So ist es. Man sollte die Kirche im Dorf lassen, Titelvereinigung hin oder her: Es boxt die Nr. 6 der Boxrec-Rangliste gegen die Nr. 8 in einer der wohl schwächsten Gewichtsklassen.
Zunächst möchte ich etwas zum Mittelgewicht schreiben. Die Gewichtsklasse hat aktuell nicht den einen Dominator, der entsprechend im P4P-Regal zusätzlich angesiedelt ist. Das ist Fakt, macht die Gewichtsklasse meiner Meinung nach aber auch sehr spannend. Man hatte den ewigen Golovkin, die Ära ist nun vorbei. Nun formieren sich viele spannende neue Gesichter, und dort wird man in den kommenden 1-2 Jahren sehen, wohin die Reise geht.
Ich finde persönlich nicht, dass die Gewichtsklasse irgendwie schwach ist, ganz im Gegenteil. Vergleichen wir mal die Top 10 im Mittel- sowie Halbschwergewicht.
Das Halbschwergewicht ist in der Spitze mit Bivol und Beterbiev natürlich fantastisch besetzt, darüber gibt es keine Zweifel - aber in der Breite ist das keine besonders überragende Gewichtsklasse. Azeez, Mikhalkin, Izmailov, Zinad, Rivera, Pampellone
Ich finde persönlich, dass das Mittelgewicht extrem stark aufgestellt ist. Da sind wirklich gute Leute, die überwiegend auch noch jünger sind - das kann in den kommenden 1-2 Jahren richtig gut werden, das Potential wird lediglich verkannt, weil die Boxer entsprechend noch keinen Superstar-Status innehaben.
Das ist ein Prozess, der sich entsprechend entwickeln muss. Nehmen wir als Beispiel Zhanibek Alimkhanuly. Der Typ war in den letzten Jahren ein Spektakel, hat reihenweise seine Gegner so brutal K.O. geschlagen, das hat man selten gesehen. Und dennoch reicht sein Name nicht aus, um das Mittelgewicht stark zu repräsentieren, weil er selbst noch keinen großen Namen hat. Mit 2 Titeln würde sich das nun stärker ändern, er wäre die Nummer 1 der Gewichtsklasse.
So ist es. Man sollte die Kirche im Dorf lassen, Titelvereinigung hin oder her: Es boxt die Nr. 6 der Boxrec-Rangliste gegen die Nr. 8 in einer der wohl schwächsten Gewichtsklassen.
Nein, man sollte das nicht?! Das ist hier eine einmalige Gelegenheit für das deutsche Boxen. Der letzte Deutsche, der in den USA einen Weltmeisterschaftskampf gewonnen hat, war Max Schmeling. Das ist Ewigkeiten her, selbst der Zweite Weltkrieg war deutlich später.
Und Gualtieri wird hier als Weltmeister dort auch hinfliegen, was eine gewaltige Leistung ist. Er hat sich diesen Titel fair verdient, hat jemanden wie Falcao bezwungen, der als Favorit angereist ist.
Wenn morgen Janibek gegen Falcao vereinen sollte, würden alle sagen, dass das ein starkes Stallduell bedeutet. Das wäre so. Aber Gualtieri hat den Silber-Medaillengewinner in die Schranken gewiesen. Das ist sein Verdienst. Wir hatten so viele Jahre keinen Weltmeister, das fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Sturm, Abraham und Huck waren unsere letzten Weltmeister, Relikte vergangener Tage.
Keiner wusste genau, ob wir in absehbarer Zeit noch einmal in den Genuss kommen würden, aber im Juli in Wuppertal geschah es auf überraschende Weise.
Das war eine kleine Sensation! Beispielsweise hat nicht ein einziger Tipper hier im deutschsprachigen Forum auf Gualtieri gesetzt! Niemand hat an diesen Sieg geglaubt, er war gewaltig.
Und was hat das nun mit Nummer 6 gegen 8 zu tun? Es gibt 4 Verbände, da kann es rein mathematisch nicht gelingen, dass immer die 1 gegen 2 antritt. Nun ist es eben 6 gegen 8, was macht das aus? Platz 8 für einen Deutschen im Mittelgewicht ist doch Weltklasse! Der Sieger wird dann vermutlich Nummer 2 auf Boxrec.
Die anderen Deutschen sind Matevosyan auf Platz 16 im Superweltergewicht, Harutyunyan auf Platz 35 im Leichtgewicht und Eifert auf Platz 12 im Halbschwergewicht. Wenn Eifert nun gegen Beterbiev bald kämpfen soll, ist das doch auch eine gewaltige Nummer, trotz Platz 12.
Kabayel ist auf Platz 25. Stellen wir uns vor, er würde gegen Fury kämpfen, um die Weltmeisterschaft. Platz 3 gegen 25 um die WBC-WM. Was machst Du dann? Schreibst Du dann auch? Platz 3 gegen 25, man muss die Kirche im Dorf lassen!
Es würde doch niemanden interessieren. Alle würden sich über die WM-Chance freuen und sie gespannt verfolgen. Und genauso soll es morgen in der Nacht sein, wenn Gualtieri die einmalige WM-Vereinigungschance in den USA hat. Der zweite Max Schmeling wird, zudem mit Ottke und Michalczewski als absolute deutsche Boxlegende aufschließt.
Das sind Festspiele für uns! Diesen Moment, wir werden ihn vielleicht niemals mehr in unserem Leben genießen können. Ein deutscher Weltmeister ist eine Rarität, und Vereinigungen dort in den USA könnten Ewigkeiten nicht mehr erfolgen.
Also nichts Kirche im Dorf, ganz im Gegenteil. Euphorie, Anspannung, Lust und große Freude. Auch wenn eine Niederlage wahrscheinlich erscheint, dass überhaupt das Szenario geschaffen wurde, als deutscher Weltmeister in den USA auf ESPN einen Vereinigungskampf zu bestreiten, das ist ein absoluter Mega-Hammer.