Ich habe zwei Spiele gesehen und bin beeindruckt, wie Neid die Mannschaft spielerisch konsequent zurückentwickelt.
Technisch ist die Mannschaft sicher nicht einmal europäische Spitze. Es ist teilweis haarsträubend, dass eine Wandspielerin wie Mbabi bald drei Kontakte braucht, bis der Ball verarbeitet ist. Dazu sind Maroszan, Lotzen und Bajramaj die einzigen im Team, die bisher eine akzeptable Ball-Raum-Wahrnehmung zeigen. Beim Rest sieht man beständig eine viel zu lange Orientierungsphase. Damit meine ich Situationen, in denen Spielerinnen zögern, ob sie zum Ball gehen oder wegbleiben oder mit welcher Geschwindigkeit und welchem Winkel sie einen Ball spielen müssen. In Anbetracht der Königin dieser Disziplin möchte ich dieses Phänomen gerne "Krahn-Syndrom" taufen. Die hat das bei jedem hohen Ball und springt dann am Ende meist unmotiviert der Gegnerin ins Kreuz, nachdem diese den Ball per Kopf verlängert hat. Das ist deswegen erschreckend, weil das Indizien sind für eine unzureichende Sozialisierung im grundlegenden Fussballspiel. Bei den Feierabendfussballerinnen auf Island ist das wurscht, aber gerade der Großteil der aktuellen Nationalspielerinnen entstammt einer Generation, die in den Fussballschulen aus Potsdam und Co. wirklich seit 10 Jahren absolut herausragende Bedingungen (für Frauenfussball!) vorfinden.
Was auch gar nicht geht, ist das Spiel ohne Ball. Ich könnte weinen, wenn ich sehe, dass die deutsche Außenverteidigerin in 2/3 aller Angriffe den Ball die Linie lang spielen muss, wo die Flügelspielerin den Ball mit Gegnerin im Kreuz ins Aus prallen lässt. Es ist mir schleierhaft, was oder ob Neid da irgendwas sinnvolles erzählt. Die zentralen Mittelfeldakteurinnen (Maroszan und besonders Keßler sind hier hervorzuheben) spielen wie taktische Frischlinge. Statt konsequent mit der Flügelspielern ein Dreieck anzubieten und so die Möglichkeit auf Doppelpasssituationen zu spielen, laufen die aus ihrer zentralen Position an, um dann steil hinter ihre Gegenspielerin auf die Seite zu gehen. Das ist natürlich der dämlichste Laufweg, weil man da nur angespielt werden kann, wenn die AV über zwei Gegnerinnen rüberlupft. Das dieser Lupfer dann wieder drei Kontakte (falls er je ankommt) braucht, bis er verarbeitet ist, dürfte bekannt sein.
Das dritte gravierende spieltaktische Problem ist, dass Neid den AV scheinbar überhaupt keine Orientierung bieten kann, wann oder ob sie sinnvoll hinterlaufen sollen. Und selbst wenn mal hinterlaufen wird, darf man davon ausgehen, dass die Flügelspielerin erstmal 1-2 Sekunden braucht, um zu raffen, was sie jetzt mit dem Ball zu tun hat. Einzig Bajramaj (die ich für absolut ineffizient halte) hat das nach ihrer Einwechselung gegen Island 3-4x vernünftig gemacht: die Mitspielerin überläuft, man selbst wartet kurz darauf, wie die Abwehr reagiert und agiert dann. Entweder spielt man direkt den Pass, wenn die Abwehr nicht fällt, oder man nutzt den Platz der abfallenden Defensive selbst. So hat Bajramaj ein Tor vorbereitet und 2-3 weitere gefährliche Situationen über rechts eingeleitet. Dass sie sonst taktisch neben sich steht und keinen Schritt zuviel in der Defensive macht, lass ich da mal außen vor.
Deshalb regt mich auch diese Jubelperserei so auf. ZDF schaue ich ja schon gar nicht, aber selbst auf Eurosport ist dieser vollblinde Africa-Cup Kommentator unterwegs, der nie was mitkriegt und alles bejubelt. Das ist aber das Problem im deutschen Frauenfussball. Die Entwicklung geht komplett am DFB vorbei. Wenn ich sehe, was Teams wie Dänemark, Spanien, Frankreich und Schweden grundsätzlich an solidem flachen Kombinationsspiel anbieten können, dann sind unsere deutschen Dampframmen gänzlich ungeeignet, da in naher Zukunft irgendwas zu reißen. Aber man muss es ja bejubeln, weil man sonst a) frauenfeindlich ist oder b) die schöne, positive Entwicklung des Frauenfussballs in Deutschland gefährden würde. Dass allerdings die Aussichten der Nationalmannschaft (Maßstab: das internationale Niveau im Frauenfussball) in den letzten 2-4 Jahren immer schlechter werden, passt halt nicht zur Euphorie, die da immer zwanghaft verbreitet wird. Können wir vielleicht Mehmet Scholl für die Halbzeit und Spielendeanalysen auch für die Frauen gewinnen?