Ui ... ich hatte ja eher einen langweiligen Kampf erwartet, aber er war dann durchaus unterhaltsam.
Größtes Fragezeichen war dann halt doch, in welcher Verfassung Fury in den Ring kommt ... die präsentierte Form hatte ich ihm letztlich nicht zugetraut.
Gewiss, gerade in den Anfangsrunden war das etwas viel Gezappelund Rumgekasper von Fury ... aber nach und wach spielte er nicht nur souveräner ... sondern er war es auch.
Letztlich hatte ich Fury mit 114:112 vorne. Die 115:111 von Steve Farhood (Showtime) fand ich auch ok. 113:113 ist auch vertretbar, gewiss.
Die 115:111 Wilder von Rochin ist einfach daneben. Ich weiß auch nicht, was er gesehen hat, dass er z.B. die 3te an Wilder gegeben hat.
Gewiss, nach Treffern liegen beide nahe beieinander ... aber die erzählen ja nicht die ganze Story. Furys Treffer waren oft besser ... sie saßen präziser. Er traf mehr zum Kopf. Fury bestimmte das Geschehen im Ring und war defensiv überlegen.
Wilder hat's probiert ... aber auch viel in die Luft geschlagen. Über weite Strecken wirkte er ideenlos ... wie Klitschko ... aber er hat's (im Gegensatz zu diesem) trotzdem weiter versucht, ohne Panik vor Konterangriffen zu bekommen.
Gerade beim Abfeuern von Kombinationen zeigte sich da ein Klassenunterschied. Wilder bringt den Jab und überlegt dann, ob er die Rechte noch nachzieht ... oder nicht ... und holt die dann quasi nochmal nen Ticken aus und ist damit so dermaßen telegrafiert, dass Fury (der ohnehin defensiv stark ist) sich nahezu mühelos an den Schlägen vorbei bewegen kann (außer in der 12ten). Trotz einiger Masse auf den Rippen kommen Furys Kombinationen viel geschmeidiger. Während der Jab auf dem Weg zum Ziel ist weiß Fury schon, ob noch ein Jab kommt und/oder ob die Rechte mitkommt und wo sie treffen wird.
Natürlich hat der Kampf von seiner Spannung gelebt. Wilder strahlt (zurecht) eine gewisse Schlagkraft-Gefahr aus. Ok, der Niederschlag in der 9ten war ziemlich zum Hinterkopf und eigentlich schon grenzwertig. Aber das Ding in der 12ten war hart. War ganz schön erstaunt, dass Fury da wieder hochgekommen ist, auch wenn man in der Zeitlupe sieht, dass sein Kopf nicht ganz so auf die Matte geknallt ist, wie ich zuerst dachte.
Jack Reiss hat da gut reagiert und Furys Blick richtig gelesen. Der starrte nicht völlig weggeknockt ins Leere, sondern hatte durchaus Regung im Gesicht ... und wenig später Regung im Körper.
Ein Sieg Furys wäre vielleicht das Comeback des Jahres gewesen ... die 12te Runde war auch beinahe ein Kandidat dafür. Beeindruckend, dass Fury da nicht nur die brenzliche Phase übersteht (Wilder war nicht weit davon entfernt noch einen harten Treffer zu landen), sondern dass er selbst angreift und Wilder mit einem linken Haken dermaßen gut trifft, dass dessen Beine kurzzeitig weich werden ... sodass Wilder den Rest der Runde darauf verzichtet den KO zu suchen.
Nunja, ich hätte Fury den Sieg durchaus gegönnt, aber es scheint er könne mit dem Unentschieden auch leben.
Er hat sich zurückgemeldet im Schwergewicht und gezeigt, dass man ihn doch noch nicht abschreiben darf.
Wilder kann sich nach dem Ortiz-Sieg auf die Fahne schreiben, dass man ihn in der Tat nicht unterschätzen darf. Klar ... er ist technisch höchst dürftig ... aber er kann sich auch mit jenen messen, die eine ganze Stufe über Gegnern wie Helenius, Szpilka, Stiverne und Co. liegen.
Wilder posaunt gerne nun ins Mikro, dass er sich und Fury als die zwei besten Schwergewichte im Boxen sieht. Er sagt sich vielleicht "Ich hab mir nen Kampf auf Augenhöhe mit Fury geliefert, der hat Klitschko vorgeführt und Klitschko hat sich nen Kampf auf Augenhöhe mit Joshua geliefert. Ergo bin ich besser als Joshua." ... aber naja ... Quervergleiche sind Käse, wer weiß schon wirklich, wer der bessere ist, bis da mal ein Vereinigungskampf kommt? Vielleicht findet da ja mal statt ... nicht wie Stevenson-Kovalev.
Das Rematch wird sicherlich kommen. Ähnlich wie bei Ward-Kovalev und Golovkin-Alvarez sehe ich allerdings auch bei Wilder-Fury bei einem der Boxer größeres "Steigerungspotential" ... und das ist Fury.
Bei Wilder habe ich nicht das Gefühl, dass er eine bessere Leistung aus sich herausholen kann.
Bei Fury denke ich, dass er eine bessere Workrate bei den Powerpunches bringen kann (da war er etwas zurückhalten kann) und sich etwas weniger mit Mätzchen beschäftigt. Die bringen begrenzt was ... Wilder geht zu wenig durch den Kopf, als dass man da "mindgames" spielen könnte.