Ja, das ist in Europa einzigartig. Und nun? Soll man sich schämen?Aufhören?
Nein. Mit den Fans hat das nichts zutun, die haben nicht zu verantworten, dass Hertha kein Topclub ist. Sicherlich ist Dir aufgefallen, dass die Kritik sich eben nicht an die Fans richtet.
Hoffen das 50+1 abgeschafft wird und sich schnellstmöglich einen schwerreichen Scheich holen, der Milliarden in den Club pumpt? Das wäre genau der Zeitpunkt, wo ich aufhöre Hertha-Fan zu sein, dann bin ich lieber erfolglos.
Warum? Ist das Teufelszeug? Die alte Dame braucht auch heute Geld, um im modernen Fußball 1. Liga zu spielen. Das muss einem nicht gefallen, ist aber die Realität und da erzähle ich natürlich nichts Neues.
Natürlich wäre es das Beste was euch passieren kann, wenn ein reicher Scheich einsteigt. Zu glauben, dass damit Dein persönliches Fantum entehrt oder entleert wird, finde ich merkwürdig. Auch die Tradition verschwindet nicht.
Ich habe so den Eindruck, dass die "Traditionsfans" sich immer für die besseren oder moralisch hochwertigeren Fans halten, aber das stimmt nicht. Ob das hier der Fall ist, kann ich nicht genau beurteilen.
Wann waren denn genau die Jahrzehnte, in denen die Hertha so unglaubliche Standortvorteile hatte?
Ab 1963 bis heute. Die Stadt Berlin hat als Hauptstadt eine unglaubliche Anziehungskraft und ein riesiges Einzugsgebiet im Vergleich zu anderen Städten. Das war auch damals schon so.
Der Standort Berlin ist attraktiv für Sponsoren und einer der absoluten Topmärkte, vermutlich auch heute die Nummer 2 nach München. Dazu hatte man immer schon ein riesiges Stadion und in der Vergangenheit konnte man den Vorteil durch mehr verkaufte Karten sogar noch besser nutzen, weil die anderen Teams noch nicht so viele Vermarktungschancen wie heute haben, aber auch heute sind die Chancen für Berlin viel höher als die fast aller anderen. Die Modernisierung des Olympiastadions wurde regelmäßig durch den Bund mitfinanziert, das letzte Mal zur WM 2006, so dass man da auch kräftig Geld gespart hat.
Ich sage nicht, dass man jetzt über den Bayern stehen müsste, wenn man in der Vergangenheit alles richtig gemacht hätte, aber man hatte keine schlechtere Ausgangslage. Und was ist das Ergebnis? Noch nicht mal permanente Erstklassigkeit. Gut, Hertha hatte das Problem mit dem Zwangsabstieg Mitte der 60er, aber das war auch selbstverschuldet. Aber es war ja bei weitem nicht der einzige Abstieg. Zwischen 1980 und 1997 war man nur 2 Jahre in Liga 1 (2x P18) und sogar 2 Jahre in Liga 3.
Es gibt vermutlich keinen lebenden Zeitzeugen mehr, der bei eurer letzten Meisterschaft im Stadion war. Den letzten Titel hat eure 2. Mannschaft gegen Leverkusen geholt, was zugegeben sehr spektakulär war. Das ist aber auch schon wieder 23 Jahre her.
Es geht nicht so um Hertha-Bashing, ich erwähnte ja auch andere Klubs und muss da noch das Team hinzufügen, von dem ich als Junge glühener Fan war und mich heute noch freue, wenn sie gewinnen, mich aber nicht mehr als Fan bezeichnen würde: der 1. FC Köln. Alle diese Teams haben gute Ausgangspositionen gehabt und wurden durch schlechtes Management mal mehr und mal weniger stark ausgebremst.
Und kein Verein steht symbolisch so für dieses klaffende Lücke zwischen Potenzial und Erfolg wie Hertha BSC Berlin.
Und nicht, dass man mich jetzt falsch versteht - ich würde es sehr gern sehen, dass Hertha permanent ein Top 5-Verein in Deutschland ist. Nicht, weil ich was für die Truppe übrig habe, aber weil ich der Bundesliga einen sehr guten Hauptstadtklub wünschen würde - so wie ihn alle anderen haben.
Wenn 50+1 irgendwann fällt und das wird passieren, dann wird es die Hertha sein, die davon mit am meisten profitiert.