Becker redete viel über Leute, die seinen Klienten beneideten, weil sie mittelmäßig seien, hässlich, untalentiert, bürokratisch, provinziell, unmännlich oder eben schwul. Er erzählte unglaubliche Geschichten, die ich in meinen Notizblock schrieb, und Becker schien nichts dagegen zu haben, vielleicht, weil er annahm, dass sie sowieso nie veröffentlicht würden oder auch, dass sie bekannt seien. Ein paar Tage später, am Rande des Abschiedsspiels von Bernd Schneider in Leverkusen, kündigte Becker inmitten einer Traube von Spielerberatern und Journalisten im Bayer-Clubhaus an, dass es einen ehemaligen Nationalspieler gebe, der "die Schwulencombo" demnächst hochgehen lassen würde. Ich erwartete, dass meine Kollegen nun mit roten Ohren nachfragen würden, was das bedeuten solle, aber sie nickten nur gelassen. Alle Sportjournalisten schienen die Geschichten von der vermeintlichen großen homosexuellen Verschwörung um die Mannschaft von Joachim Löw zu kennen. Die Gerüchte sind auch mit nach Südafrika gereist. Sie gehören offenbar dazu.
Als wir aufgegessen hatten, zeigte mir Becker sein Büro, sein Haus und den Garten, in dem er seit einiger Zeit vergebens versucht, einen Froschteich anzulegen. Er erzählte mit leuchtenden Augen, wie Elton John auf Michael Ballacks Hochzeit die deutsche Nationalhymne gesungen hat. Als ich ihn fragte, ob denn ein Spieler, der etwas überraschend nominiert worden war, seiner Meinung nach auch schwul sei, sagte Becker nur: "Der ist halbschwul", und ich begriff, dass das alles ein Synonym war für etwas, was Becker nicht mehr verstand. Irgendetwas Leichtes, Unideologisches, Tänzerisches, Schönes, Freudvolles, in dem man sich verirren konnte, wenn man sich bislang an Hackordnungen und Hierarchien orientiert hatte.