Ich glaube, das war eher eine Taktik-Diversifikation, den einen änderst du, den anderen nicht. Bei Ferrari passierte das ja in der Vergangenheit häufig, auch in der Konstellation VET = aggressiv, RAI = konservativ. Hängt wohl auch damit zusammen, dass VET i.d.R. mehr Reifen braucht als RAI.
Nun, man muss Vettel in dieser Saison auch zugute halten, dass er oftmals die Renntaktik von Ferrari hinterfragt und/oder auch Input gibt. Gab so manch Situation in dieser Saison, bei welcher Ferrari den Vettel in die Box holen wollte, aber dieser dem wiedersprach und letztlich richtig lag.
Gewiss, Vettel hat nicht die Übersicht, wie sich der gut 20 Sekunden hinter ihm liegende Verkehr verhält ... aber er kann seine Reifen einschätzen, managen und sich nen Plan für Rennen im Kopf zurecht legen. Das scheint mir weniger Räikkönens Ding zu sein.
Bei RedBull und Mercedes beispielsweise sieht man in der Tat diese Saison selten verschiedene Taktiken. Bei Mercedes wird zumeist auch eisern der Plan verfolgt, dass der vorne gelegene Pilot zuerst in die Box darf ... es sei denn, der hinten gelegene Pilot muss einen Boxenstop der Konkurrez covern oder für den hinten gelegenen Piloten ist ein härterer Reifen für den nächsten Stint geplant (Grand Prix von Österreich).
Was wäre passiert, wenn die RB wie VET an die Box gekommen wären, um Super (rot) aufzuziehen? Entweder hätten die Mercs pariert und man hätte ebenfalls gewechselt oder aber die Mercs wären draußen geblieben. Ich denke, letzteres wäre sehr viel wahrscheinlicher gewesen, da a) die Mercs ja durch die Schleichfahrt von HAM weniger Degradation hatte, b) ein weiterer Wechsel Unsicherheit bei ROS ausgelöst hätte (man hatte ja schon beim ersten Stop Probleme) und c) das eine schöne Lösung für die Teamspitze gewesen wäre, um HAM zum Schnellfahren zu bewegen. Wenn von hinten gleich drei Verfolger auf frischen Reifen kommen und HAM gewinnen muss, hätte er deutlich mehr pushen müssen. [...] Unabhängig von dieser Situation war klar, dass die Schleichfahrt dazu führt, dass man sich den Extra-Boxenstopp leisten kann. VET war deutlich hinter VES bevor ersterer sich seine roten Reifen holte. VES hätte also genug Zeit gehabt, diese Taktik zu covern und selbst als 1. Verfolger wieder auf die Strecke zu gehen. HAM hätte zudem schon dafür gesorgt, dass beide (und RIC) soweit heranfahren, dass sie ROS gefährden können. Ergo tauschte RB durch ihre konservative Taktik den 3. gegen den 4. (oder war VET sogar nur 5.? - weiß ich nicht mehr genau).
Nun die Taktik der Mercedes-Piloten war diese Saison ja häufig, dass man vorne einen Vorsprung von 4-5 Sekunden raus fährt, so dass man gucken kann, wie die Konkurrenz ihre Reifen wechselt. Auf der In-Lap pusht man nochmal und kommt eine Runde nach der Konkurrenz rein ... die 4-5 Sekunden Vorsprung reichen dann aus, um die Position zu verteidigen.
Diesmal war man bei Mercedes eher vorsichtig und legte den ersten Stop recht früh ein ... aus Sorge um einen Undercut, auch weil die Gegner näher dran waren.
Hätten man bei RedBull die roten für den letzten Stint genommen, dann wäre Mercedes womöglich nachgezogen ... wahrscheinlich aber nicht. Allerdings wäre dies - regeltechnisch - nur bei Ricciardo gegangen, Verstappen musste ja noch eine andere Mischung fahren.
Der Zeitpunkt von Ricciardos zweitem Boxenstop war mit Sicherheit zu früh, um auf Rot fahren zu können ... die wären am Ende eingebrochen. Es ist eine Sache wie Verstappen mit halbtoten Super-Soft-Reifen hinter einem Bummel-Hamilton zu fahren ... aber eine andere mit Rot einen Undercut zu fahren und damit die Führung zu verteidigen. Das wäre nicht gut gegangen. Mercedes hätte das kaum pariert mit einem Wechsel ebenfalls auf Super Soft ... da hätte man zuviel Sorge gehabt, noch von einem Piloten auf den gelben Soft-Schlappen kassiert zu werden (Verstappen, Räikkönen).
Wäre Ricciardo nicht in die Box gekommen (so wie Vettel), dann wäre Mercedes vermutlich trotzdem bei der geplanten Strategie geblieben.
Wie gesagt ... die Vettel-Strategie mit Super Soft am Ende konnte gegen die eigentlich schnellere Strategie (US-S-S) nur wegen dem Bummel-Tempo funktionieren.
Horner meinte später, dass es naiv gewesen wäre, wenn man nicht mit Hamiltons Bummel-Taktik gerechnet hätte. Bei RedBull war man fest davon ausgegangen, dass Hamilton diese Schiene fährt. Allerdings unterstrich Horner auch, dass die Vettel-Taktik nur mit einem frischen Satz Super Soft funktionieren konnte.
Dieser lag bei Ferrari parat (siehe dein Beitrag vom Sonntag um 13:46). RedBull hatte bei beiden Piloten nur einen Satz gebrauchte Super-Soft ... die aus dem Q2 ... welche beim Start angeschraubt werden mussten.
Der Knackpunkt an der ganzen Sache ist tatsächlich wieder Verstappen.
Wäre Räikkönen die gleiche Strategie gefahren wie Vettel und hätte man bei RedBull auch einen späten zweiten Boxenstop eingelegt (z.B. mit eine Super-Zock-Aktion wie Ultra Soft am Ende), dann hätte man bei Mercedes den eigenen zweiten Boxenstop vielleicht auch hinaus gezögert. Schließlich hatten Rosberg und Hamilton auch noch einen Satz frische Super-Soft für das Rennen zur Verfügung.
(Ganz großes) Aber: Man musste Verstappen covern. Normalerweise hätte man auf diesen (das halbe Rennen auf einem Satz Super Soft gefahren) einen großen Vorsprung rausgefahren ... nicht nur wegen des Drehers ... hat man jedoch nicht.
Wären die Mercedes draußen geblieben (wie Vettel), dann hätte Verstappen mit frischen Soft einen Vorsprung auf die alten Soft bereiften Merc rausfahren können ... den diese vielleicht nicht mehr eingeholt hätten (selbst wenn sie pushen).
Vettel hätte vermutlich Verstappen auch nicht mehr eingeholt, wenn dessen Tempo am Ende nicht auch durch das der Piloten vor ihm beeinflusst worden wäre.
Zusammenfassend:
1. Verstappens Dreher brachte diesem den Gedanken eine 1-Stop-Strategie zu versuchen.
2. Hamiltons Bummel-Fahrt machte die Erfolgschancen der 1-Stop-Strategie realistischer ... sie hätte sonst kaum gefruchtet.
3. Ricciardo konnte am Ende keine Super Soft Reifen mehr fahren ... den einen Satz den er fuhr, hatte er am Anfang drauf.
4. Die Vettel-Taktik funktionierte nur, weil Vettel frei Fahrt hatte, während die anderen langsamer fuhren, als das was die Reifen hergaben
5. Die Taktik mit weicheren Reifen war für Mercedes keine realistische Option. Auf dem Papier war sie langsamer als das Rennen auf Soft zuende zu fahren (bei normalem Tempo). Somit mussten die Mercedes - um den Rennsieg nicht zu gefährden - Verstappen covern.
Dennoch zu bedenken:
1. Soooo langsam waren die Mercedes auch nicht. Gewiss, Hamilton hielt Rosberg dort auf, wo man nicht überholen konnte. Andererseits klaffte vor den Force India eine große Lücke. Man muss ggf. festhalten, dass laut Force India die Beschädigungen an Hülkenbergs Wagen diesen etwa 2 Zehntel pro Runde kosteten. Bei Force India hat man wenig Verständnis, dass die Kollision durch Verstappen nicht mal untersucht wurde.
2. RedBull hätte noch die Chance auf eine noch größere Zockerei haben können. Ricciardo hätte - statt den (geglückten) Undercut gegen Räikkönen zu wagen - ebenfalls lange draußen bleiben können, um am Ende auf Ultra Soft zu gehen. Freilich hätten Hamilton, Rosberg, Vettel und Räikkönen abwarten und reagieren können, ob ein anderer Pilot sowas in Erwägung zieht ... aber wie gesagt ... bei diesem "speziellen" Rennen war Verstappen zu covern.
Andererseits hätte das wohl auch ROS dazu verleiten können, auf Teufel komm raus einen Versuch zu starten, an HAM vorbeizugehen.
Nein, da er immer den Titel sicher hatte, solange er nicht zulässt, dass zwei Fahrer zwischen ihm und Hamilton liegen.
Insofern war es auch garnich nötig, dass Rosberg den Verstappen überholte, wie es letztlich von ihm verlangt wurde und was er dann ja auch machte.
Rosberg hätte es egal sein können, wenn Hamilton einen großen Vorsprung auf ihn hat (hätte die ganze Sache eher einfacher für ihn gemacht) ... hauptsache er liegt noch vor den anderen Piloten und das war ja mit RIC, RAI und VET der Fall.
Die Mercedes-Sorge war vielleicht nur, dass Rosberg zu viel Zeit hinter Verstappen verliert und nach dem zweiten Boxenstop hinter diesem rauskommt.
Wäre der Abstand zu den Force India größer gewesen (Verstappen kam hinter diesen raus), dann wäre das vielleicht sogar der Fall gewesen.
Letztlich hatte man bei Mercedes die Sache im Griff und konnte jederzeit auf die RedBull und die Ferrari reagieren ... je nach dem, wie sich die Abstände nach den Boxenstops veränderten.
Was Rosberg wirklich Probleme hätte bereiten können wäre gewesen, wenn Hamilton vor dem zweiten Boxenstop massiv gebummelt hätte. Dann wäre Rosberg velleicht zwischen oder hinter VES, RIC und RAI auf die Strecke gekommen ... Hamilton aber vielleicht auch.
Dann hätte man schauen müssen, wer von den beiden sich wie sehr durch das Feld vor arbeitet.
Allerdings hatte Mercedes (laut AMuS) Hamilton mit einem Rosberg-Undercut gedroht, falls dieser den Rennsieg für das Team gefährden würde ... auch die Rosberg-Reifen lagen für einen möglichen Boxenstop bereit.
Hätte Hamilton da zu stark gebummelt oder wäre nicht wie befohlen an die Box gekommen, dann hätte man Rosberg reingeholt, um VES, RAI, RIC zu covern.
VET war deutlich hinter VES bevor ersterer sich seine roten Reifen holte. VES hätte also genug Zeit gehabt, diese Taktik zu covern und selbst als 1. Verfolger wieder auf die Strecke zu gehen. HAM hätte zudem schon dafür gesorgt, dass beide (und RIC) soweit heranfahren, dass sie ROS gefährden können. Ergo tauschte RB durch ihre konservative Taktik den 3. gegen den 4. (oder war VET sogar nur 5.? - weiß ich nicht mehr genau).
VES konnte die Vettel-Taktik nicht fahren. Er hätte die Ricciardo-Taktik fahren können und am Ende auf Ultra-Soft wechseln können ... aber dazu hätte er sich früher entscheiden müssen. Womöglich wäre er mit der Ricciardo-Taktik aufgrund des Drehers auch weiter hinten gelandet, zumal er das Mittelfeld zwei Mal hätte überholen müssen.
Vettel lag auf Platz 6, bevor die 5 Piloten vor ihm sich ihre Soft-Reifen für den jeweiligen letzten Stint holten.