Als Trainer von Novak Djokovic haben Sie dafür gesorgt, dass Federer nicht als bester männlicher Tennisspieler in die Geschichte eingeht. Zusammen gewannen Sie 9 Grand-Slam-Titel.
Erst tauchte ein zweiter Kerl auf: Rafael Nadal. Und alle dachten, es gehe nur noch um Federer und Nadal. Und dann tauchte ein dritter Kerl auf, der noch besser wurde als die beiden. Sie wissen, wen ich meine: Mister Novak. Wissen Sie: Diese drei haben sich gegenseitig geholfen, bessere Spieler zu werden, und sich ans Limit getrieben.
Wie haben Sie diese knapp fünf Jahre zwischen Sommer 2019 und März 2024 als Trainer von Novak Djokovic erlebt?
Novak ist ein Genie, ein aussergewöhnlicher Mensch und der beste Spieler der Tennisgeschichte. Aber einfach war es nicht, das kann ich Ihnen sagen. Wenn ich daran denke, was in dieser Zeit alles passiert ist. Erst kam die Coronapandemie, dann die Disqualifikation bei den US Open, als Novak eine Linienrichterin mit einem Ball traf. Dann die Abschiebung in Australien. Es waren viele harte Zeiten.
Trotzdem haben Sie gemeinsam alle Rekorde gebrochen …
Novak hat es getan, und ich habe ihm ein wenig dabei geholfen. Darauf bin ich sehr stolz. Es war mir eine grosse Ehre und zugleich war es eine grosse Verantwortung, Trainer dieses Genies zu sein. Wenn man Novak Djokovic trainiert, ist alles andere als Titel ein Scheitern. Dazu ist Novak sehr fordernd. Jeden Tag muss etwas Neues passieren, er will immer besser werden. Das ist ein enormer Druck, mit dem man klarkommen muss. Bei Novak hat man immer nur wenige Sekunden Zeit, um ihm etwas zu erklären. Er will dann 15 Sachen auf einmal von dir wissen, aber dir bleiben nur drei Sekunden dafür. Das ist zwar enorm fordernd – aber auch sehr befriedigend.
Wie sind Sie mit diesem Druck umgegangen?
Ich hatte immer gute Tabletten (lacht). Nein, im Ernst: Druck hat man in diesem Geschäft jeden Tag. Du gewöhnst dich an diese Umstände. Dass wir beide aus dem Balkan stammen und die gleiche Sprache sprechen, half mir sicher enorm. Zudem ticken Novak und ich ähnlich. Ich war stets vorbereitet auf seine möglichen Reaktionen.
Weshalb kam es eigentlich zur Trennung von Djokovic?
Ich wusste, dass dieser Moment kommen würde. Beziehungen gehen zu Ende, aber wir haben uns als Freunde getrennt, mehr als das, und das werden wir immer bleiben. Es gab keinen Streit, keinen Vorfall. Novak hatte einfach genug von mir. Und ich hatte genug von Novak. Und jetzt gehen wir eben getrennte Wege.
Djokovic hat seit einem halben Jahr kein Turnier mehr gewonnen und stand 2024 noch in keinem Final. Wie sehen Sie seine Chancen bei den French Open, wo er als Titelverteidiger antreten wird?
Alle geraten in Panik, zumal er in Rom in der dritten Runde mit 3:6, 2:6 verloren hat. Aber wissen Sie was? Es spielt keine Rolle. Grand-Slam-Turniere sind eine andere Geschichte. Novak wird bereit sein für die French Open. Schon im letzten Jahr war er davor auf Sand nicht gut – und hat danach in Paris dennoch gewonnen. Wenn er im Kopf bereit ist, wird er die French Open gewinnen. Ich denke, er wird motiviert sein. Und das würde heissen: Djokovic wird das Turnier gewinnen.
Zwischen Ihnen gab es auch Spannungen, und Djokovic hat öfter in Richtung der Box geflucht, in der Sie sassen. Wie gingen Sie damit um?
Das war nie ein Problem für mich, ich war ja selber ein emotionaler Spieler. Manchmal konnte ich nicht verstehen, was er sagte. Manchmal wollte er etwas über den Aufschlag wissen – und ich erzählte etwas über die Wolken, die gerade über der Arena waren. Dann regte sich Novak über mich auf. Aber wenigstens war es dann auf mich bezogen. Und nach fünf Minuten war er wieder entspannt. Manchmal brauchst du im Tennis einen kurzen Schock, um im Kopf klar zu werden. Die mentale Komponente ist der wichtigste Faktor im Tennis.
Welche Erklärungen haben Sie für die Formschwäche von Djokovic?
Wenn du im Leben alles gewinnst, ist es nicht einfach, die Motivation zu behalten. Die Grand-Slam-Turniere sind das Wichtigste für ihn. Noch hat er zwei Wochen Zeit, um seinen Fokus zu finden. Novak verfällt nicht in Panik. Er wird einen Weg finden, wie er das immer tut. Dann wird ihn nichts stoppen können. Ich hoffe, dass er das tut.
Während Ihrer gemeinsamen Zeit hat Novak Djokovic vor allem den Aufschlag verbessert. Woran haben Sie konkret mit ihm gearbeitet?
Wenn Sie mich fragen, war sein Aufschlag schon vorher sehr gut und der am meisten unterschätzte Schlag im Tennis, weil der Rest seines Spiels so gut ist. Wir haben viel mit dem Ballwurf experimentiert, und er schlägt jetzt beim zweiten härter auf. Wir haben aber auch viel an den Volleys gearbeitet. Novak hat mich aus einem bestimmten Grund als Trainer gewählt. Und das war nicht, um für ihn zu kochen (lacht).
Der ehemalige Tennis-Trainer Goran Ivanisevic in der Schweiz über das Ende mit Djokovic, Begegnungen mit Roger Federer und seine eigene Karriere.
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