Es war mal wieder so weit: Das Profiboxen schrieb eine dieser Geschichten, die nur das Profiboxen schreiben kann. Insbesondere im altehrwürdigen Schwergewicht scheinen sich diese famosen Geschichten endlos weitererzählen zu lassen.
Pech nur, dass Whyte bereits als Wiederholungstäter galt und nun möglicherweise eine tendenziell ernsthaftere Strafe erhalten könnte als eine sechsmonatige Sperre, wobei ohnehin kein weiterer Kampf innerhalb dieses Zeitraums geplant war. Die BBBoC (British Boxing Board of Control) hat zuletzt bei Conor Benn (23-0) Härte bewiesen, wodurch dieser seit 2,5 Jahren keinen Kampf auf britischem Boden mehr bestritten hat. Bei Whyte fand man nun die Alternative Gibraltar, das zwar britischen Boden repräsentiert, sich jedoch auf der iberischen Halbinsel befindet, die Spanien seit Hunderten von Jahren beansprucht. Der Clou bestand darin, dass man die polnische Box-Kommission bat, diesen Kampfabend in Gibraltar zu sanktionieren. So kämpfte also Dillian Whyte auf Gibraltar im Hauptkampf, der weltweit auf DAZN übertragen und von der Polish Boxing Union sanktioniert wurde. Diese herrliche Konstellation, die nur das Profiboxen so selbstverständlich vorleben kann, garantierte einen echten Thriller. Und dann gab es ja noch den Gegner.
Fieberhaft suchte man also die Boxrec-Top-100-Liste nach einem gefährlichen Gegner mit einer beeindruckenden KO-Quote durch, der dennoch wenig Qualität versprach. Die Analyse brachte einen Namen hervor: Ebenezer Tetteh (23-2), ein berüchtigter KO-Schläger aus glorreichen Hinterhofschlachten in seiner Heimat Ghana. Dieser Mann war so gefürchtet, dass er seinen letzten Kampf sogar ohne gegnerisches Einwirken per KO gewonnen hatte. Bedrohlicher hätte die Auswahl also kaum ausfallen können!
Wer jedoch glaubte, dass dieser Thriller damit sein Ende gefunden hätte, der irrte. Tetteh mobilisierte nach seiner Aufgabe noch einmal sämtliche Kräfte und begann im Ring mit Schattenboxen. Solche Szenen sieht man vielleicht nach einem Abbruch durch einen Cut oder durch den Ringrichter – aber nicht nach einer eigenen Aufgabe. Mit dieser legendären Szene wurde der ohnehin ungewöhnliche Abend auf Gibraltar noch einmal gekrönt.
Mal abgesehen vom Spott: Tetteh hat Gestern durchaus angedeutet, dass er durchaus besser ist, als man dachte. Wir rechneten doch alle damit, dass er nach 1-2 Runden liegt. Und im Endeffekt war er zwar extrem limitiert, aber durchaus gefährlich und konnte eine Menge wegstecken.