Um dieses eigentliche so schöne Unterforum etwas zu beleben, mal ein paar Einschätzungen und (teilweise) Empfehlungen, zu meinen jüngsten Leseabenteuern, wobei insbesondere das erstgenannte Anlass meines Posts hier ist (und ebensogut in den Österreich-Thread im Non-Sports gepasst hätte):
Ich hab - beeinflusst vom medialen Hype und nach Lektüre
dieser Spiegel-Kolumne - mal Nataschas Strobls kurzes Werk
Radikalisierter Konservativismus gelesen. Gegenstand ihrer Betrachtung ist die in den letzten Jahren in vielen Ländern der Erde veränderte Typ konservativer Politiker, der nicht mehr Spießbürger, sondern Radikaler ist und der um der Macht Willen geschriebene und ungeschriebene Normen bricht. Im Zentrum ihrer Betrachtung stehen dabei natürlich Trump, aber eben auch Sebastian Kurz, an dem Strobl als Wienerin deutlich näher dran ist. Gerade im Hinblick auf die österreichische Situation lernt man als Deutscher dann auch einiges, wobei die Analyse angesichts der jüngsten Ereignisse bei unseren südlichen Nachbarn (die natürlich nach Drucklegung geschahen) nichts verloren hat, sondern sich eher bestätigt sehen darf. Sie versucht sich gar nicht erst, von einigen Andeutungen im Nachwort abgesehen, an einer Antwort auf die drängenden Fragen im Umgang mit dem Rechtspopulismus/-extremismus tradierter, etablierter politischer Parteien, sondern bietet einen reinen Problemaufriss. Der hat es aber in sich. Es ist zwar nicht so, dass irgendeiner der Punke, die sie dort als Merkmale der von ihr beschriebenen Strömung ausmacht, für sich genommen überraschend wäre oder einen Aha-Effekt mit sich brächte. Man weiß eben, wie ein Trump zu den Medien und Justiz steht, und wie sein (strategisches) Verhältnis zur Wahrheit ist. Gleichwohl ist die Darstellung beeindruckend, weil sie die Dinge einfach komprimiert und treffend auf den Punkt bringt und es ihr so gelingt, die wesentlichen Charakteristika dieser vergleichsweise neuen politischen Entwicklung pointierter herauszustellen, als man es andernorts bisher gelesen hat.
Im übrigen sehr einfach zu lesen: Simple, unprätentiöse Sprache und eine knappe Darstellung auf ca. 150 Seiten im ohnehin großzügig gedruckten Suhrkamp Format. Ich hatte es innerhalb eines Nachmittags durch. Klare Empfehlung, nicht nur für unsere Österreicher (
@gentleman @stillbrick ), die an dem Kurz-Elend noch näher dran sind...
Ansonsten hab ich mir vor einer Bahnfahrt Christopher Clarks
Von Zeit und Macht gekauft. Ich kannte sein Buch "Die Schlafwandler", was mir vor einigen Jahren gut gefallen hatte. Beim hiesigen Werk hab ich aber kaum Zugang gefunden. Es geht in der Sache um die Geschichtsbilder verschiedener Herrschender und damit letztlich auch deren Selbsteinordnung innerhalb der Geschichte, die mal als Lauf und mal als abgeschlossener Prozess wahrgenommen wird. Das ist natürlich sehr abstrakt, weswegen Clark es bei der Darstellung von vier, der deutschen Geschichte entnommenen Referenzen belässt: Friedrich Wilhelm, der Kurfürst von Brandenburg im 17., Friedrich II. im 18., Bismarck im 19. und die Nazis im 20. Jahrhundert. Ein großer Bogen, eine Grundidee oder auch nur ein wirklich durchgängiger Gegenstand der Analyse erschließt sich mir dabei aber nicht wirklich. Zwar sind insbesondere die Darstellungen zu Friedrich II. und Bismarck gelungen, wohingegen die zur NS-Zeit zwangsläufig sehr fragmentarisch wirken, weil Clark - ohne den Umfang der Darstellung zu verändern - hier auf einmal nicht mehr eine Einzelperson, sondern eine ganze Weltanschauung beschreiben will. Gleichwohl springt der Funke beim Lesen auf mich nicht über. Ich tue mich schwer, festzuhalten, was überhaupt beim Lesen hängen geblieben ist.
Mein Ansinnen, mal eine Mao-Biografie zu lesen, ist aufgeschoben. Der Spontankauf von Helwig Schmidt-Glinzers
Mao Zedong: Es wird Kampf geben entpuppte sich jedenfalls für mich als Flop, den ich in etwa nach der Hälfe der Seiten ins Regal stellte. Zumindest bislang ist von einer kritischen Auseinandersetzung mit der historischen Figur Mao nichts zu merken, stattdessen verliert sich der Autor in zahllosen Details, die für Sinologen interessant sein mögen, aber für den dahingehend ungebildeten Leser auf dem deutschen Markt einfach nur schwer nachvollziehbar sind. Dabei kann der Autor die Bewunderung für den Staatsmann Mao kaum verbergen. Auch das Leserische ist kein Genuss: Keine der von ihm dargestellten historischen Figuren erwacht "zum Leben", auch der Protagonist Mao selbst nicht. Vielleicht versuche ich mich stattdessen bald mal an der Mao-Biografie von Jung Chan, die bei Pantheon erschienen ist und mir empfohlen wurde.
Im gleichen Zug hab ich mir auch Willi Winklers
Luther - ein deutscher Rebell zugelegt. Vielleicht auch, weil mir das Verständnis bei deutschen Themen leichter fällt, komme ich hier viel besser voran, wobei mich auch der angenehm unprätentiöse Stil freut. Ich bin erst etwa bei der Hälfte angelangt, kann aber sagen, dass man hier nichts falsch macht, sofern man etwas poppig-schilderndes, bestenfalls populärwissenschaftliches und keine tiefergehend fundierte Abhandlung sucht (wer sich aus zweiter Perspektive mit dem Thema befasst hat, wird kaum glücklich werden). Ich verzeihe dem Autor auch die exzessiven Zitate aus dem Frühhochdeutschen, weil man ansonsten gut im Lesen vorankommt. Letztlich ist die Zeit, in der ein Luther wirkte, derart faszinierend (und mit ihrer obsessiven Gottesfurcht auch: derart schrecklich), dass das Thema für sich genommen schon fesselnd ist. Dem Autor gelingt es, den Leser in diese Zeit hineinzuziehen. Dabei geht es im weniger um Luthers ideengeschichtliches/theologisches Wirken, sondern um die Person Luther, die man als frühen Meister der Selbstinszenierung verstehen kann. Bottom-Line: Heute würde er mindestens twittern
. Sofern man sich angesprochen fühlt: Das Buch gibt es im Festeinband im Handel für unter 10 Euro und war auch bei mir ein Grabbelkisten-Kauf.
Ein paar andere Sachbücher liegen noch herum und warten darauf, gelesen zu werden. Mal gucken, vielleicht gibt es bald noch mal einen Folgepost, falls ich die Muße habe.