Jones hat schon richtig darauf angespielt, dass zur damaligen Zeit ein WM-Titel einfach eine erhebliche Bedeutung hatte. Das war schon ein traumhafter Aufhänger, um Maske überhaupt durchstarten lassen zu können. Heute lockt einer der zahllosen WM-Titel wirklich niemanden mehr vor den Fernseher (daran ist meines Erachtens hauptsächlich UBP gescheitert). Dann ist der Markt inzwischen teils übersättigt, da müsste Maske schon was besonderes bieten und das kann ich einfach nicht unbedingt erkennen. Denn die ganzen von dir aufgezählten "deutschen Heroen" haben doch eines gemeinsam, sie waren alle Weltspitze. Und das dies ein WM-Titel im Boxen nicht mehr ausdrückt, weiß wirklich inzwischen jeder.
Das sehe ich anders. WM-Titel sind noch immer relevant. Ich will hier kein Hernandez-Bashing betreiben, aber womit lockt dieser Boxer als Musterbeispiel Zuschauer vor den Fernseher und in die Halle? Zu einer möglichen Beantwortung der Frage muss man beide Seiten betrachten. Die eine Seite ist der Zuschauer. Da bleibt m.E. festzustellen, dass es
den Zuschauer nicht gibt, d.h. die Zuschauer sowohl in der Halle als auch vor dem Fernseher sind keine homogene Masse. Es gibt Leute, die sich generell für actiongeladenen Sport oder eine farbenfrohe Veranstaltung interessieren, die schalten den Fernseher ein oder gehen zur Veranstaltung, weil Spannung und Drama möglich sind oder das bunte Showprogramm lockt bzw. der ein oder andere Promi zu sehen/anzufassen ist. Sachkenntnis ist oft nicht vorhanden, der Spaß generiert sich nicht aus sportfachlichen Dingen. Dann gibt es (einen in diesem Fall) kleineren Teil, die tatsächlich sich für Hernandez interessieren, entweder weil sie Hernandez ganz toll finden, oder weil sie das Boxen lieben, insbesondere die Art wie Hernandez boxt. Sachkenntnis ist im begrenzten u.U. sogar im großen Maße vorhanden. Dann gibt es einen hier im Forum häufiger anzutreffenden Zuschauer, der das Boxen liebt, einigermaßen bis äußerst fachkundig ist und der Boxer und Kampfansetzungen einzuordnen weiß. Für den ersten Typ, der m.E. sowohl vor dem Fernseher als auch in der Halle einen gewichtigen/den gwichtigstens Anteil an der Gesamtzahl hält, sind WM-Titel zweifelsfrei eine Aufwertung der Veranstaltung und damit eine Abrundung des bunten Showprogramms/Aufwertung der eigenen Bedeutung als Zuschauer/"Teilnehmer". Die Persönlichkeit des Boxers, weniger seine Art zu Boxen ist für den zweiten Typ wichtig. Dieser Typ ist es aus dem sowohl Maske damals, als auch die Klitschkos heute hauptsächlich neben dem Typ I, aber nicht alleinig den Honig saugen. Die Klientel Typ II, manche auch vom Typ I hat immer Bedarf für Leute wie Maske und sicherlich keine Probleme mit Machenschaften von Sauerland & Co., solange die Show bunt ist, die Simmung gut und das eigene Idol gewinnt. Es mag sein, dass ein Boxer wie Maske heute nicht mehr die Zuschauerzahlen wie damals einfahren würde, auf ein Niveau von Sturm & Co käme er m.E. allemal.
Ein "halbseidener" Macher wie Öner hingegen, dürfte eher dem Typ I sauer aufstoßen, denn ein solcher Charakter passt nicht in die glatte Boxwelt, die in solchen bunten Boxveranstaltungen, vermittelt werden soll.
Dazu gehören selbstverständlich auch die Medien, die fachlich in der Regel im erheblichen Umfang versagen und sich eher als dienender Teil der Promotermaschinerie verstehen. Man ist Partner und pinkelt dem anderen Teil der Partnerschaft nicht an das Bein. Dazu passen auch Deine Aussagen zur völligen Negierung der Gewalt aus dem Sport.
Klar würde Maske sich verkaufen lassen, aber nicht mehr so wie früher, da in jüngster Vergangenheit schon mehr als ein duzend ähnlich erfolgreich war.
Sehe ich wie beschrieben anders. Ein Typ wie Maske mit
allen Facetten wäre heute sehr erfolgreich, wenn alle Register zur Vermarktung gezogen werden
und er die Kriterien erfüllt. Ob der Hype so weit tragen würde, wie er es damals zu Maskes Zeiten vermochte, darf zwar bezweifelt werden - mehr als das was wie heute haben, ist aber alle Mal drin.
Boxer wie Sturm, Abraham & Huck sind zwar ein Beispiel dafür, wie man ein Persönlichkeitsprofil, so frisiert, dass man damit in einem gewissen Rahmen Leute in Deutschland ziehen kann - Trotzdem wäre ein Boxer, der wirklich Felix Sturm heißt, wirklich geborener Deutscher ist, akzentfrei deutsch spricht, charismatisch und eloquent ist und bei dem ein Marketingkonzept der "deutschen Primärtugenden" auch glaubwürdig wirkt eine ganz andere Vermarktungshausnummer. Deshalb ist es unter ausschließlich diesen Aspekten auch eine außergewöhnliche Leistung von Don Kohl (und den Klitschkos selbst), diese beiden Boxer trotz fehlender Erfüllung einiger Eckpunkte so nachhaltig im deutschen Bewusstsein verankert zu haben.
Und mit Verlaub Roberts, gerade der Fensterputzer Rocky hat mich seinerzeit boxerisch deutlich mehr angesprochen als der Lieblings-Pseudo-Schwiegersohn-NVA-Offizier Henry Maske oder auch ein Sven Ottke. Vielleicht war ich da meiner Zeit etwas voraus, aber in 2012 ziehen ja solche Boxer kein Publikum mehr.
Ebenfalls mit Verlaub, Dir sollte schon klar sein, dass Deine nachvollziehbaren persönlichen Präferenzen zwar hier auf fruchtbaren Boden stoßen, im Allgemeinen aber eher eine Mindermeinung darstellen. Leute wie Öner, Rocky oder Thust mit allen Facetten und Brüchen können auch bei einigen Betrachtern Begeisterung hervorrufen - in der Fachwelt sind sie in Teilen sogar begründet besser gelitten, als glatte Typen wie Maske & Co. - in der Wahrnehmung der Allgemeinheit gelten sie er als Schmuddelkinder und Störfaktoren. Wenn man nur die Profizeit nimmt, gibt es in der Tat gute Argumente, Rocky als den besseren und erfolgreicheren Boxer als Maske zu bezeichnen. Die Bewertung durch die Allgemeinheit (Typ I) erfolgt aber nicht aufgrund von Boxkriterien sondern aus boxfachlich sachfremden Erwägungen.
So interessiert es bei Öner eben allgemein nicht, dass er mal mit Arena eine wirklich notwendige Alternative mit einer gewissen sportlichen Durchschlagskraft zu UBP und Sauerland gebildet hat, sondern mehr, dass er sich oftmals genau so benommen hat, wie man es von ihm klischeehaft erwarten konnte. Schon alleine deshalb werden seine jetzt erhobenen Vorwürfe kaum wahrgenommen, während die gleichen Einblicke in das Boxgeschäft, ausgesprochen von Henry Maske, ganz andere Wirkung entfalten würden.