Wenn man sich die letzten Seiten durchliest (nicht negativ gemeint) und sich die letzten Jahre nochmal vor Augen führt, ist es eigentlich verwunderlich, dass Bayern so erfolgreich war. Wie schon einige vor mir geschrieben haben, es ist eine Entwicklung, die längst hätte an die Wand knallen müssen und absehbar war. Drei Problemfelder dargestellt (vorsicht, teilweise sehr überspitzt oder zynisch):
1. Erwartungshaltung
Bayern soll offensiven, dominanten, attraktiven Fußball spielen. Die Meisterschaft ist Pflicht, das CL-Viertelfinale eigentlich das Minimum, der DFB-Pokal ist ganz nett, aber wenn man ihn nicht gewinnt, ist es irgendwie auch doof. Der Trainer soll in Sachen Kader möglichst den Mund halten und mit dem Kader arbeiten, den er vorgesetzt bekommt. Natürlich sollen junge Spieler integriert werden, schließlich hat man sich ja das NLZ geleistet. Aber natürlich immer bedenken, der FC Bayern ist kein Ausbildungsverein. Dem Trainer wird nicht in die Aufstellung geredet, aber dass man kein Fan der Rotation ist, dass Martinez ab Weihnachten 6er spielt (2019) und dass Kimmich der neue RV zu sein hat (2017) wird dann doch öffentlich rausposaunt.
2. Der Kader
Nach 2020 ist völlig klar, dass um Kimmich, Goretzka, Davies, Gnabry und Coman eine neue Ära beginnt. Gekauft werden nicht unbedingt Spieler, die der Trainer für sein System braucht, sondern welche, die die sportliche Leitung cool findet. Steht denen ein Leistungsträger im Weg, den der Trainer behalten will, wird er halt abgegeben. Sollte die Kaderstärke angezweifelt werden, wird auf 2020 verwiesen. Sollte der Trainer unzufrieden mit dem Kader sein, haut der Ehrenpräsident halt mal ein paar markige Sprüche raus.
3. Der Trainer
Nach dem Detailfuchser Pep kam Lebemann Ancelotti. Als das nicht mehr gepasst hat, holte man halt Jupp zurück. Brachte null Entwicklung, aber die Spieler, die spielen wollten, spielten wieder und das noch auf den bevorzugten Positionen. Gute Laune gesichert und die Meisterschaft obendrauf. Weil Jupp aber einfach nicht bleiben wollte, holt man halt Kovac, der hatte wenigstens Stallgeruch und war nicht zu unbequem. Zumindest, nachdem Rummenigge ihn öffentlich kastriert hatte. Statt ihn am Saisonende ehrenvoll rauszuloben, obwohl ersichtlich war, dass es nicht passt, macht man weiter, bis die Situation eskaliert. Zur Überraschung aller läuft es unter dem Interimscoach Flick, den man eigentlich langfristig gar nicht will, ziemlich gut, dann nutzt man die Coronapause perfekt und startet durch. Jetzt hat man Flick an der Backe, obwohl doch Nagelsmann viel cooler wäre. Wie gut, dass er sich mit Brazzo streitet und der Bundestrainer-Job frei wird. Beim Team ist er zwar sehr beliebt, aber wen interessiert das? Jetzt kann man endlich für eine Rekordablöse den Wunschtrainer holen und das 5-Jahres-Projekt starten. Der Wunschtrainer kriegt natürlich keinerlei Rückendeckung durch die Bosse. Nach anderthalb Jahren merkt man, ist vielleicht doch nicht so geil wie erhofft. Egal, raus mit dem, wir sagen einfach, er habe die Kabine verloren. Wird die Mannschaft schon nicht stören. "Thomas, wenn Du keinen Bock hast leg auf!" Legt er nicht, also kommt ein Coach mit ganz anderer Philosophie und dem Ruf, schwierig zu sein. Wird die Mannschaft schon nicht stören und er wird schon tun, was wir wollen...
Ich glaube, hätte Tuchel gewusst, was kommt, hätte er aufgelegt. Und ich kann mir vorstellen, dass Richtung Sommer einige Trainerkandidaten auflegen werden.