Also respektabel finde ich sein Weitermachen nicht wirklich, wenn er zu vor die schlechteste WM aller Zeiten hingelegt hat und noch dazu Spieler wie Özil öffentlich in die Pfanne haut und bis auf die paar Spiele pro Jahr nur frei hat oder sich Spiele anschaut. Steht er in der Kritik verabschiedet er sich einfach für mehrere Wochen. Er dürfte den bestbezahltesten Job in Deutschland haben wenn man sein Arbeitsaufwand gegenüber stellt.
Dafür ist es aber auch der Job in Deutschland, wo man am meisten begutachtet und angefeindet wird. Löw ist ja keiner, aber als Vater von schulpflichtigen Kindern kannst du den Job bei dem aktuellen Zeitgeist in D, gerade auch in Sachen spcial media, eigentlich gar nicht machen. Die Art und Weise, wie eine Vielzahl von Leuten - die mehr auf ihre Tweets und und Comments konzentriert (eher fixiert) sind, als auf das, was sie gerade live kommentieren...egal ob Sportevent, politsiche Debatte, TV-Show oder anderes...mit Menschen, die sie gar nicht kennen umgehen, ist mit früher überhaupt nicht zu vergleichen. Das ist oft schon brutal, ehrabschneidend, verleumderisch und beleidigend - und oft nur zur Selbstbefriedigung auf möglichst großer Bühne.
Schon klar, niemand wird gezwungen, in der Öffentlichkeit zu arbeiten. Aber ich persönlich würde mir einen so extremen Präsentiertellerjob wie Kanzler, ESC-Teilnehmer, Schiedsrichter oder eben Bundestrainer nie im Leben antun wollen. Ich finde schon, dass da die Relationen mittlerweile nicht mehr im Geringsten stimmen, von daher würde ich das mit dem "Arbeitsaufwand" nicht so sehen wollen. Weil die Verarbeitung all dessen, was einem in manchen Jobs so um die Ohren fliegt, eben auch echte Arbeit ist und mit Geld auch kaum abgeschwächt werden kann.
"Respektabel" finde ich sein Weitermachen aber auch nicht. Das hat nicht so wahsninnig viel mit Verantwortungsgefühl zu tun (ein bisschen vielleicht schon), aber sehr viel mit Ego und so einfach nicht abtreten wollen. Das ist verständlich: mit einer Niederlage abtreten, ist eine Sache. Mit einer Demütigung aufhören will niemand. Kann man dann auch so durchziehen, aber es ist eben nicht unbedingt respektabel: er wollte so nicht aufhören, was ich, wie gesagt, völlig nachvollziehen kann. Und er zieht es nicht durch, weil er es
muss, sondern weil er es
kann. Das ist dann schon ein sehr gutes Stück egogetrieben und da passt die Vokabel "respektabel" für mich nicht wirklich.
In der Sache kann sich die Entscheidung natürlich trotzdem als richtig erweisen, klar. Kriegt Löw eine gute EM hin (was ich ihm wünsche), dann war alles ok und er kriegt einen verdient guten Abschied. Die 1 1/2 Jahre seit der Wm waren ja auch besser als die WM selbst, es kamen junge Spieler hinzu und er ist sichtlich sehr bemüht, Spielstil und Atmosphäre/Hierarchie zu verändern. Aber es wäre aus meiner Sicht trotzdem besser gewesen, auch auf der Trainerposition nach der WM einen echten Schnitt zu machen.
Nicht, weil er ein schlechter Trainer ist (ist er nicht), auch nicht, weil ich undankbar gegenüber dem zuvor geleisteten bin (bin ich nicht). Aber Löw, das war die Geschichte der Generation Sommermärchen plus die 2009-U21-Jungs. Das war lange schön, aber es ist eigentlich auserzählt. Es gab eben leider kein Happy End, es war, wie im richtigen Leben, einfach so, dass man den idealen Zeitpunkt verpasst hat.
Noch kurz zu Özil. Also, wenn ich mir anschaue und rekapituliere, was Özil sich alles geleistet hat: das Erdogangate an sich, die Weigerung, das klarzustellen inkl medialem Dauerunfrieden vor und während des Turniers, sein Rücktritt ohne Rücksprache, die Nichterreichbarkeit für seinen wohl größten, sportlichen Förderer, dann Erodgan als Trauzeuge. Dazu die desaströse sportliche Leistung beim Turnier selbst und seitdem bei Arsenal.
Löw selbst hat Özil zudem nie in die Pfanne gehauen (wenn, dann Bierhoff). Wenn ich alles rundum Özil vom Erdogan-Foto bis heute zusammennheme, war Löws Fehler tatsächlich, bei der WM weiter auf ihn zu bauen. Özil tut seit fast zwei Jahren so ziemlich alles, um sein sportliches und persönliches Ansehen komplett zu ruinieren und obwohl ich für mich in Anspruch nehme, durchaus eine gute Antenne für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung zu haben und gerne auch selbst auf die Barrikaden gehe, wenn ich meine, Ungerechtigkeiten zu wittern, glaube ich von Özils Vorwürfen in seiner von seinem Berater verfassten Rücktrittserklärung wirklich kein einziges Wort.