Die mehr und mehr schwindende Spielkontrolle nach Pep und ganz extrem nach Jupp IV ist für mich aber ein Fakt und ein großes Problem. Das ist nicht nur Trainersache, die Abgänge von ballsicheren Leuten wie Thiago, Alaba, Boateng (davor schon Lahm, Alonso), die man eher durch andere Spielertypen ersetzt hat, haben auch dazu beigetragen. Als 2020/2021 der Kader schwächer und die Belastung höher wurde, hat Flicks Pressingmaschine auch nicht mehr reibungslos funktioniert und die Zahl der Gegentore stieg erheblich.
Ich sehe das natürlich in der Retrospektive und bin hinter vielen Entscheidungen durchaus gestanden, aber das Zwischenhoch unter Flick hat im Grunde überdeckt, dass Bayern sich davon wegentwickelt hat, was man eigentlich wollte. Dominanz, Kontrolle, Rummenigge hat sogar immer von Tiki Taka geredet.
Das ist so und darum ist es auch richtig, dass die Mannschaft eine neue, taktische Möglichkeit lernt und verinnerlicht. Es gibt immer noch genügend Spiele, die man rein spielerisch dominieren kann, aber der Kader ist nicht mehr stark genug und typmäßig nicht klar genug besetzt, um das in wirklich jedem Spiel durchsetzen zu können.
Das bedeutet aber nicht, dass man sich von dem Grundgedanken komplett verabschieden muss. Es ist halt nur so, dass wir nicht mehr den Kader haben, um sagen zu können: der Gegner muss sich immer nach uns richten. Wir müssen die Dinge nicht Spiel für Spiel, aber in manchen Spielen pragmatischer angehen und unser Spiel mehr nach der Aufgabe und der Spielweise des Gegners ausrichten, als das vor ein paar Jahren noch der Fall war. Das traue ich Tuchel durchaus zu (in seinem ersten BVB-Jahr z.B. hat er ja durchaus sehr dominanten Ballbesitzfußball spielen lassen), aber man muss als Vorstand da seine personellen Forderungen auch absolut ernst nehmen.
Wenn man mit flexiblen Systemen spielen will (und das ist wohl zur Zeit der erfolgversprechndste Weg), dann brauch man auch geeignete Spielertypen für jedes realistische Grundsystem und eben auch eine gewisse Kaderbreite. Mit 18 Feldspielern kann man diese Flexibilität nicht über ein ganzes Jahr durchziehen. Weder physisch, noch gedanklich. Da stößt jeder Kader an seine Grenzen. Wir haben ja in dieser Saison noch ein irres Glück, dass sich Pavlovic und Krätzig aus dem Nichts prächtig machen und Tel einen klaren Leistungssprung gemacht hat. Das war ja so nicht planbar und so auch nicht geplant. Die Sprüche a la "das soll ja unser Weg sein, Spieler aus dem Nachwuchs zu integrieren" seitens der Vorstände ist da doch Augenwischerei. Ich bin sehr wohl für ein solches Vorgehen, aber Pavlo und Krätzig sind doch gar nicht geplant hochgezogen worden, das waren pure Notaktionen.
Anyway. Wenn wir künftig mehrere Systeme/Stile auf gutem Niveau spielen können wollen, dann brauchen wir eben
- defensive und offensive Optionen für die AV
- klare IV und solche mit starkem Spielaufbau
- spielstarke ZM, aber auch echte 6er
- kreative OM
- schnelle Flügelspieler mit 1vs1 skills
- echte 9er
Wir haben einiges davon, aber nicht alles. Genaugenommen brauch man auch für alles Erst- und Zweitbesetzungen, wobei die Zweitbesetzung dann gerne aus dem eigenen Stall kommen darf (die sich natürlich sehr gerne zur Erstbesetzung hocharbeiten darf). Pavlo z.B. gibt den 6er wirklich gut, trotzdem brauchen wir noch einen international erprobten Mann auf der Position. Krätzig als Ersatz für Davies als offensiver LAV passt, mit Guerreiro haben wir ja noch eine andere Klangfarbe für die Position. Damit ist die Seite für mich gut komplett. Rechts sieht das schon wieder anders aus. Usw, usw.