Ein paar Ergänzungen zu deinem sehr guten Post, aus Sicht der Performance der Boliden:
Mercedes:
Es ist erstaunlich und lobenswert, dass der Mercedes auch auf einer derart gripfordernden, reifenmordenden Strecke bei hohen Temperaturen zurecht kommt. Sicherlich gibt es noch immer Verbesserungsbedarf im Vergleich zur Konkurrenz, aber wenn man weiterhin die RB-Erfolgsstrategie (Pole rausfahren, gut starten, Rennen verwalten) anwenden und dadurch einige Defizite kaschieren kann, kann Mercedes vielleicht sogar noch um beide Titel fahren. Erstaunlich ist dabei die Feststellung, dass der RB-Clon WB04 mittlerweile stärker angestellt zu sein scheint als der RB.
RedBull:
In diesem Rennen wurden die deutlichen Schwächen des RB aufgezeigt. Fährt man nicht voraus, was man aufgrund des nachwievor wohl höchsten produzierbaren Gripniveaus schon könnte, tut sich der RB schwer. Beide RB und insbesondere Vettel haben deutliche Probleme und können insbesondere auf Geraden nachwievor nicht überholen - es mangelt schlicht an Beschleunigung, die man zugunsten des Grips verloren hat. Erstaunlich ist auch, dass der RB von Vettel scheinbar nie auf Duelle ausgelegt wurde. Dass ein Renningenieur schon nach wenigen Runden hinter Button daraufhin weisen muss, dass man zur Kühlung des Boliden im zweiten Rennsektor aus dem Windschatten gehen muss, spricht Bände. Da der Mercedes mittlerweile im Qualifying eine Gefahr ist, wird es interessant sein, zu sehen, wie sich RB in Zukunft verhalten wird. Dennoch halte ich den RB nachwievor für den deutlich besten Boliden.
Lotus:
Nicht nur Grosjean ist aufgewacht, sondern Lotus insgesamt. Dies war gut zu sehen anhand der Überholmanöver von Grosjean und Räikkönen bzw. dem gescheiterten Versuch von Vettel gegen Räikkönen: Die Lotus sind schiere Traktionsmonster. Vettel hatte trotz 13 Runden jüngerer Reifen eigentlich nicht den Hauch einer Chance, auf der Geraden Räikkönen zu überholen, weil dieser derart gut beschleunigt. Auch andere Aktionen verdeutlichen dies. Dies führt zu einem deutlichen Vorteil der Lotus, der zusammen mit ihrer schon gut bekannten reifenschonenden Fahrweise und Doppel-DRS (wenn es denn mal funktioniert) durchaus noch eine Rolle spielen kann: Gelingt es, mit einem Stop weniger, vor einen RB oder Mercedes zu kommen, ist es extrem schwer, einen Lotus zu überholen. Andererseits sind Überholmanöver für beide Fahrer leichter. (Dass Grosjean den Vettel nicht überholen konnte, würde ich eher der Unerfahrenheit des Franzosen zurechnen.)
Ferrari:
Last, but honestly least - würde ich das nennen. Was auch immer die Ursachen sind, aber Ferrari kann einfach nicht mehr mithalten. Während alle anderen im Speed auf eine Runde regelmäßig Fortschritte machen, bewegt sich bei Ferrari gar nichts. Auch ist der Reifenvorteil vom Anfang der Saison sichtlich dahin. Selbst Mercedes (und RB) haben hier nachgezogen. Das mag auch designphilosophische Gründe haben (später vielleicht dazu mehr), aber es ist deutlich zu sehen, dass der Ferrari zwar bei Traktion und Beschleunigung vorn mit dabei ist, aber in Sachen Gripniveau und Kurvenstabilität bestenfalls Mittelmaß ist. So ist ein schmeichelhafter 5. Platz von Alonso und ein typischer 8. Platz von Massa Resultat dieser Entwicklung - es gibt schlicht drei Boliden, die deutlich schneller sind. Ein vierter ist im Anmarsch...
McLaren:
Da mottet man den MP-27 wieder aus, baut die aktuellen Flügelkonstruktionen dran und siehe da, es geht deutlich bergauf. Das ist ein deutlichen Zeichen für die geänderte Designphilosophie: Zum ersten Mal haben Button und Perez schon am Freitag ein Setup, mit dem sie zufrieden sind, während die Ingenieure die Aerodynamik erstmalig wirklich verstehen. LowCoG (MP-27) vs. Ferrari/Sauber-Ansatz (MP-28) - es ist deutlich. Angesichts der Kapazitäten bei McLaren und der Probleme bei Ferrari würde es mich nicht wundern, wenn der MP-27b demnächst vorm Ferrari ankommt, und das, obwohl sich McL wohl längst schon eher mit dem nächsten Jahr beschäftigt. Da die Fahrer durchaus auch in der Lage sind, einen gut abgestimmten und somit weniger rutschenden Boliden reifenschonend über lange Stints zu bringen, sehen wir Button und Perez demnächst wohl häufiger auf den Plätzen 3 und 4 - wenn auch nicht am Ende des Rennens.