Einen technisch geführten Kampf aus vorwiegend längerer Distanz und in mäßigem Tempo sehe ich Golovkin NICHT gewinnen, schon gar nicht eingedenk Canelos Lobby im Hintergrund.
Alvarez hat ein zu explosiv-vielseitiges Schlagrepertoire mit starken Konterqualitäten und ist mittlerweile auch defensiv um einiges wacher und feingeschliffener als in jungen Jahren. Die Oberkörperbeweglichkeit, Paraden und Slips sind schon auf sehr hohem Level, das wirkt spätestens seit Cotto alles gut geölt und eingespielt.
Diesen Gegner wird Golovkin in meinen Augen nicht auf technisch-spielerische Art aus der Ringmitte heraus mit dem Jab domestizieren und kontrollieren können, wie einen Lemieux um dann zur Mitte des Kampfes das Tempo anzuziehen. Gegen Canelo gibt er auf die Art und Weise zu viele Runden ab. Der anthizipiert deutlich besser und hat in der Ringmitte auf halber und langer Distanz mit Leuten wie Mayweather, Lara oder auch Khan schon so Einiges erlebt und erfahren.
Keine Frage, Golovkin ist für einen Puncher mit 90+% KO Quote technisch sehr beschlagen und kann zu einen gewissen Grade auch adaptieren, aber mann muss die Kirche im Dorf lassen - seine herausragenden Qualitäten die ihn auf p4p Ebene heben und seine Kämpfe seit jeher ganz entscheidend prägen, sind und waren imo immer eine außergewöhnliche Kombination aus Kinn, Schlagkraft und der dazugehörigen Killermentalität. Das ist der Dreh- und Angelpunkt bei ihm auf dem alles andere aufbaut und der ihm schwächere Momente in anderen Bereichen erlaubt. Technisch haben ihm schon Leute, die ich nicht als p4p Kaliber einschätze, hier und da die Grenzen zumindest angedeutet und deshalb denke ich, dass er gegen Textbook Canelo gut beraten ist, sich auf seine ureigenen Stärken zu besinnen und möglichst früh einen physischen Gunfight zu forcieren.
Alvarez ist trotz aller Verbesserungen in den Grundtendenzen immer noch der gleiche Boxer wie vor 4-5 Jahren. Seine vergleichweise statische Beinarbeit wird er in diesem Leben nicht mehr los und dass er gerne in (beeindruckenden) Spurts kämpft und dazwischen seine Kunstpausen braucht ist auch bekannt. Im Grunde ist seine Komfortzone recht klar abgesteckt und Golovkin hat sehr gute Möglichkeiten ihn dort rauszuholen, wie es noch keiner getan hat. Allerdings nicht, wenn er die Lemieux Taktik auspackt. Dermaßen unbedarft nach vorne zu stürmen wie gegen Brook kann er sich hier natürlich auch nicht erlauben, aber den methodischen und doch zwingenden Druck aus dem Macklin-Kampf halte ich für sehr geeignet. Hohes Tempo ist für mich ein wenn nicht der Keyfaktor - wenn es konditionell anspruchsvoll und unübersichtlich wird dann leiden Technik und Timing gerne darunter, wie man das beispielsweise in Ansätzen bei Alvarez vs. Kirkland sehen konnte. Canelo hat nicht die Beine und das Raumgefühl, um sich dem Druck und den Ringseilen zu entziehen und so denke ich auch, dass es schon früh einen Realitycheck geben dürfte und da bin ich dann ernsthaft gespannt, wie es mit konditionellem Stehvermögen und der Härte bei Alvarez auf diesem Level aussieht.
Jetzt nachdem ich mir ein paar Gedanken zum Kampf gemacht habe, vermute ich immer mehr, dass uns ein ziemliches Slugfest erwartet. Golovkin wird drücken um Canelo konditionell anzutesten und dem wird nicht viel Anderes übrigbleiben als den Kampf anzunehmen. Irgendwie dann doch wie fast immer bei GGG.