In beiden Runden stand Sturm während mancher Schlagwechsel zu lange vor dem Gegner. Sicherlich hätte er dort klammern können, er hätte aber auch die entscheidenden Schritte aus der Distanz bzw um den Gegner herum machen können. Das passt viel besser zu Sturm, denn dann hat er auch wieder die Distanz für seine Schläge.
Sehe ich fast genauso wie Joker. Außerdem bin ich mir sicher, dass Sturms Beinarbeit und Reflexe nicht unter Timms besagtem „Schlagkrafttraining“ gelitten haben. Ich denke eher, dass Sturm letztendlich
selbst am Druck, an der Psyche, ein wenig an Selbstüberschätzung und am Kampfverlauf gescheitert ist.
Sturm ist ja auch nicht sooo dumm und er hat gewusst, dass man ihm mit dem Spanier zwar einen Veteran, aber auch einen 38jährigen Boxer vorgesetzt hat, der seine besten Zeiten eigentlich hinter sich haben sollte.
Bewusst haben Sturm und sein Team den Kampf und Gegner natürlich ernst genommen, aber unbewusst setzt sich natürlich auch der Gedanke fest: „Hey, das ist ein alter Mann. Gegen den muss ich glänzen und am besten vorzeitig gewinnen! Das darf für mich als Champ kein Problem sein.“ Entsprechend schwierig wird hier dann die Arbeit des Trainers und die Vorbereitung bzw. Motivation. In der Praxis ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass man im Training also letztendlich genauso viel Gas geben kann wie z.B. gegen einen ODH, Hopkins oder Taylor. Wie gesagt, unbewusst setzt sich einfach fest, dass der Spanier eigentlich eine Art Geschenk für die erste TV sein sollte und im Ring lief plötzlich alles ein wenig anders, man verkrampft, boxt nicht seinen Stil und schon hat man die Bescherung. Das ist eben Boxen und "Klammer-Training" im Vorfeld wäre auch keine Lösung gewesen. Zudem man ja eigentlich davon ausgehen durfte, dass Sturm gegen den Spanier eigentlich kein Klammern nötig haben sollte. Man muss immer irgendwelche Abstriche im Training machen und es ist in der Praxis ein Ding der Unmöglichkeit alle Sachen, die es im Boxsport gibt, 100%ig zu trainiern und zu können. Irgendwo finden sich immer Lücken und die Kunst ist es halt, diese Lücken vor dem Gegner zu verstecken bzw. zu verhindern, dass er sie ausnutzen kann.
Ich vermute, dass Sturm einfach an einen Punkt angelangt war, an dem er einen Dämpfer brauchte. In diesen Situationen sind fast alle Trainer machtlos, ob in Kuba, Russland oder USA. Jetzt hat es ihn halt mit einer Knockoutniederlage in ner WM erwischt. Andere erwischt es eben im Sparring oder sie schrammen nur knapp an einer Niederlage in nem Kampf vorbei. Solche Dinge braucht es manchmal, bis ein Boxer manche Trainerworte erst richtig begreifen und umsetzen kann. Jetzt liegt es an Sturm selbst und mal gucken, was er daraus lernt und ob er es noch mal schafft bis nach oben. Kurz gesagt: Talent und Boxkönnen ist da. Leider oder zum Glück ist Talent und Boxkönnen halt nicht alles.