Interview. ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher spricht vor dem nordischen Saisonstart dieses Wochenende in Ruka über sportliche Entwicklungshilfe und baldiges Licht am Bergisel.
Der Nordische ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher
Nach dem tragischen Tod seiner Ehefrau hat sich Kombinierer-Cheftrainer Christoph Eugen eine Auszeit genommen. Wie sieht die weitere Vorgangsweise innerhalb des ÖSV aus?
MARIO STECHER: Wir haben Christoph selbst entscheiden lassen, was für ihn möglich ist. Bei ihm geht es jetzt darum, sich im Leben neu aufzustellen und für seinen elfjährigen Sohn neue Möglichkeiten zu schaffen. In der Saisonvorbereitung war Christoph bei den Trainingskursen und Auslandsreisen freilich nicht dabei, hat aber ab und zu beim Team in Rif, wo auch sein Sohn zur Schule geht, vorbeigeschaut. Wir haben derweilen versucht, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen – Christoph Bieler ist Hauptcoach und wird von Jochen Strobl und Clemens Derganc unterstützt. Wann und in welcher Form Christoph ins Team zurückkehren wird, ist noch offen.
Welche Erwartungen stellen Sie an die Mannschaft für die kommende Saison?
Wir sind als Team zuletzt noch einmal kompakter geworden, Johannes Lamparter und Stefan Rettenegger sind unsere Aushängeschilder. Und wenn Franz-Josef Rehrl so springt, wie er es kann, dann ist er ebenso immer für ein Podium gut. Gespannt darf man auch auf Paul Walcher sein. Er hat seinen Schlüsselbeinbruch super weggesteckt und sich sprungmäßig enorm gesteigert. Aber er ist noch sehr jung, hat noch nicht die nötigen Trainingsjahre und wird heuer vieles zum ersten Mal erleben.
Was erwarten Sie sich vom neuen Compact-Bewerb mit den fixen Zeitrückständen nach dem Springen und der 7,5-Kilometer-Strecke?
Für mich ist das die Zukunft der Nordischen Kombination. So ist es jetzt auch möglich, erstmals einen Skiflugbewerb auszutragen. Außerdem kann man diesen Bewerb auf einer 750 oder 1000 Meter langen Schleife austragen und den Wettkampf dadurch noch näher an die Schanze heranbringen. Heuer bekommen erstmals die Top 30 ein Preisgeld und die Top 40 Punkte – alles Neuerungen, die den Sport für schwächere Nationen und Zuschauer noch attraktiver machen sollen. Trotzdem glaube ich, dass die bisherigen Top sieben auch die Top sieben bleiben werden, weil sie ohnehin beide Disziplinen ähnlich gut beherrschen.
Ist dieser Bewerb auch ein entscheidender Schritt Richtung Olympia-Verbleib?
Definitiv. Dieser Bewerb ist ganz im Sinne der FIS, bietet er doch mehr Chancen und mehr Spannung. Zuletzt hat sich auch gezeigt, dass die Kombination ein wichtiger Teil der FIS-Familie ist. Jetzt ist es das Ziel, innerhalb des IOC wieder eine Kombinierer-Lobby zu schaffen. Die ist auch definitiv wieder vorhanden, doch ist es noch nicht möglich, sämtliche neuen Ideen umzusetzen, weil es ja noch laufende Verträge gibt.
Der Kombination wird der Mangel an konkurrenzfähigen Nationen vorgeworfen.
Daher gibt es jetzt auch Trainingskooperationen. Und die FIS verteilt auch stattliche Summen an Länder, die sich dafür anbieten. Wir kooperieren mit den Italienern, im Nachwuchs mit den Polen. Wir geben unser Wissen weiter, legen Trainingspläne offen und fahren gemeinsam auf Kurse. Wir sind so eine Art Entwicklungshelfer. Wobei das nichts Neues ist, arbeiten doch im Skispringen unsere Toptrainer doch fast überall in Europa.
Wie bewerten Sie das neue Fluor-Verbot im Weltcup?
Es ist kein leichtes Thema, aber das Verbot kommt meiner Meinung nach zu früh. Die Testverfahren und das Regelwerk sind noch nicht ausgereift. Und auf unterer Ebene kann man es noch gar nicht exerzieren. Man hätte noch ein, zwei Jahre warten sollen. Außerdem hat die EU nur die C8-Kette verboten, die FIS hat das Verbot gleich auf alle Molekül-Ketten ausgedehnt.
Was darf man sich von den Kombiniererinnen erwarten?
Die Vorbereitungen unter Neo-Coach Willi Denifl lief nicht ganz so einfach, waren doch ein paar Athletinnen beim Bundesheer oder kamen gerade aus der Lehre heraus. Daher sehen wir die kommende Saison grundsätzlich als Übergangsjahr.
Hinsichtlich Skispringen bildet die WM auf dem Kulm den Saisonhöhepunkt?
Eine Skiflug-WM im eigenen Land ist definitiv ein Höhepunkt, aber natürlich wollen wir auch wieder bei der Vierschanzentournee, die auch vor der eigenen Haustür stattfindet, gut performen.
Apropos Tournee – die Frauen müssen darauf weiter warten. Auch, weil sich der ÖSV quergelegt hat.
Wir haben uns nicht quergelegt und wollen die Tournee veranstalten. Allerdings unter gewissen Bedingungen. Wie etwa, dass Villach und Hinzenbach trotz Tournee im Weltcupkalender bleiben. Wir werden uns heuer genau anschauen, wie es in Deutschland läuft. Vor allem, was das Zeitmanagement und die Quartierfrage betrifft. Es soll eine Tournee für Frauen geben, doch muss das Projekt nachhaltig sein. Daher sind wir auch dafür, die Tournee gemeinsam mit den Herren zu veranstalten. Also zur gleichen Zeit am gleichen Ort – und nicht in umgekehrter Reihenfolge. Dafür wird es aber am Bergisel ein Flutlicht benötigen. Und da sieht es so aus, als könnte es 2026 so weit sein.
Hinsichtlich Anzugskontrolle hat die FIS einen Bodyscanner eingeführt.
Ein guter Schritt, der die Ausreißer beim Schrittmaß eindämmen soll und wird. Aber benötigt es da auch noch eine Weiterentwicklung, ehe ein Kontrolleur endgültig außen vor gelassen werden kann. Der Scanner muss alleine entscheiden können, ob er grün geben kann oder nicht.
Bei den ÖSV-Damen steht das erste Jahr ohne Erfolgstrainer Harald Rodlauer und die zurückgetretene Daniela Iraschko-Stolz an.
Neo-Coach Bernhard Metzler macht einen sehr guten Job. Aber wir waren zuletzt Gesamtweltcupsieger und Nationencupsieger – da ist es nicht leicht, an diese Erfolge anzuschließen. Sara Kramer hat sich gegenüber dem Vorjahr auf alle Fälle wieder gesteigert, Eva Pinkelnig war im Training zuletzt enorm stark. Leider ist es bei ihr zu einer Überbelastung im Knie gekommen. Wir hoffen, dass sie spätestens zur Two-Nights-Tour der Frauen wieder fit ist.