BLICK: Roger Federer, vom Wirbel in Asien zum Trubel in der Heimat – wie geht es Ihnen?
Roger Federer: Es geht mir wunderbar, danke. Die Asien-Tour war extrem busy, aber auch extrem lässig. Meine vier Kinder waren ja auch dort, da war natürlich viel los. Ich habe Tokio mal wieder gesehen, wir besuchten sogar Kyoto – das wollte ich schon immer mal machen. Und Shanghai ist sowieso unglaublich. Jedes Jahr gibt es dort neue, noch höhere Gebäude, neue tolle Restaurants. Mirka war jetzt zehn Jahre nicht mehr da und sie meinte, es sei nicht mehr wieder zu erkennen.
Hat es den Kindern in China gefallen?
Sie fanden es absolut super. Sie haben viel unternommen und waren total fasziniert von allem. Aber nun müssen sie wieder zurück zur Normalität und zur Ruhe finden. Das ist mir sehr wichtig.
Zuhause in Basel müsste das klappen. Mit diesem Turnier sind auch Sie aufgewachsen.
Ja, in den Anfägen war ich ja selbst noch ein Kind. Damals arbeitete meine Mutter noch über längere Zeit im Ausweis-Büro. Meine Schwester Diana half beim Auf- und Abbau ihres Schalters und ich habe fleissig Lösli verkauft. Beim Junioren-Turnier «Bambino-Bären-Cup» ging es für mich gegen Marco Chiudinelli noch um den Gewinn von Tickets für die Qualifikation. Schon damals war bei uns alles mit Tennis in der Region verbunden.
Und Sie sind der berühmteste Ballbub von Basel. Werden Ihre Kinder das auch einmal machen?
Ich kann mir das sicher gut vorstellen, nichts spricht dagegen! Oder auch meine Neffen, die waren soeben beim Training mit mir auf dem Platz. Ich finde es eine super Erfahrung. Auch wenn ich gar nicht genau weiss, was es heute dazu braucht, ob die Ballkinder immer noch zu den besten Junioren der Region gehören müssen. Einen Tennis-Background müssen sie sicher haben, die Regeln begriffen haben und einen Ball werfen können. Aber das würden meine Kinder wahrscheinlich schon können. (lacht)
Ist laufen derzeit Diskussionen über mangelnden Respekt gegenüber Ballkindern. Wurden Sie immer gut behandelt?
Eigentlich schon. Es kam schon mal vor, dass Michael Stich mit mir schimpfte und sagte: Steh doch mal da rüber, die Bälle springen hier ja immer von der Wand weg! Dann habe ich das natürlich sofort gemacht. Aber die Spieler waren nie bösartig zu uns. Überhaupt hatten wir es damals super hier, obwohl wir sehr lange Tage auf den Beinen waren. Das ans Stadion angrenzende Schwimmbad wurde für uns mit Schaumstoff ausgelegt, der ganze Pool zu einer Art Gumpi-Schloss umfunktioniert. Heute sitzen die Kids alle in einem Zimmerli, dagegen hatten wir es schon sehr gut.
Ihre erste Erinnerung als Spieler?
Das ist natürlich meine erste Quali, die ich 1997 hier spielen durfte. Da war ich 16 Jahre alt. Ich verlor in der zweiten Runde gegen Lorenzo Manta – damals war das Qualifikations-Feld noch grösser, nicht so stark wie heute. Während dem Match passierte mir noch etwas ganz Komisches – ich weiss nicht, ob Sie das hören wollen …
Unbedingt!
Im dritten Satz begann ich mit dem Service und führte 40:0. Auf einmal fragte ich mich, hätte nicht der andere servieren sollen? Dann entschied der Mann auf dem Stuhl – ich glaube, es war Gerry Armstrong, der heute ein hoher Supervisor ist: In dem Fall muss mein Gegner jetzt bei 0:40 weiter aufschlagen, gespielte Punkte dürften nicht mehr weggenommen werden. So gelang mir das Break und ich gewann dadurch den Match. Ich dachte, das darf doch gar nicht wahr sein! Das war einfach verrückt – so etwas ist mir nie mehr passiert!
Und nun treten Sie zum 20. Mal im Hauptfeld an.
Ja, 1998, die erste Runde gegen Andre Agassi – das war eine unglaubliche Situation. Ich verlor natürlich klar. Aber danach schon erreichte ich die Viertelfinals, im 2000 spielte ich dann den super Fünfsatz-Final gegen Thomas Enqvist, nachdem ich im Halbfinal den grossen Lleyton Hewitt geschlagen hatte. Das war schon irrsinnig emotional. Ich erinnere mich, wie die Zuschauer aus Freude alle ihre Sitzkissen, die es auf den Tribünen damals noch gab, auf den Platz geworfen haben. Es war unglaublich!
Im Folgejahr weinten Sie nach dem verpassten Final gegen Tim Henman. Warum brauchte es so lange bis zum ersten Sieg?
Ja, ich musste lange darauf warten. Allerdings auch, weil ich ein paar Mal verletzt war. Einmal hatte ich einen Muskelfaserriss, ein anderes Mal – als ich gegen Ivan Ljubicic verlor – hatte ich Rückenprobleme, im 05 erlitt ich den Bänderriss am Fuss. Das waren hintereinander harte Jahre in Basel, in denen ich ja schon Wimbledon-Champion war. 2006 endlich kam der erste, befreiende Sieg gegen Fernando Gonzalez. Danach habe ich nur noch Finals gespielt – mit positivem wie negativem Ausgang zwar, aber es war mit acht Titeln dennoch ein unglaublicher Lauf an diesem Turnier.
Auch neben dem Platz gab es in Basel nicht nur gute Zeiten. Ist Ihr Verhältnis zur Heimat nach dem Zwist mit Turnierdirektor Roger Brennwald zwiespältig?
Ich kann tatsächlich nicht sagen, dass es nur eine kleine Nebensächlichkeit war. Es war überhaupt nicht einfach und berührte mich tief. Auch meine Eltern natürlich. Aber vielleicht gehört das zu einer langen Karriere – es ist nicht immer alles pink. Wichtig ist, dass wir alle so gut es ging darüber hinweggekommen sind. Dass das Publikum weiterhin ins Stadion kommt, dass Roger Brennwald ein super Turnier auf die Beine stellt und ich immer noch Spass habe, hier mitzumachen.
Haben Sie den gleich wie früher?
Natürlich, es ist immer wieder sehr speziell, einmal im Jahr vor den Heimfans anzutreten. Besonders auch vor so vielen Freunden und Familie zu spielen, bedeutet mir immer unglaublich viel. Und jetzt haben wir noch dazu eine neue Halle – nach so vielen Jahren in der altbewährten Halle ist auch das eine ganz besondere Erfahrung.
Hat es Sie enttäuscht, dass das Stadtparlament abgelehnt hat, das neue Stadion «Roger Federer Arena» zu nennen?
Nein. Wenn so etwas passiert, ist es eine Riesen-Ehre. Wenn nicht, ist es auch kein Problem.
Ist eine künftige Übernahme des Turniers noch ein Thema für Sie?
Sag niemals nie. Aber Roger Brennwald hat ja unmissverständlich gesagt, dass es sein Turnier ist. Das wusste ich immer und ich wollte ihm da auch nie ins Handwerk pfuschen. Solange er das Zepter in der Hand hat, erübrigt sich darüber jede Diskussion. Ich hoffe einfach, dass es dem Turnier gut geht, so lange ich noch spiele, vor allem aber auch nachher – das ist mir ein grosses Bedürfnis. Ich wünsche mir, dass ich Tennis in diesem Land populärer gemacht habe. So wie ich diesbezüglich als Botschafter für die Schweiz wichtig bin, so ist es auch das Turnier. Darum hoffe ich auf weiteren Erfolg hier in Basel – mit oder ohne mich.
Sind die Swiss Indoors ein idealer Ort für Ihren Rücktritt, oder wäre Ihnen das fast zu kitschig?
Ich würde lügen, wenn ich sagte, das habe ich mir noch nie überlegt. Es liegt auf der Hand, da aufzuhören, wo alles begann. Aber ganz ehrlich, ich weiss ich es noch nicht. Es kommt auch auf meinen körperlichen und mentalen Zustand an. Wo stehe ich in dem Moment? Sollte es an einem Grand-Slam-Turnier sein, oder in Wimbledon – das sind alles noch offene Fragen. Ich denke, mit der Zeit wird sich das heraus kristallisieren. Vielleicht merke ich in einer Saison ja sogar, dass ich es gar nicht mehr bis zum Termin in Basel schaffe.
Wie geht es Ihnen momentan körperlich?
Okay, die drei Monate Pause im Sommer haben mir sicherlich gut getan. Es ist normal, dass du immer wieder kleinere Dinge mit dir herumträgst – vor allem wenn du als Spieler älter bist. Jetzt sehe ich die Zielgerade, nach Basel kommt allenfalls noch Paris, dann die ATP-Finals in London. Und dann freue ich mich wieder auf zwei Wochen Ferien, in denen der Körper regenerieren kann. Denn eine gute Vorbereitung aufs nächste Jahr ist imminent wichtig.
Sind Sie frustriert, dass Sie Ihre Ziele in Wimbledon, New York und Shanghai nicht erreicht haben?
Die letzten Monaten waren schon hart für mich, das stimmt. Ich konnte die Turniere nicht wie gewünscht gewinnen. Aber gleichzeitig weiss ich, warum. In der Mannschaft sind wir da alle gleicher Meinung. Wir wissen also, woran gearbeitet werden muss.
Und woran lag es?
Ich hatte kleine Probleme mit der Hand und gewissen andere Dingen, die es mir nicht vereinfacht haben, gut Tennis zu spielen. Aber beim Laver Cup und in Shanghai hat sich alles wieder normalisiert und es ist eine Zeit der Saison, in der ich normalerweise gut spiele. Das Selbstvertrauen ist da, aber es heisst natürlich noch lange nicht, dass du viel besser spielst, wenn du dich besser fühlst. Es kommt auch auf die Gegner an. Aber ich bin voller Hoffnung, dass es hier in Basel wieder besser läuft.
Blick.ch