Richtig Punkten für Ahnungslose - oder: Wie score ich einen Fight?


infight

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Nach dem Pacquiao-Marquez Fight gab`s hier ja mal wieder einige schöne Beiträge zum Thema Scoring von Boxkämpfen.
Aus dem Bauch raus?
Mühseliges zählen von Treffern?
Treffer des einen zählen, um danach Treffer des anderen davon abzuziehen?
Wie werte ich Aktivität und was verstehe ich darunter?
Welchen Stellenwert nimmt die Defense ein, ist sie bloßes regulativ, wenn die anzahl der Treffer nicht mehr ausreicht?

Wie sieht`s in den Statuten der jeweiligen Verbände aus?

Bei den Amateuren gab`s (oder gibt es noch?) ne Maschine zum zählen der Punkte. Wie hat das eigentlich funktioniert? Wär das auf die Profis übertragbar?

Persönlich werte ich eindeutige Treffer, Aktivität und Defensivarbeit immer gleichwertig (zumindest bin ich bemüht). Den subjektiven Traktor davon auszuschließen ist für jemanden, der Fanboy oder Hater ist natürlich schwierig. Punktrichter sollten davon aber einigermaßen frei sein.

Die Gemengelage aus Politik und finanziellen Interessen ist klar und sollte hier außen vor sein!

Mfg infight
 

timeout4u

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Bei den Amateuren gab`s (oder gibt es noch?) ne Maschine zum zählen der Punkte. Wie hat das eigentlich funktioniert? Wär das auf die Profis übertragbar?

Gab und gibt es noch. :D Die Funktionsweise ist "simpel": der Punktrichter drückt eine Taste bei jedem Treffer für den Boxer in Blau oder den Boxer in Rot. Die Punkte werden gezählt, wenn die Mehrheit der Punktrichter innerhalb einer begrenzten Zeit die Punktmaschine betätigt.

Dem Grunde nach wäre das System schon auf die Profis übertragbar. Allerdings sind die Punktregeln zwischen Profis und Amateure unterschiedlich. Fehlurteile lassen sich durch die Punktmaschine allerdings auch nicht vermeiden, denn hinter jeder Maschine hockt ja noch ein Mensch. :saint:

Insgesamt sind die Punktwertungen bei den Amateuren dadurch aber zumindest transparenter und sogenannte Fehlurteile weniger geworden. Ist aber nur meine subjektive Einschätzung. Außerdem hat die Punktmaschine bei den Amateuren sowohl Nachteile als auch Vorteile. Persönlich würde ich eher dazu tendieren, dass man die Punkteregeln einfach klarer fasst und den Rahmen der Auslegung geringer macht.

Muss aber zugeben, im Boxen ist das nicht so einfach. Geht ja schon beim sogenannten "Treffer" los. Während der Boxer selbst den Treffer für einen Wischer hält, kommt er optisch unter Umständen stärker rüber und der Punktrichter wertet ihn. Hinterher ist der Boxer sauer und der Meinung "Hey, das war doch nichts!" :confused: Und wenn man dann noch Dinge wie Schlaghärte, Ringintelligenz, Technik, Angriff, Verteidigung etc. dazunimmt, wird es noch komplizierter. :crazy: Hier fehlt es meiner Meinung einfach nach einer eindeutigen Regelung, aber welche? Da bin ich überfragt ... und ist auch ned mein Fachgebiet. ;)
 

infight

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Danke:thumb: aber wie werden Defensive und Angriffsverhalten gewertet? Treffer zum Kopf geben Punkte.Treffer zum Körper zB. werden bei den Amateuren aber nur unterschwellig gewertet. Warum eigentlich?
 

timeout4u

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@Infight

Nach den Amateurboxregeln sollte jeder vorschriftsmäßige Treffer gezählt werden. Sowohl am Kopf als auch am Körper. Zählen eigentlich gleich viel! Man muss den Punktrichtern aber vielleicht zugute halten, dass Körpertreffer vielleicht schwerer zu erkennen sind und die Treffer nur vorne zählen. Wobei was genau bedeutet "vorne". *schulterzuck* Soll man diese Regel nun wörtlich nehmen oder nicht? Darüber gibts keine nähere Auskunft, denn eigentlich würde ein Treffer an der Schläfe demnach nicht zählen, weil es ja mehr seitlich ist oder ... *grübel* :confused:

Defensive und Angriffsverhalten werden nicht gewertet. Es zählen grundsätzlich "nur" die meisten Treffer jeweils nach einer Runde. Es besteht aber die Möglichkeit nach jeder Runde auch einen Punkt für die bessere Taktik oder Technik zu vergeben. Wobei ich bis heute nicht weiß, wie ich diese Begriffe eigentlich auslegen soll. :D

Erst wenn in einem Amateurboxkampf ein Sieger ermittelt werden muss, werden für Technik, Verteidigung, sauberes Boxen und genaues Treffen sowie bessere Taktik am Ende des Kampfes dem besseren, geschickteren Boxer der Siegpunkt zuerkannt. Wieder ne Frage der Auslegung. :saint:
 

infight

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@timeout4u

Erhellende Ausführungen zum Thema "Scoring im Amateurbereich":thumb:, hab mal wieder einiges dazugelernt:)
Bedauerlicherweise findet das Amateurboxen in D. quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Würde gerne mal wieder reinschauen (hier im äußersten Südwesten herrscht in der Beziehung tote Hose, war als ich noch in Berlin gelebt habe, geradezu paradiesisch).

@VR2

:thumb:für den Link. Gut und verständlich geschrieben, da bleiben eigentlich erstmal keine Fragen offen. Besonders hilfreich der Tipp jede Runde in Blocks a einer Minute zu unterteilen, jede Minute für sich zu werten, nach Ende der Runde sollte man zumindest eine 2 zu 1 Entscheidung haben und somit sein Scoring für die gesamte Runde (wenn man sich strikt an 10 Point must hält);)

Die drei Beispielhaft genannten Fights werde ich mir in den nächsten Tagen mal ansehen (sollten ja irgendwo im Netz zu finden sein), brav mit Bleistift und Papier.


THX, infight
 

infight

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Zum Thema Scoring beim Profiboxen:

Die Scores konvergieren in der Regel mit den Einschätzungen der Kommentatoren der TV Anstalten! Treffer zum Kopf werden wahrgenommen. Aktivität wird bestenfalls als US Amerikanische Eigenart definiert. Defense und Ring Generalship werden ignoriert.
Resultiert diese Vorgehensweise evtl. aus der primären Wahrnehmung, der Osteuropäischen Amateurboxschule (ist keinesfalls herabwürdigend gemeint, wenn ich mir Kämpfe aus Spanien oder GB anschaue läufts halt meinen Intentionen entsprechend korrekter).
Kann mich nicht erinnern, jemals ne Würdigung ner guten Defense (auch um daraus Aktionen nach vorne zu bringen z.b. Kontern)zu hören.
Die Akzeptanz, Begriffe wie Defense auf ne Abrahamsche Doppeldeckung zu reduzieren scheint mir doch weit verbreitet. Dazu kommt natürlich, daß die unteren Gewichtsklassen hier in D. nicht so beliebt sind. Gerade hier sieht man nämlich, inwiefern Parameter außerhalb des bloßen zählen von "Treffern" wichtig für das Scoren von Kämpfen sind. Körpertreffer z.B. sind in der Regel schon ein unbekannter Kontinent für Kommentatoren und Punktrichter. Das sie zum entscheidenden Merkmal bei auch engen Fights werden können, wird hier auch oftmals von den Punktrichtern ignoriert.

Mfg infight
 

Big d

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Man kann ja jeden fight in superslowmotion auswerten, dann sieht man jeden treffer:D.

aber nat. sagt die trefferzahl alleine nicht unbedingt viel aus, da ja pro runde gewertet wird.

wenn du die 1. runde 100:0 (treffer) verlierst und jede danach 1:0 gewinnst hast du ja nach profiregeln haushoch gewonnen, obwohl man nach amateurregeln 100:10 ausgepunktet wurde (also deklassiert).

deshalb muss man das runde für runde betrachten.


wobei ich das auch irgendwie blöd finde. das ist nunmal ein großer nachteil des profi systems, da knappe runden die man im prinzip jeder verdient hat genauso zählen wie glasklare runden.

so kommen ja auch viele der "beschisse" zustande. es wird einfach jede halbwegs enge runde an den heimboxer/champ gegeben. daran ist ja auch im prinzip nichts falsch, denn die runden waren nunmal eng. und enge runden nach prinzip zu beiden boxern verteilen ist ja auch willkür.

da müsste man IMO irgendwie zwischen engen runden und deutlichen runden unterscheiden.

ansonsten wird man bei vielen engen runden immer unklare urteile bekommen. das liegt in der natur des systems.

Da fände ich es sogar noch besser 10:10 runden zu geben. so nimmt man wenigstens ein bisschen willkür weg, denn das 10:9 system ist ja geradezu eine aufforderung enge runden willkürlich zu verteilen.
 

Young Kaelin

merthyr matchstick
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:thumb: find ich eine gute, informative Seite.


besonders diese anmerkung finde ich praxisnah:


The next time you score a fight remember these four categories of judging. Another thing that will help immensely is to watch the clock and divide the round into thirds. Look for the minute marks and decide who is better based on the above criteria during that minute. Whoever wins two or more minutes in a close, competitive round is the winner of that round. Watch out for the guy who does nothing for most of the round and then tries to steal it at the end, unless he scores a knockdown or has his opponent in serious trouble he should be viewed as the loser of the round. If one fighter is somewhat better in the first and the other in the second minute of the round, and the third minute is still up for grabs then give the guy who finishes the round credit. Following this criteria will improve your understanding of what is taking place in the ring and make you a better fight judge!

Ich hab das selber schon gemacht, dass ich die Runden in min unterteile. im normalfall zähl ich auch die klaren treffer und ordne nach 1 min den sieger zu, das mach ich dreimal und am schluss hab ich den sieger der runde, wobei es klar ist, dass dies für ausgeglichene runden zählt, in fällen mit schlaghagel mit wirkung in den letzten 30 sek muss man dieses system auch mal flexibel halten können.
 

Karl-Erwin

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Hier mal etwas Offizielles:
Scoring criteria



The scoring shall be done on a TEN POINT must system. Judges are to score each round using the following scoring criteria:



1. Clean punching (power versus quantity).

2. Effective aggressiveness.

3. Ring generalship.

4. Defense.
Quelle: http://www.abcboxing.com/documents/abcboxing_regulatory_guidelines.htm

V. SCORING THE BOUT

As a professional boxing judge, your analytical skill is to recognize and acknowledge any advantage one participant is having over the other. At any given point of a round, you must know who is winning. At the conclusion of the round, the contestant who has won the round, no matter how minute the margin, is entitled to that round. The difference might have been a single jab, or a defensive move, yet it was still enough to give that boxer the edge.

The 10-point must system will be utilized for scoring all bouts. The winner of the round will receive 10 points, (minus any points deductions for fouls) with the lesser score awarded to the loser of the round (minus any points deductions for fouls). There are to be no fraction of points awarded, and in the event of an even round, the score will be 10/10. Even rounds should rarely, if ever happen.

A total of three (3) minutes of concentration must be used in determining the winner of a round. Judges should avoid any inclination to watch a particular contestant. Total concentration on one contestant could result in a judge’s failure to see scoring tactics by the other participant. Judges are advised to direct their gaze midway between the two contestants, causing the judge to see and note the actions of both contestants.

Determination should not be mistaken for aggressiveness when one boxer continuously moves forward boring in on the opponent regardless of the number of punches being received. If an attack is not effective, the boxer cannot receive credit for it. In order for the boxer to be effective in their aggressiveness, he or she must force the action and set the tempo of the bout through forward movement. The boxer must score punches while blocking and avoiding the opponents counter punching. An aggressive boxer who continues boring in and getting hit from every angle should not be awarded points based on aggressiveness.

A judge should not only know what a 10/9 round is, but know the degree a boxer is winning the 10/9 round. Either a boxer won a close 10/9 round, a moderate 10/9 round, or a decisive 10/9 round. Extreme decisive may push the score to a 10/8 score depending on the judgment of the judge.

Mentally, a judge MUST know which contestant is winning the round at any given point. You should know the score of the round, and the score should immediately be written on the scorecard at the end of the round.

The application of these scoring concepts will determine a winner in each round.
Quelle: http://www.abcboxing.com/documents/abcboxing_officials_certification_program.htm

Hier eine sehr interessante offizielle amerikanische Punktrichterstatistik:
http://www.abcboxing.com/documents/abcboxing_worldtitle_judges_report.htm
 

infight

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John Stewart, eigentlich ein sehr erfahrener Punktrichter, hatte eine sehr ... ähm ... "kreative" Scorecard.

Siehe ganz rechts:

49:46 Froch nach 5 Runden

95:95 nach 10 Runden

wardscorecard.gif

Hier mal die Scorecard Ward - Froch. Sehr schön zu sehen, wie die "Profis" doch in ihren Scores voneinander entfernt sein können.
Die Frage: Wie kommt`s und noch dazu in einem eigentlich sehr eindeutig verlaufenen Fight? (die Frage ist nicht nur rhetorischer Natur;))
Die Punktrichter befinden sich ja in exponierter Situation (räumlich wie "mental"). Dabei sollten sie ja am meisten "sehen", positioniert direkt am Ring, ohne grössere Sichtbehinderung. Der Ref hats da mitunter schwerer, manche Boxer nutzen mitunter dessen ungünstige Perspektive, gekonnt zum anbringen unschöner Aktionen aus (May- Ortiz ist hier ein extremes Beispiel).

Thx Deslizer (solltest Du das hier lesen: woher haste eigentlich die Scores, gibts da was offizielles von den jeweiligen Verbänden?)

Noch ne Frage zum technischen Verlauf. Wann werden die Punktezettel eigentlich eingesammelt? Nach jeder Runde (um Manipulationen im nachhinein zu unterbinden) oder erst nach der letzten Runde?

???

infight
 
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Lipfit2000

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Wo sitzen die Punktrichter eigentlich am Ring? Alle 3 an der gleichen Seite oder an jeder Ringseite einer, und an der 4. der Zeitnehmer (und Öner der die Glocke läutet:D) ?
 

Young Kaelin

merthyr matchstick
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punkten ist keine raketenwissenschaft, aber auch nicht so einfach, wie es mitunter erscheinen mag.

vor allem muss man die richtlinien in fleisch und blut haben. ohne genaueste kenntnis geht nix, wenn man es richtig machen will.

einen fight live sauber zu bepunkten, stellt sehr hohe ansprüche.

wenn man sich einem kampf wirklich punktemässig aussagekräftig seriös annähern will, kommste imo nicht darum herum, dir den fight rundenweise genauestens anzuschauen.

je nach fight kann man sich schon auch live ein urteil erlauben. bei sehr engen/umstrittenen fights würde ich mir das ohne genauestes videostudium nicht zutrauen, es bleibt live dann einfach das, was man in der zeit gesehen hat. mit tieferer analyse bringste später logischerweise mehr raus, wird es präziser.

wenn man wirklich ein gewisses können beim punkten erlangen will, muss man sehr viel an sich arbeiten und üben üben üben.

zudem gilt auch hier: man lernt nie aus.
 
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Deaqon Hayes

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punkten ist keine raketenwissenschaft, aber auch nicht so einfach, wie es mitunter erscheinen mag.

vor allem muss man die richtlinien in fleisch und blut haben. ohne genaueste kenntnis geht nix, wenn man es richtig machen will.

einen fight live sauber zu bepunkten, stellt sehr hohe ansprüche.

wenn man sich einem kampf wirklich punktemässig aussagekräftig seriös annähern will, kommste imo nicht darum herum, dir den fight rundenweise genauestens anzuschauen.

je nach fight kann man sich schon auch live ein urteil erlauben. bei sehr engen/umstrittenen fights würde ich mir das ohne genauestes videostudium nicht zutrauen, es bleibt live dann einfach das, was man in der zeit gesehen hat. mit tieferer analyse bringste später logischerweise mehr raus, wird es präziser.

wenn man wirklich ein gewisses können beim punkten erlangen will, muss man sehr viel an sich arbeiten und üben üben üben.

zudem gilt auch hier: man lernt nie aus.

Alles richtig!

Ich möchte noch ergänzen, dass es einen ziemlichen Unterschied macht, ob man am Ring sitzt oder das ganze am TV schaut.
Manchmal spürt man am Ring die Angst des einen Boxers und die Schläge des anderen knallen richtig ins Ohr- im Fernsehen denkst Du aber, der ängstliche boxt den anderen im Rückwärtsgang aus o.ä.

Ich kann mir z. B. gut vorstellen, dass Chisora - Parker am Ring sitzend noch mehr Close but Clear für Chisora war, als bei DAZN.
 
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