Schneider: „Ein ungutes Gefühl habe ich generell. Es ist so, dass Leistungssport auf der höchsten Ebene nicht gesund ist und die Sportler*innen an ihre Leistungsgrenze gehen müssen, wo sie irgendwann in einem Umfeld landen, in dem sie selbst entscheiden müssen, ob sie in Grauzonen tappen oder weiter gehen. Manchmal entscheiden das aber auch andere Leute für sie oder sie werden dazu gedrängt.
In der Grauzone sind wir dann, wenn jemand Dutzende Nahrungsergänzungsmittel einnimmt und zu seiner Dopingkontrolle eine Liste mit gefühlt 28 Mitteln hinlegt, die er oder sie nimmt. Das muss man machen, wenn man zum Beispiel medizinische Ausnahmengenehmigungen hat - sogenannte TUE. Das ist heutzutage modernes Doping. Man braucht verschiedene Ärzte, die einem Attests ausstellen, dass man beispielsweise Asthma hat. Mir hat mal ein Verbandsfunktionär gesagt, dass von den damaligen Top 100 im Tennis 50 Asthma hatten. Das ist nicht so lange her. Das ist dann eigentlich schon mehr als die Grauzone, wenn man mit 30 Medikamenten und einer Liste zur Dopingkontrolle kommt.“
SPORT1: Im Gespräch mit SPORT1 sagte Doping-Experte Fritz Sörgel, dass sich Halep beim Einnehmen des Präparats verschätzt habe. Deshalb war die Konzentration so niedrig. Sörgel sprach auch von einem „in der Tennis-Szene bekannten Abstand“ vor Wettkämpfen - ist es für Sportler so einfach, positive Tests zu umgehen?
Schneider: „Wir kennen es ja von den Erklärungen positiv getesteter Spieler*innen, dass immer in den Social Media Posts steht: Es wurde nur eine geringe Menge gefunden. Und das legen sie zu ihrem Vorteil aus - Motto: Es kann gar nichts Schlimmes sein. Wir wissen aber aus der Vergangenheit von überführten Doping-Tätern, dass Verschleierungsmittel genommen werden, damit das Mittel schneller aus dem Körper raus ist, aber trotzdem leistungsfördernd ist. Gleiches gilt auch für mutmaßliche Verletzungspausen, in denen ein Arzt dir etwas Verbotenes gibt. Irgendwann bist du nicht mehr verletzt und das Mittel hilft dir immer noch. Wer kontrolliert, ob ein Spieler während dieser mutmaßlichen Pause nicht trainiert oder im Fitnessraum arbeitet?
Tests sind im Tennis ein großes Thema. Es gibt viel zu wenig Bluttests. Im kompletten Jahr 2021 bei Wettkämpfen auf der ATP- und WTA-Tour gab es nur zwei Bluttests. Bei allen Turnieren. Die fallen unter die sogenannten In-Competition-Tests, da wurde ansonsten nur auf Urin getestet und normalen Epomissbrauch und oder Blutdoping entdeckst du damit nicht. Haleps Test war eine Urinprobe - das gefundene Mittel Roxadustat kann aber als Tablette eingenommen werden. Dann gibt es noch die Trainingskontrollen - sogenannte Out-of-Competition-Tests. Es kann auch sein, dass 24 Stunden vor einem Turnierbeginn getestet wird - dann gilt das auch noch als Out-of-Competition, aber die Spielerinnen erwarten bei Turnieren natürlich Tests und sind vorbereitet. Deswegen ist diese Regel schwachsinnig.
Bei den Out-of-Competition-Tests gibt es zwar etwas mehr Bluttests, aber nicht genug. Und es gibt, wie erwähnt, den biologischen Blutpass, der potenzielle Blutdoper ohne positiven Test und nur anhand von Werten überführen soll. Da haben mein Kollege Edmund Willison und ich für die
Mail of Sunday bereits herausgefunden, dass bei mindestens drei Turnieren - US Open, Miami und bei den French Open - den Spielern vier Tage vorher angekündigt wurde, dass es Bluttests gibt. Die Spielerinnen konnten es sogar planen in einer Liste - so nach dem Motto: ‚Ich möchte bitte meinen Dopingtest zwischen 17.30 und 18 Uhr in vier Tagen abgeben‘.