Einige Notizen zum bisherigen Verlauf des Turnieres bei den Männern (Kein Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist auch kein umfassendes Bild!)
Allgemein:
- Die Scorings waren bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2021im Vergleich zu den vergangenen Jahren stark verbessert. 2024 ist aber wieder ein klarer Rückschritt. Dies, obwohl die korrupte IBA nicht involviert ist. Amateurboxen schiesst sich mal wieder selbst ins Bein. Den Stand als olympische Disziplin in Zukunft ist wieder stärker gefährdet. Sehr schade.
- Das Niveau der Kämpfe und Boxer finde ich gut. Viele ausgeglichene, spannende und technisch hochwertige Kämpfe. Kaum Abbrüche.
- Bisher auffällig ist die Internationalität der bisher Weitergekommenen. Ausser Usbekistan, der klare Überflieger, sind viele verschiedene Nationen gleichauf. Boxen wird globaler. Dieser Trend sehen wir ja auch bei den Profis.
Zu den Gewichtsklassen:
51 kg: Usbeke
Hasanboy Dusmatov, die vielleicht P4P Nr. 1 im Amateurboxen, mit einem knappen, verdienten Punktsieg gegen den sehr starken Kasachen
Saken Bibossinov. Der Franzose
Billal Bennama könnte Dusmatov als möglicher Finalgegner auch noch etwas Schwierigkeiten bringen, aber mir scheint es, als sei Bibossinov der vorgezogene Endgegner gewesen. Sehr variables Boxen von Dusmatov, der Angriffsboxen mit starken Konterskills kombinieren kann.
57 kg: Der grosse US-Hoffnungsträger
Jahmal Harvey hat gestern gegen einen Mann aus Kirgistan (Uulu Seiitbek) sehr umstritten (!) verloren und verpasst somit die Medaille. Harvey boxte etwas wild, aber er zeigt viel Talent und ist explosiv. Bei den Profis wird das junge Talent gut aufgehoben sein. Mit dem umstrittenen Ausscheiden von Harvey dürfte der Weg zu Gold für den souveränen Uzbeken
Abdumalik Khalokov relativ "einfach" sein.
63,5 kg: Der Franzose
Sofiane Oumiha ist wie zu erwarten auf Goldkurs. Im Halbfinale wartet auf ihn ein Kanadier (Wyatt Sanford), der ebenfalls sehr umstritten den usbekischen Mitfavoriten Ruslan Abdullayev besiegte. Im Finale wird Oumiha aber wahrscheinlich auf den äusserst formstarken Kubaner
Erislandy Alvarez treffen, welcher zeitweise brillantes Boxen zelebrierte. Die Buchmacher sehen es anders, aber mein Geld wäre beim Kubaner.
71 kg: Im einen Halbfinale boxt einerseits der US-Amerikaner
Omari Jones, welcher im Viertelfinale mit einer sehr abgeklärten, technisch sauberen Leistung überraschte. Er sicherte damit der USA zumindest eine Medaille. Gegner ist der Usbeke
Asadkhuja Muydinkhujaev, der zum momentanen Stand der Favorit in der Gewichtsklasse ist.
Auf der anderen Hälfte kämpft im Halbfinale der lange Brite
Lewis Richardson, der die letzte verbleibende Hoffnung für die Insel ist. Das lange Elend hatte im Viertelfinale viel Glück und den Halbfinaleinzug IMO nicht verdient. Richardson trifft auf meinen persönlichen Turnierfavoriten, den jungen Mexikaner
Marco Verde. Verde ist eine echte Granate, boxt einen aggressiven, kombinationsreichen Stil, kann aber auch richtig gut boxen. Im Viertelfinale besiegte er den Inder Nishant Dev in einer hauchdünnen Schlacht. In der vergangenen Zeit hatte Mexiko bekanntlich sehr gute Profiboxer, war jedoch nicht für internationale Amateure bekannt. Verde setzt diesem Trend ein Ende. Aber klar, nach den Spielen möchte ich Verde bei den Profis sehen, wo er IMO sein grosses Potential noch mehr ausschöpfen kann.
80 kg: Meine favorisierte Gewichtsklasse in diesem Turnier. In einem vorgezogenen Endspiel boxt im Halfinale in einem wahren Amateur Big Fight der legendäre Kubaner
Arlen Lopez gegen den bärenstarken ukrainischen Weltmeister
Oleksandr Khyzhniak. Lopez möchte mit dem dritten Gold mit seinen beiden legendären Landsmänner Teofilo Stevenson und Felix Savon, sowie dem grossen Lazlo Papp, gleichziehen. Das wird schwer. Khyzhniak ist in starker Form, walzt seine Gegner im erdrückenden Stil nieder und zelebriert technisch hervorragendes, kombinationsreiches Angriffsboxen. Der Ukrainer dürfte Goldfavorit sein.
Das andere Halbfinale steht da im Schatten, ist aber auch ein sehr spannender, qualitativ hochwertiger Kampf zwischen dem starken kasachischen
Nurbek Oralbay, welchen auf den dom-republikanischen
Cristian Pinales trifft. Pinales ist sehr beweglich, schnell und in guter Form. Der kasachische Konterboxer und Mitfavorit steht da vor einer schweren Aufgabe.
92 kg: Zugegebenermassen liess mich diese Gewichtsklasse mit dem frühen Ausscheiden des grossen Kubaners
Julio Cesar La Cruz, welcher ebenfalls die 3x Gold angestrebt hatte, relativ kalt. Für Gold würde ich nun wohl seinen aserbeidschanisch-kubanischen Bezwinger
Loren Alfonso favorisieren. Aber in dieser Gewichtsklasse ist zwischen ihm, seinem spanischen Halbfinalgegner
Enmanuel Reyes und dem wahrscheinlichen Finalgegner, den Usbeken
Lazizbek Mullojonov alles offen IMO.
92+ kg: Naja, IMO keine gute Gewichtsklasse momentan im Amateurboxen. Da ist Jalolov, der seine zweite Gold will, und der Rest. Der einzige, der
Bahodir Jalolov gefährlich werden konnte, war der australische Hünne
Teremoana Teremoana und der musste bereits im Viertelfinal ran. Jalolov musste sich da auch auf wohlgesonnene Punktrichter verlassen, denn der Puncher Teremoana macht ihm richtig Feuer unter dem Arsch. Jalolov ist nun weiter und der übrig gebliebene Rest ist neben Jalolov, sorry, nur Statisten.
Für das deutsche Boxen sicherlich toll wieder mal eine Medaille zu gewinnen. Dazu noch im Superschwergewicht! Mehr als Bronze liegt aber für Tiafack Nelvie Raman aufgrund des Halbfinals mit Jalolov nicht drin.
Jalolov konzentriert sich danach hoffentlich ganz auf das Profiboxen. Seine Linke ist eine echte Waffe. Teremoana könnte aber bei den Schwergewichtsprofis auch für mächtig Furore sorgen. Mit 26 ist er für diese Gewichtsklasse noch sehr jung.