Also mal die Zusammenfassung, was alles vorgefallen ist. Ich schreibe so, wie ich es mitbekommen habe und was mein aktueller Wissensstand ist. Ergänzend mit paar Einschätzungen von mir, wo es Probleme gibt.
-Bereits nach dem Start des aktuellen Kriegs in Gaza haben sich mehrere Musiker und Mitglieder des Europarlaments für einen Ausschluss Israels ausgesprochen. Von Wikipedia: "Im Februar 2024 erklärte Curran in einem Statement, dass der ESC „eine unpolitische Musikveranstaltung“ sei und „kein Wettbewerb zwischen Regierungen“. Der israelische Rundfunk
Kan erfülle alle Regeln und dürfe deshalb teilnehmen. Vergleiche mit dem
Ausschluss Russlands vom ESC 2022 nach dem Überfall auf die Ukraine seien unangebracht, da das Verhältnis zwischen Rundfunk und Regierung in Israel ein völlig anderes sei." --> ich bin da nicht ganz der Ansicht, dass man so pauschal davon sprechen kann, dass der ESC unpolitisch ist, und man Israel nicht ausschliessen kann, auch wenn man die Zusammenarbeit zwischen Kan und der Regierung anders sieht, als bei Russland.
-Am 21. Februar wurde bekannt, dass Israel mit dem Lied "October Rain" auftreten will. Die EBU hat den Bezug zu den Terroranschlägen der Hamas als zu deutlich gesehen und aufgefordert, den Text zu ändern, da er gegen die EBU-Richtlinien bzgl. politischer Botschaften in Liedern und während Auftritten verstösst.
-->IMO ist das ohnehin ein Paragraph, der von der EBU nie konsequent angewendet wurde, sondern bisschen Daumen mal Pi. Zum Vergleich ein paar weitere Vorfälle, wo es diese Kritik hab.
- Georgien wollte 2009 mit dem Lied: "We Don’t Wanna Put In" auftreten. Das Wortspiel ist klar. Die EBU hat da Georgien auch darum gebeten, den Text zu ändern. Die Georgier wollten das nicht und haben in diesem Jahr nicht teilgenommen.
- Zwei Jahre vorher ist Verka Serdutschka für die Ukraine mit dem Lied "Dancing Lasha Tumbai" aufgetreten. Der Nonsense-Text Lasha Tumbai wurde von vielen als Russia Goodbye verstanden. Viele Veranstalter wollten Verka im Vorfeld nicht auftreten lassen. Am ESC war die Teilnahme aber kein Problem
- Als Kalush Orchestra 2022 gewonnen hat, hat der Sänger gleich nach dem Auftritt Europa aufgefordert Hilfe für die Kämpfer im Azovstal-Stahlwerk in Mariupol zu schicken. Streng nach Richtlinien hätte man ihn dafür ausschliessen müssen.
- 1993 ist Kroatien erstmal als unabhängiges Land aufgetreten. Die Band hiess "Put", das Lied "Don't ever cry". Völlig unabhängig vom kompletten Lied lautet die letzte Zeile: "My Croatian sky". 1993 war Kroatien noch mitten im Krieg um die Unabhängigkeit. Das sage ich als Kroate: Die Zeile hatte zu 2000% politischen Hintergrund. Das Kroatische nochmal betonen. War aber auch kein Problem.
-Wie dem auch sei, hat Israel den Text geändert, um nicht den Weg von Georgien 2009 zu gehen.
-Die Sicherheitsstufe musste wegen Israels in Malmö massiv erhöhrt werden. Massive Proteste wurden erwartet und gar Terroranschläge befürchtet.
_________________________________
Das mal im Vorfeld. Während des ESC ging es dann los:
-Eric Saade, schwedischer Teilnehmer von 2011, ist mit seinem damaligen Song aufgetreten (wie andere ehemalige Teilnehmer). Saade hat palästinensische Herkunft und trug ein Palästinensertuch, einen Kufiya um seine Hand.
-Die Irin Bambie Thug wollte in
Ogham-Schrift die Worte „Waffenstillstand“ und „Freiheit für Palästina“ auf der Haut tragen und wurde von den Veranstaltern aufgefordert, dass sie diese ersetzen muss. Von Wikipedia: Während der Livekommentierung des Halbfinales fiel auf dem israelischen Fernsehsender Kan die Äußerung, Bambie Thug spräche „gerne negativ über Israel“. Auf Ersuchen der irischen Delegation betonte daraufhin die EBU in Gesprächen gegenüber Kan, „wie wichtig es ist, dass alle Kommentatoren alle am Wettbewerb teilnehmenden Künstler respektieren und sich an die Regeln und Vorschriften der Veranstaltung halten.“
-Die berühmte PK, auf der die Frage an Eden Golan gestellt wurde, ob sie nicht der Ansicht sei, dass ihre Präsenz ein Sicherheitsrisiko für alle anderen Teilnehmer ist. Als ihr gesagt wird, dass sie nicht antworten müsse, wirft Joost Klein ein "why not?". Während dieser PK gähnt die Griechin auch, während Eden Golan spricht.
-Ein spanischer Journalist veröffentlicht Mitteilungen aus den Sozialen Medien, wo er von israelischen Journalisten beschimpft und bedroht wird, nachdem er "Free Palestine" gerufen hat während einem der Halbfinals. Die spanische Delegation will von der EBU eine Garantie, dass die Meinungsfreiheit für alle Teilnehmer gegeben ist.
-Videos tauchen auf, wie die israelische Delegation andere Künstler gegen ihren Willen filmt. Ein Mitglied der israelischen Delegation nennt Bambie Thug ein Monster.
Bambie Thug und Nemo, die non-binär sind, werden ebenfalls von der israelischen Delegation oft missgendert. Laut vielen Tweets absichtlich.
Dov-Gil Har, proviziert am meisten. Er gäht vor der Umkleide Griechenlands als Retourkutsche, macht sich darüber lustig, dass die Flagge der Niederlande entfernt wurde und provoziert auch Joost und sein Team, nachdem er verhört wurde.
-Joost Klein wird disqualifiziert. Lange gibt es keine offiziellen Aussagen. Als diese rauskommt, ist sie ziemlich unbefriedigend. Es kursieren immer wieder Gerüchte, was wirklich passiert ist. Von Tätlichkeit, zu Drohung, zu drohender Bewegung gegenüber einer Person. Klar ist nur, dass Joost gegen seinen Willen gefilmt wurde. Bis heute ist ungeklärt, ob es jemand vom schwedischen Fernsehen war oder ein Mitglied der israelischen Delegation.
-Das niederländische Fernsehen ist damit nicht einverstanden. Sie haben mehrere Lösungsmöglichkeiten angeboten. Keine wurde angenommen. Das geht so weit, bis ein niederländischer Moderator das sagt:
Die Niederländische Punktesprecherin sagt während der Proben sarkastisch "ach unsere Punkte wollt ihr noch, wo ist das Regelbuch?". Am Ende entscheiden sich die Niederlande dagegen ihre Punkte selbst zu verteilen. Die norwegische Punktesprecherin und Käärijä, der für Finnland Punktesprecher hätte sein sollen, ziehen sich zurück.
-Die EBU legt sich ein Ei, indem sie behauptet, dass sie eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Gewalt fahre. Bambie Thug äussert darauf, dass sie mehrfach von der israelischen Delegation belästigt wurde und die EBU gesagt habe, sie untersuche das, aber Israel unangetastet blieb. Künstler zahlreicher weiterer Ländern bestätigen die Belästigungen. Einige Länder setzen sich zusammen und beratschlagen sich, sich zurückzuziehen.
-Die Pro-Israel-Fraktion in den Sozialen Medien hat Klein in der Zwischenzeit zum Antisemiten abgestempelt und wegen Lieder von ihm und gewissen Auftritten wird er auch zum Russland-Freund gestempelt.
Yesterday, AVROTROS, the Dutch national broadcaster, revealed that Joost Klein will represent The Netherlands at Eurovision Song Contest 2024. Just a day following his reveal as the Dutch representative, his background has already raised concerns among the Eurovision community, even with a...
eurovisionfun.com
-Die Anti-Israel-Fraktion kontert damit, dass Eden Golan, die in Moskau geboren wurde und bis 2022 in Russland gelebt hat, bei Voice of Russia aufgetreten ist. Der Produzent einer der Bands, in der sie gespielt hat, soll dicke mit Putin sein. Ausserdem sei sie auf einer Schwarzen Liste der Ukraine von Künstlern, die auf der besetzten Krim gespielt haben.
-Weitere Videos tauchen auf, wie dasjenige, wo Golan unter Buhrufen ihres Teams probt und dasjenige der Hauptprobe, wo Finnland die Punkte für Israel nicht ablesen will (beide hier im Thread zu finden). Beide werden völlig aus dem Kontext gerissen auf den Sozialen Medien passend zur Agenda zurechtgedichtet.
-Es wird bekannt, das Israel auf YouTube, dem Times Square, Konsulat Israels in New York etc. massiv Werbung gemacht hat, dass in diversen Ländern für Golan abgestimmt wird. Offenbar verstösst das gegen die Richtlinien der EBU. Israel wurde "Artwashing" eines Genozids vorgeworfen.
-Zahlreiche Künstler "schmuggeln" ins Finale Pro-Palästina-Botschaften, zB die Fingernägel der Portugiesin. Es gibt anschliessend Verzögerungen beim Hochladen von Portugals Finalbeitrag auf dem Offiziellen YouTube-Kanal des ESC. Die EBU bestätigt gegenüber dem Portugiesischen Fernsehen, dass es wegen der Fingernägel ist, was Fragen aufwirft, wie neutral die EBU da wirklich rangeht.
Und die veröffentlichten Stimmen nach dem Halbfinale von RAI, das Gerücht um die Disqualifikatio Belgien, und das Sponsoring von Moroccanoil und und und...
Das war eine Riesenshitshow von allen Seiten und von der EBU sehr schlecht gemanagt. Dass in Malmö in der Zwischenzeit massiv protestiert wurde, war da nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen der Torte. Sehr viele Leute haben sich da nicht mit Ruhm bekleckert und man kann da IMO nicht einfach auf jemanden zeigen und sagen: "die sind schuld".