Es ist schon legitim, zeugt aber von wenig Fingerspitzengefühl und Einschätzungsvermögen bzgl der öffentlichen Meinung (das große Wort Moral mal im radikalkapitalistischem Profifußball mal außen vor gelassen).
Ein ausländischer Verein kann sowas machen, wenn der Fall da keine großen Wellen geschlagen hat. Aber hier in Deutschland ist Boateng nunmal zur Zeit eigentlich öffentlich nicht vermittelbar (völlig unabhängig davon, ob man einen Mann in dieser Situation mit dieser Vorgeschichte einstellen sollte). Das kann irgendwann mal anders sein: entweder wenn der Prozess doch noch zu seinen Gunsten ausgeht oder aber wenn er ein Urteil akzeptiert und dann glaubhaft an sich und seinem Verhalten arbeitet. Aber sich jetzt auf ein vorläufig ausgesetztes Verfahren zu berufen und dass das alles den Verein nichts anginge, ist sicher nicht der richtige Weg.
Beim derzeitigen Stand des Gerichtsprozesses fehlt mir ein bisschen die Fantasie, wie ein deutscher Verein einen Vertrag mit Boateng der Öffentlichkeit "gut" verkaufen will, der erste Versuch des FCB war schon mal kein gelungener.
Dafür ist es aus "Business"-Sicht ja sogar egal, ob man Boateng glaubt oder seiner Ex-Freundin oder einfach niemandem. Wir alle machen uns unsere Reime auf die Berichterstattung, wissen tun wir nichts, aber allein schon die Menge der Vorwürfe verursacht ja doch bei jedem ein sehr ungutes Gefühl. Und das Ganze fand und findet in D sehr öffentlich statt. Selbst wenn ich als Verein Boatengs Versionen glauben würde (was mir persönlich bei dem aktuellen, natürlich durch die Berichterstattung geprägten Kenntnisstand sehr schwer fällt, obwohl ich sicher nicht jeden öffentlichen Vorwurf in Promikreisen einfach so für bare Münze nehme), dann muss ich doch wissen, dass ein Engagement Boatengs ohne dass das Verfahren rechtssicher abgeschlossen ist mich selbst, also meinen Verein als "Marke" beschädigt. Selbst wenn man Moral, Glaube und alles weglässt: das mache ich doch nicht, vor allem nicht, wenn der zu erwartende sportliche Beitrag eher gering einzuschätzen ist. Boateng 2023 ist ja nun nicht Baresi in seiner Prime, wo man als eiskalter Geschäftsmann einfach Schaden und Nutzen gegeneinander aufrechnen kann (nichts gegen Baresis Privatleben, dass war nur ein Namensbeispiel).