Weils ja noch ne Weile hin ist und ich mir so meine Gedanken über die beiden Kämpfe des Abends gemacht habe, poste ich hier einfach zum Einstieg mal meine beiden Prognosen:
Forrest vs. Mosley II
Hier erstmal eine Bildergallerie von der Pressekonferenz bzw. dem Wiegen:
http://sports.yahoo.com/m/box/gallery/
Was sieht man da? Mosley hat einen Cut auf der Nase, was
sicherlich nicht von Vorteil für ihn ist. Andererseits sieht er sehr, sehr austrainiert aus. Forrest aber nicht minder. Beim ersten Wiegen waren sie ja beide etwas über dem Limit, was aber keinen Unterschied machen sollte.
Habe mir vorhin den ersten Kampf noch einmal angesehen. Was
mich diesmal überrascht hat - Mosley's erste Runde war zwar gut,
aber nicht so gut, wie ich sie noch in Erinnerung hatte. Man sieht
zwar, dass er ein wenig schneller schlägt als Forrest und auch
überraschende Schläge anbringen konnte, aber Forrest hat nach dem einen Volltreffer nicht besonders gewackelt und seine
körperlichen Vorteile waren unübersehbar.
In Runde zwei geraten beide mit den Köpfen aneinander. Die
spätere Behauptung Mosley's, es sei Absicht von Forrest
gewesen, ist ein schlechter Witz. Forrest scheint der Schädel
mehr gebrummt zu haben, als Mosley, wenn man sich die
Reaktion der beiden mal genau ansieht. Aber Shane braucht anscheinend halt irgendeine Erklärung für seine Niederlage.
In den wenigen Sekunden zwischen Kopfstoss bis zum
Niederschlag habe ich nichts bei Mosley gesehen, von dem man
sagen könnte, der Kopfstoss habe ihn benebelt. Das ist m.E.
ebenfalls völliger Unsinn. Fakt ist, dass er ungleich später
mehrfach die Rechte von Forrest kassiert, wackelt, den Uppercut
kassiert und kurz danach am Boden ist. Den Rest der Geschichte kennen wir ja.
Nun, ich bin zu folgenden Erkenntnissen gekommen: Der Kampf
dürfte aller Voraussicht nach wieder über die Runden gehen. Ich
glaube nicht, dass Mosley dem körperlich stärkeren Forrest richtig
weh tun kann und selbst wenn er den Kampf dominiert, ist Forrest erfahren und clever genug, um sich am Ende über die Zeit zu klammern. Klammern kann er ja ohnehin ganz gut.
Umgekehrt glaube ich nicht, dass Mosley KO geht, weil er gezeigt hat, was er für ein Herz hat und zudem wohl nicht nochmal so offen vor Forrest stehen wird wie im ersten Kampf. Selbst wenn er auf der Verliererstraße sein wird, wird Mosley nie aufgeben und da Forrest gegen Ende konditionell immer etwas abbaut, sehe ich nicht, dass er Mosley KO schlägt.
Unter dieser Voraussetzung gibt es noch drei mögliche
Kampfausgänge: PS Mosley oder Forrest plus Unentschieden.
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich mich mit dem
Gedanken an ein Unentschieden immer besser anfreunden kann.
Shane wird einige Fehler vermeiden und sich insgesamt
verbessern, Vernon wird nicht viel schlechter werden als beim
ersten Mal. Ein dritter Kampf macht Sinn, weil im Welter z.Z. nicht
viel los ist, Oscar erst im September gegen Vargas boxt etc.
Könnte mir schon einen recht knappen Kampfverlauf vorstellen, an dessen Ende ein Remis steht.
Doch wenn es nicht so kommt, wer gewinnt? Ich bin auf der einen Seite zu der Erkenntnis gelangt, dass Forrest tatsächlich Mosley's "number" hat. Er hat ihn im ersten Kampf wirklich in zu vielen Belangen beherrscht und hätte wohl auch ohne Niederschläge und Kopfstösse einen Weg gefunden, um seine rechten Schwinger und die Uppercuts ins Ziel zu bringen.
Den Jab fand ich gar nicht so entscheidend, wie Vernon es später dargestellt hat. M.E. diente er nur der Vorbereitung für die Rechte oder als Täuschung/Ablenkung für Mosley - natürlich auch nicht unwichtig.
Die Größenunterschiede sind frappierend, auch wenn Mosley - man staune immer wieder - angeblich die größere Reichweite hat.
Weiterhin glaube ich, dass Mosley einen Heidenrespekt vor der
Rechten und den Aufwärtshaken von Forrest hat. Ein Großteil
seines Trainings wird er darauf abgezielt haben, diese Schläge zu
vermeiden. Doch er hatte noch viel mehr zu tun: Wie unterbindet er das Halten von Forrest, wie umgeht er den Jab, wie bringt er selbst mehr Treffer ins Ziel? Eine Menge Umstellungen, selbst für einen Weltklasse-Mann.
Daher sehe ich aus boxerischer Sicht mittlerweile Forrest weiterhin im Vorteil. Selbst wenn es zu keinen Niederschlägen kommt und er seinen Stil aus dem ersten Kampf boxt, müsste er insgesamt besser mit Mosley zurechtkommen als umgekehrt. War ja auch zu Amateurzeiten so.
Mosley kann sich nicht völlig umstellen. Für ihn gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sofort auf den schnellen KO gehen oder sehr diszipliniert und vorsichtig aus der Distanz den Kampf bestimmen. Im ersten Fall stehen für ihn die Chancen m.E. aufgrund der Überheblichkeit von Forrest am besten, aber ich glaube nicht, dass er und sein Vater sich auf eine solche Taktik eingestellt haben.
Was man so hört, sieht es wohl eher nach Gameplan Nr.2 aus.
Das Problem dabei: Die Treffer von Forrest könnten auch dieses
Mal mehr Eindruck bei den Punktrichtern hinterlassen, auch wenn
es in der Anzahl weniger sind. Denn sie sind weitaus wirkungsvoller als umgekehrt die Treffer Mosley's. Mosley hatte
sehr schnell wieder glasige Augen im ersten Kampf, sobald er von
Forrest getroffen wurde.
Soviel also zur boxerischen Situation. Das, was mich an einem
Sieg von Forrest zweifeln lässt, ist die unterschiedliche Einstellung
beider Boxer zu diesem Kampf. Mosley hat seit der Niederlage keinen Tag vergeudet, um dieses "Mißgeschick" aus der Welt zu schaffen. Er wollte das Rematch um jeden Preis, macht einen wahnsinnig heißen und motivierten Eindruck - wie schon lange nicht mehr.
Forrest hingegen hat die ersten Monate damit verbracht, durch die Lande zu ziehen und Interviews zu geben, sich feiern zu lassen etc. Er hält sich inzwischen für den Größten und ich
habe herzlich wenig über seine Vorbereitung gehört. Im ersten Kampf war es genau umgekehrt. Da war Mosley vorher etwas gelangweilt und Forrest hingegen hochmotiviert.
Gerade bei Forrest hängt unheimlich viel von seiner Einstellung ab. Gegen Raul Frank hatte er keinen Bock und hat nicht mehr getan als nötig. Gegen Stone und Phillips hat er sich lange bzw. bis zum Schluß abgemüht. Gegen Mosley allerdings war er Weltklasse.
Wie gut hat er sich diesmal vorbereitet? Warum wog er zuviel? Was passiert, wenn es im Kampf nicht so gut für ihn läuft wie beim ersten Mal? Vielleicht beginnt er zu überheblich, und
findet sich plötzlich selbst am Boden wieder? Ich glaube, Forrest hat zwar den mentalen Vorteil gegenüber Mosley, weil er ihn am Boden hatte und klar geschlagen hat - aber wenn es hart auf hart kommen sollte, denke ich, dass das größere Kämpferherz von Mosley den Ausschlag gibt.
Zuletzt noch kurz zu den üblichen historischen Vergleichen: Sie
greifen für mich in diesem Kampf nicht. Forrest ist nicht Hearns,
weil sein Kinn um Längen besser ist. Mosley ist nicht Leonard,
weil Leonard gegen Hearns nicht so deutlich verloren, sondern
gewonnen und remis geboxt hat. Genauso gibt es sowohl genug
Beispiele dafür, dass manche Boxer mit einem bestimmten Gegner nicht zurecht kommen, als auch dafür, dass echte Champs nach überraschenden Niederlagen im Rematch alles klargestellt haben. Ist für diesen Kampf also zunächst einmal nicht hilfreich, kann man im Nachhinein einordnen.
Ich rechne aus oben genannten Überlegungen daher mit einem knappen, teils unansehnlichen Kampf. Weil der erste Kampf zu deutlich ausfiel, glaube ich mittlerweile an einen knappen PS von Forrest, aber das ist auch genau umgekehrt denkbar und
hängt vom Geschmack des Betrachters ab. In jedem Fall ist es ein zu offener Kampf, um sich mit absoluter Gewissheit festlegen zu können.
Also - mit Zweifeln: PS Forrest
Harding vs. Tarver II
Der erste Kampf der beiden verlief recht ausgeglichen bis zur
achten Runde, ehe Harding nochmal aufdrehte und Tarver den
Kiefer in der neunten Runde brach und dann praktisch alle
restlichen Runden gewann. In einer der letzten Runden hatte er
Tarver dann auch kurz am Boden, als dieser nach einem
Schlaghagel freiwillig auf ein Knie ging, um eine Pause zu
bekommen. Die Punktezettel sagten am Ende dreimal 116:111 für
Harding.
Harding ist ein sehr cleverer, gelassener und vor allem *guter*
Boxer, was auch vorher im
Kampf gegen Griffin und später im Kampf gegen Roy Jones gut zu sehen war.
Als einer der wenigen Boxer hat er sogar ein paar Runden gegen Jones
gewinnen können. Harding kann sehr variabel boxen und sich sehr gut auf
seinen Gegner einstellen. Manchmal ist er zu abwartend, aber das ist meist
Taktik und geht am Ende ja fast immer für ihn auf. Leider hat er kaum
Schlagkraft, kann aber selbst sehr gut einstecken. Ist technisch stark,
flink und sehr variabel.
Gegen Jones boxte er viel aus der Distanz mit dem Jab, während er im
ersten Tarver-Kampf viel den Infight suchte und dann zum Körper ging.
Tarver kommt im Infight nicht so gut zurecht, das hat man auch bei seinem
Fight gegen Chris Johnson gesehen. Dort fehlt ihm etwas die Übersicht und
er fängt sich unnötige Dinger ein. Dagegen ist er aus der Distanz recht
stark -so auch damals gegen Harding, hat eine schöne linke Gerade, sehr
gute Meidbewegungen, boxt sehr flüssig, schlägt einen schönen
Aufwärtshaken und kann was einstecken. Man muss unbedingt erwähnen, dass
er sich seit dem ersten Kampf der beiden deutlich weiterentwickelt hat,
vor allem unter Buddy McGirt, seinem neuen Trainer. Er war ja ein richtig
guter Amateur, war dort meines Wissens Weltmeister und hat Bronze bei
Olympia gewonnen. Seine ersten Jahre als Profi waren jedoch eher
durchwachsen und man sagte ihm ein zu großes Phlegma nach. Jetzt aber
scheint er von der Einstellung her absolut vorbildlich zu sein und ist
heiß auf seinen ersten Titleshot.
Beide Boxer sind übrigens Rechtsausleger. Solche Kämpfe sind oft
wenig spektakulär und gehen fast immer über die Runden. Tarver
ist ca. 3 cm größer als Harding, hat aber die etwas kürzere
Reichweite. Ich denke, das wird im Rematch keine Rolle spielen.
Mein Gefühl sagt mir, dass Harding der deutlich intelligentere
Boxer der beiden ist und daher auch das Rematch gewinnen wird.
Tarver ist oft immer noch zu stürmisch und zu unkontrolliert,
Harding ist sehr schwer zu boxen und wird wieder einen Weg
finden, um Tarver Rätsel aufzugeben. Daher: PS Harding