Zunächst einmal: Ich habe das Spiel heute Nacht gegen die Clippers nicht gesehen (und werde es mir wohl auch nur in Auszügen anschauen können). Aber wenn ich meine bisherigen Eindrücke aus den Mavs- und Blazers-Spielen, die Einschätzungen in renommierten Blogs und Kolumnen sowie die Aussagen der Statistiken mal zusammenfasse, passt meiner Meinung nach gut, was ESPNs J.A. Adande nach dem Spiel schrieb:
The Lakers' greatest issue is they don't know how to win together. They're stuck without an identity. They don't know what to do, or when to do it.
Identität, das ist das Stichwort: Diese Mannschaft gewinnt nicht, weil sie keine Identität hat. Weil das Talent, was bei den Lakers auf dem Feld herumrennt, (momentan) weder mit sich selbst noch miteinander oder mit dem System im Einklang ist.
Ein Stück weit ist das ja nachvollziehbar: Da ist einer der besten Big Men der Liga, der ein halbes Jahr keinen Wettkampf bestritten hat, nur 2 Spiele in der fraglos mäßig bedeutsamen Preseason absolviert hat und insgesamt in der Vorbereitung wohl mehr damit beschäftigt war, wieder ein Gefühl für seinen Körper und den Basketball zu entwickeln, als sich in ein neues Team mit neuartigem System einzugliedern (und das ist auch völlig legitim). Da ist es nur logisch, dass die Abstimmung zu Saisonbeginn noch etwas hakt; zumal er sich - und ich denke, das ist für alle sichtbar, die ihn aus seinen dominanten Magic-Zeiten kennen - in manchen Situationen noch etwas vorsichtig und unbestimmt verhält. Aber wie gesagt: Das ist ihm nach einer so schwerwiegenden Verletzung und langer Reha zuzustehen! Für die Lakers ist der Haken an der Sache nur: Gerade in der Verteidigung ist er dadurch noch nicht die Vollkasko-Versicherung, die man sich von ihm erhofft und die er (das hat er in Orlando an der Seite vieler Defensiv-Laien gezeigt) in Topform auch sein kann. Howard ist am defensiven Brett noch nicht die vollwertige Präsenz, in der Pick-and-Roll-D noch nicht ganz auf der Höhe, noch nicht die Abrissmaschine von früher - und auch im Defensivrebound (zumindest bilde ich mir das ein) hin und wieder etwas nachlässig, wenn es um körperliches Ausboxen geht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er im Laufe der nächsten Wochen und mit weiterer Spielpraxis wieder dorthin findet. Versteht mich nicht falsch: Das sind alles keine Riesenschwächen, die er derzeit entblößt, aber für eine Mannschaft wie die Lakers, die auf jeden Funken Verteidigungspräsenz angewiesen ist, doch ein Nachteil.
Ebenfalls in die Rubrik "Individuelle Probleme" fällt die Causa Nash. Wenn du dich zu Saisonbeginn gleich zweimal verletzt, ist das natürlich suboptimal und erschwert es, irgendwie in einen Spielrythmus zu kommen. Auch Steve muss man deswegen Zeit geben (und hoffen, dass die jüngsten Verletzungen nicht einfach ein Resultat seines Alters sind und in der Häufigkeit über die ganze Saison so weitergehen). Andererseits hat er auch deutliche Schwierigkeiten, im neuen Umfeld bzw. "System Princeton" in Fahrt zu kommen. Er ist sich offensichtlich über seine Rolle nicht bewusst, nimmt sich mehr zurück als es gut ist, kann seine Stärken momentan noch nicht ansatzweise ausspielen. Ich will ganz ehrlich sein: So wie momentan hab ich, der die NBA seit seiner Zeit bei Dallas, Steve Nash noch nie erlebt. Ballverluste wie der gegen Collison sowie andere Unsicherheiten im Spielaufbau und Passing habe ich - muss ich gestehen - bei Nash in der Quantität noch nie gesehen. Wo sind die spektakulären Pässe aus heiterem Himmel, wo die fancy dribblings, wo die halsbrecherischen Dribble-Manöver und kecken Würfe? Wie das anteilhaft mit den physischen Problemen und den Anpassungsschwierigkeiten zu tun hat, kann natürlich niemand sagen. Aber ich hoffe sehr, es ist nur Letzteres. Jedenfalls gehen Steves Stärken in der Princeton-Offense momentan am Meisten unter. Würde man einen NBA-fremden Basketball-Fan eines der letzten Lakers-Spiele zeigen, er würde Nash vermutlich als einen maximal durchschnittlich begabten Aufbauspieler einstufen.
Kobe und Pau scheinen am Besten im System zurechtzukommen - sie spielen eigentlich wie immer. Leider trifft das auch auf Metta zu. Unabhängig davon, ob sich das Team entsprechend seines Talents noch fängt, ist World Peace einer der Faktoren, die uns in potenziellen Playoff-Serien gegen Contender sehr weh tun werden; einfach, weil der mMn kein NBA-Starter mehr ist. Defensiv ist das noch in Ordnung, obgleich er gegen viele athletische Dreier einfach zu schwer und langsam ist. Aber im Angriff ist er nicht mehr zu gebrauchen: Sein Dribbling ist grauenhaft, seine Entscheidungen eigentlich durchweg zum :wall: (Kopf-gegen-die-Wand-schlagen), sein Dreier so zuverlässig wie Dwights Freiwürfe. Gerade in der neuen Konstellation, mit zwei mehr oder weniger fußlahmen Guards (Nash, Bryant) und einem weiteren Spieler der Kategorie "Ästhet" (Gasol) bräuchten die Lakers eigentlich auf dem SF-Spot einen athletischen, beweglichen und mutigen Spieler. Jemanden, der hinten Löcher stopft und vorne mal furios zum Korb gehen kann (+halbwegs verlässlicher Distanzwurf), ohne zu viel Verantwortung für sich zu beanspruchen. Ich würde mir wünschen, den Deal "Artest-für-Ariza" hätte es nie gegeben. :cry:
Aber gut, mit den Typen, die man jetzt hat, muss man leben. Womit ich wieder zum Thema Identität kommen möchte, und da liegt mir das Thema "Bank" schwer im Magen. Kobe wird seine Punkte immer machen, Dwight mit der Zeit wieder zu sich selbst finden, Nash irgendwann das Zepter in die Hand nehmen (hoffe ich zumindest); aber die Lakers werden ein Riesenproblem haben, solange die Einbindung der Bankspieler so wahllos und unorganisiert geschieht wie bislang.
Ums mal mit den Worten Giovanni Trappatonis zu sagen: "Was erlaube Brown?" Ich muss ja gestehen, ich habe ihn im letzten Jahr (und auch davor) nicht so schlecht wie empfunden, wie manch anderer, aber was er bislang abzieht, hat mit Coaching auf NBA-Level nichts zu tun. Wenn die Starting-Five sitzt, läuft die zweite Unit auf dem Feld rum wie eine Horde Hühner: Jordan Hill lungert plötzlich in der Gegend rum und brickt Halbdistanzwürfe, anstatt am Brett seine Stärken (Hustle, Rebounding) auszuspielen wie letzte Saison; Antawn Jamison hat keinen Plan, was er in der Offense tun muss, und ist kaum eingebunden (dabei hat der Junge in der letzten Saison noch 17 PPG gemacht!!!) - und anstatt als Stretch-Vierer, wo er seine Wurfgefährlichkeit neben Howard oder Gasol ausspielen könnte, wird er meist auf der Drei geparkt; Meeks wird mal eingesetzt, mal nicht, dabei würde auch seine Wurfstärke dem Spiel gut tun - genauso wie Ebanks, der mal als Dreier, mal als Zweier eingesetzt wird. Dann ist da noch Duhon, der einmal eingesetzt wird, und dann plötzlich gar nicht mehr, weil Brown lieber dem Kollegen Morris vertraut.
Ich will ehrlich sein: Ich habe keine Ahnung, ob Mike Brown keine Authorität oder keinen Plan hat (oder beides). Aber gerade dann, wenn du auf der Bank keine Über-Zocker sondern viele Spezialisten hast, muss doch jeder eine feste Rolle haben! Stattdessen rotiert der Coach nach Lust und Laune, ohne ein verständliches Konzept erkennen zu lassen. Ich will mich überhaupt nicht als großer Taktik-Fachmann aufspielen, aber das hier hinten und vorne nichts stimmt, erkennt jeder Gelegenheitsfan. Nur Mike Brown offensichtlich nicht. Mitch und dem Rest des Front Office trau ich dagegen zu, die richtige Entscheidung zu treffen.