Es ist momentan sehr viel Populismus und dummes Geschwafel. Es ist eine Show der Selbstinszenierung schlimmer als in der Politik.
Die drei Kandidaten sind Laporta, Font und Freixa. Letzteren kann man vernachlässigen. Ich glaube nicht, dass er eine Chance hat.
Es bleiben also Font und Laporta.
Font war in den letzten Jahren der lauteste Kritiker und derjenige der aktiv versucht hat den korrupten und inkompetenten Haufen im Vorstand loszuwerden. Er will eine Modernisierung aber gleichzeitig auch viele altbekannte Gesichter einbauen. Es gibt eine enge Connection zu Xavi und der gilt demzufolge als heißer Trainerkandidat falls Font gewinnen wird. Auch Puyol gilt als Unterstützer wobei sich das vielleicht auch nur auf den Widerstand gegen Bartomeu bezieht. Font galt eigentlich lange als großer Favorit und wichtigster Herausforderer aber momentan schadet ihm auch der Erfolg von Koeman so ein bisschen. Seine Kampagne war ziemlich klar darauf ausgelegt, dass Xavi der neue Coach wird und dann die Bedeutung von La Masia wieder gestärkt werden soll. Aber im Gegensatz zu den ersten chaotischen Wochen hat Koeman jetzt eine recht stabile Phase und setzt auch mit viel Mut auf junge Spieler. Das hat der Kampagne von Font ein wenig den Wind aus den Segeln genommen und es wirkt so als würde ihm hier auf den letzten Metern die Luft ausgehen.
Laporta beherrscht das Spiel mit der Öffentlichkeit. Sein größtes Wahlplakat hat er in Madrid neben dem Bernabeu aufhängen lassen. Das hat mehr Aufmerksamkeit gebracht als 25 Plakate in Barcelona. Auf diese Art ist sein Team einfach clever. Er macht populistische Andeutungen (Unicef als Sponsor zurück auf die Trikots bringen), schwärmt von fremden Spielern die eigentlich nicht finanzierbar sind und tut so als wäre er Messis bester Freund. Sein Wahlkampf ist darauf ausgelegt, dass seine letzte Präsidentschaft sehr erfolgreich war. Er erwähnt ununterbrochen vergangene Erfolge. Er hat Pep geholt und auch ziemlich eindeutig bis heute dessen Unterstützung. Laporta war auch immer derjenige mit der engen Verbindung zu Cruyff und mit der klaren katalanischen Identität. Diese Punkte ziehen bei vielen Anhängern. Er hat in seiner ersten Amtszeit mit einem sehr jungen Team den Club modernisiert wobei man nur schwer einschätzen kann welche Personen damals für welche Entscheidungen verantwortlich waren. Rein sportlich waren auch einige Glückstreffer dabei. Ronaldinho war der Schlüssel für den Erfolg und der kam nur weil man den Kampf um Beckham gegen Real verloren hatte. Laportas späterer Feind und Nachfolger Rosell hatte damals auch schon seine Finger im Spiel und galt eher als das "Brain" hinter den Umsatzsteigerungen und der Globalisierung der Marke während Laporta das Charisma hatte und die katalanische Identität und das Erbe von Cruyff zu seinem Thema machte.
Bei beiden Kandidaten gibt es kaum wirklich konkrete Inhalte. Vermutlich weil man mit Reden über notwendige Einsparungen und wirtschaftliche Zwänge keine Wahlen gewinnt. Stattdessen redet man über Stars wohlwissend, dass man sie sich später sowieso nicht leisten kann. Laportas Kandidatur orientiert sich sehr an "den guten alten Zeiten" aber ich persönlich glaube, dass die Strategie aufgeht und er gewinnen wird.
Ich halte ihn für einen Populisten und Schwätzer. Aber ich hoffe, dass er kompetente Leute in seinem Team hat und etwas Ruhe reinbringen kann. Für die Spieler wird der neue Präsident so oder so eine Erleichterung weil es endgültig das Ende von Bartomeu einleitet. Man kann davon ausgehen, dass Messi, Pique und Co in der Kabine sehr glücklich darüber sind, dass ein neues Kapitel startet. Ob Messi den Umbruch noch mitgestalten wird... Keine Ahnung. Ihn zu überzeugen wird sicher die zentrale Aufgabe für den neuen Vorstand sein.
Mein Lieblingsszenario wäre gewesen, dass ein Mann aus dem Bartomeu Lager gegen nur einen anderen Kandidaten wie Font oder Laporta antritt oder dass die beiden sich sogar zusammentun. Sie sind inhaltlich nach meiner Einschätzung auch nicht meilenweit auseinander. Dann hätte der neue Kandidat eine riesige Mehrheit gehabt und es hätte echte Einheit gegeben... Jetzt besteht die Gefahr, dass das verlierende Lager (entweder von Laporta oder aber von Font) in den kommenden Monaten Stimmung gegen den Sieger machen wird. Genau das wäre dann wieder die Unruhe die man eigentlich nicht braucht... Aber ohne Unruhe geht es bei Barca sowieso nicht.