Mittel vorhanden sind, was von vorne herein schon zu schwerwiegenden Nachteilen führt. In den USA ist Frauenboxen eine medial völlig abgemeldete Randerscheinung. Ganz wenige Stars können immer noch nur bescheidene Gelder generieren. In Europa gibt es ein paar wenige professionelle Ställe, die mit UBP und SES konkurrieren können (Cherchi z.B.) ansonsten ist Frauenboxen eine Nummer auf Kleinring-Niveau mit max. lokaler bis regionaler Bedeutung. UBP und seine Boxerinnen stehen m.E. nach zunehmend für satte Behäbigkeit in Kombination mit fast grenzenloser Arroganz. Diese Verhaltensweise scheint aber in Anbetracht versiegender Geldquellen und schwindender Einflussmöglichkeit nunmehr zu der einen oder anderen bösen Überraschung zu führen. Graf versagt gegen Cruz, Menzer gegen Schouten & Garside, beinahe gegen Kühne und Kentikian gegen Raoui.