Zum Huck-Kampf möchte ich hier gar nichts mehr sagen - business as usual. Was mir aber an diesem Kampfabend besonders übel aufgestoßen ist, war die Britsch - Lyell Verschiebe, die dort durchgezogen wurde.
Es lief so ab (frei nach Monk): Sauerland brauchte wieder einen präsentablen Boxer im Mittelgewicht, nachdem Abraham nach seinen letzten Niederlagen erstmal Sendepause hat. Also bietet sich da Britsch an, der ist jung und sein Kampfrekord ist auf den ersten Blick beeindruckend. Ein "echter" Deutscher ist er sogar auch noch. Also wird ein netter Vorbericht gemacht, wo Britsch sympathisch rüberkommt (mit Eltern, "Musterschüler" von Wegner usw.), damit die Zuschauer erstmal bescheid wissen, wer da eigtl. kämpft. Es war überdeutlich, dass man Britsch als vielleicht zukünftigen Hauptkämpfer erstmal etablieren wollte. Zeit genug hatte man ja, Britsch-Kämpfe dauern immer lange, da er keine große Power hat und die Kämpfe meist über die Runden gehen. Nun wurde ein passender Gegner für den Mini-"Titelkampf" gesucht, der nicht allzu schlecht, aber auf keinen Fall zu gefährlich sein sollte. Also verfiel man auf Lyell, den man sogar als ehemaligen WM-Gegner (von Sylvester) anpreisen konnte. Andererseits verfügt dieser über keine sonderliche KO-Power und ist boxerisch sehr eindimensional (und damit ausrechenbar). Für die Kommentierung des Kampfes wurde ein gefügiger Reporter engagiert, der ständig die britschen' Aktionen belobigt, das Boxen von Lyell kleinredet und somit dem Zuschauer den Eindruck vermittelt, Britsch wäre der überlegene Mann. Zwischendurch werden einige Szenen gezeigt und von Maske kommentiert, die tatsächlich einige gute Momente von Britsch zeigen. So werden die Zuschauer allmählich eingelullt und auf den bevorstehenden Sieg von Britsch eingestimmt. Als Krönung werden zum Abschluß Bilder der 12.Runde gezeigt (die Lyell klar gewonnen hatte), wo Britsch wirklich einmal explosiv zu Werke ging - dabei wurde geflissentlich verschwiegen, dass Lyell gerade in der letzten Runde viel mehr klare Treffer gelandet hatte. Um sicher zu gehen, wurden zwei genehme Punktrichter engagiert (einer davon aus Deutschland, schon merkwürdig wenn ein Landsmann im Ring steht...), die das gewünschte Punkturteil zusammenrechnen. Der italienische Punktrichter wollte auch kein Spielverderber sein und hat vorsichtshalber auf Unentschieden votiert (was gerade so als korrektes Urteil durchgehen kann), um sich keine Sympathien beim Veranstalter zu verscherzen und trotzdem sein Gesicht zu waren. Ein Unentschieden wäre zwar sehr schmeichelhaft für Britsch gewesen, aber nach der ganzen medialen Vorbereitung auf einen Sieg von Britsch war diese Möglichkeit von vornherein nicht vorgesehen. Also mußte es ein Punktsieg für Britsch werden. Um auch die letzten Zweifel auszuräumen, erklärt Maske hinterher, dass beim Boxen die "klareren" Treffer entscheidend sind - nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass einige Zuschauer auf den Gedanken kommen könnten, dass Lyell doch eigtl. der wesentlich aktivere Mann war und auch mehr Treffer gelandet hat. Qualität statt Quantität sozusagen. Wie abgesprochen sagt Wegner das gleiche, damit es auch der letzte versteht. Wenn es solche Kapazitäten wie Maske und Wegner so sehen, muss es ja wohl stimmen. Am Ende klopfen sich dann alle auf die Schulter und freuen sich, wie reibungslos alles geklappt hat. Lyell sitzt schmollend in der Ecke und meldet Zweifel am Urteil an, aber nicht zu laut, um die Auszahlung seiner Börse nicht zu gefährden. Bei der Afterschow-Party sitzen dann alle zufrieden zusammen und Waldi gibt eine Runde Weizenbier auf. Alle trinken auf den gelungenen Boxabend mit den gewünschten Ergebnissen. Ganz am Rande steht vielleicht ein junger ARD-Vertreter, dem etwas unwohl ist, weil er den Kampf doch eigtl. ganz anders gesehen hatte. Er überlegt kurz, dann wischt er solche Gedanken beiseite. Man kann sich ja mal täuschen und für die weitere Karriere ist ein falsches Wort am falschen Ort auch nicht so förderlich.
Genau SO ist es abgelaufen. Wie beim "Mord im Orient-Expreß" waren ALLE involviert - Sauerland als Promoter, Wegner als Trainer, die Punktrichter, der Reporter, Kommentator Maske - einfach alle, natürlich auch die ARD als ausstrahlender und bezahlender Sender. Moderator Waldi Hartmann durfte ein bißchen sticheln, aber wie immer sehr dezent. Mehr wäre seinem Harmoniebedürfnis auch nicht zuzumuten.
Tja, aber ich habe eben alles durchschaut, und jetzt werde ich das alles beweisen und öffentlich machen...das Problem dabei ist nur, dass dies kaum einen interessiert. 99% der Zuschauer durchschauen das Business eh' nicht so genau, was kein Vorwurf sein soll. Man muss ja nicht über alles bescheid wissen und wenn man nur sportlich unterhalten werden möchte, ist das ja auch in Ordnung. So wird der Boxabend eben abgehakt und die Karawane zieht weiter. Und beim nächsten Mal schauen alle wieder zu (ich eingeschlossen...). Dazu fällt mir letztlich nur ein, Dinge gelassen hinzunehmen, die man eh' nicht ändern kann.
Ich fand es beispielhaft, wie man vor den Augen von Millionen Zuschauern ein abgekartetes Spiel durchzieht, ohne dass es ALLZU sehr auffällt. Da hat Sauerland schon eine sehr subtile und IMO niederträchtige Variante des Kohl'schen Vorgehens angewandt.
Ich will jetzt nicht davon sprechen, dass Britsch - Lyell eine offensichtliche "robbery" war, das nun nicht. Der Kampf war in der Tat sehr knapp, übrigens (aufgrund der unterchiedlichen Boxstile) durchaus spannend und gut anzusehen. Der kleine Fehler daran ist nur, dass Lyell nicht der Verlierer sein kann. Für mich war die 12.Runde kampfentscheidend, in der Lyell die klarsten Treffer im gesamten Kampf setzen konnte. Damit komme ich auf 115 - 113 für Lyell. Klar ist er boxerisch limitiert und hat auch kein Dynamit in den Fäusten, aber er hatte sich objektiv betrachtet zumindest ein Unentschieden oder den Sieg für seine Energieleistung redlich verdient. Ich fand es beeindruckend, dass er sein hohes Tempo bis zuletzt durchziehen konnte. Hoffentlich hat er wenigstens eine angemessene Börse dafür bekommen, als Verlierer eingekauft worden zu sein.