Wohl keinem anderen Tennisspieler wurde so oft nachgesagt, er spiele mühelos. "Meistens war das als Kompliment gemeint", so Federer. "Aber es frustrierte mich, wenn die Leute sagten: 'Er ist ja kaum ins Schwitzen gekommen.' Oder: 'Strengt er sich überhaupt an?' Denn die Wahrheit ist: Ich musste sehr hart arbeiten, um es einfach aussehen zu lassen."
Vielleicht hätten sie ja solche Klassenkameradinnen in Dartmouth erlebt, sagte Federer. "Solche, die eine Bestnote nach der anderen schrieben, obschon es schien, als hätten sie sich gar nicht richtig angestrengt. Derweil du die Nächte durchgearbeitet, dich mit Koffein vollgepumpt und in einer Ecke der Bibliothek geweint hast."
"Diesen Mythos will ich nun ein für alle Mal ausräumen: Ich brachte es nicht nur wegen meines Talents so weit, sondern weil ich versuchte, härter zu arbeiten als meine Gegner. Ja, es braucht Talent. Aber Talent kann man weit fassen. Im Tennis kann man eine Vorhand mit krasser Beschleunigung als Talent bezeichnen. Aber ebenso - wie im Leben - ist auch Disziplin ein Talent. Und Geduld. Sich selber zu vertrauen. Den Lernprozess zu akzeptieren und zu lieben. Dein Leben zu managen."
"Tennis ist ein brutaler Sport. Du kannst so hart arbeiten wie nur möglich - und trotzdem verlieren. In jedem Turnier gibt es nur einen Sieger, und alle anderen besteigen das Flugzeug und trauern verpassten Bällen nach. Stellt euch vor, das wäre am College auch so: Applaus für die Absolventin! Und an alle anderen: Mehr Glück das nächste Mal."
Nichts habe ihn so geschmerzt wie die Niederlage im Wimbledon-Finale 2008 gegen Rafael Nadal. Rückblickend scheine es, als habe er verloren, weil es am Ende dunkel geworden sei, er den Ball kaum noch gesehen habe. Das Gegenteil war der Fall: Er habe das Spiel am Anfang verloren. "Ich schaute übers Netz und sah einen Kerl, der mich zuvor bei den French Open deklassiert hatte, und dachte: Er ist hungriger als ich. Erst nachdem ich die ersten zwei Sätze verloren hatte, habe ich mich daran erinnert, dass ich der fünffache Wimbledon-Champion bin. Aber da ist es zu spät gewesen. Meine Lehre daraus: "Wenn du einen Punkt spielst, ist er das Wichtigste auf der Welt. Aber wenn er vorbei ist, liegt er hinter dir. Diese Einstellung ist entscheidend, denn sie gibt dir die Freiheit, dich voll und ganz dem nächsten Punkt zu widmen. Und dann dem übernächsten. Mit Intensität, Klarheit und Fokus."
"Egal, was man im Leben tut, man wird immer wieder verlieren. Das Leben ist eine Achterbahnfahrt. Es ist ganz natürlich, dass man an sich zweifelt, wenn man am Boden liegt. Und sich bemitleidet. Aber negative Energie ist verschwendete Energie. Die Besten sind nicht die Besten, weil sie immer gewinnen. Sondern weil sie wissen, dass sie auch immer wieder verlieren werden - und gelernt haben, damit umzugehen."
"Ich habe ganz viel Zeit auf dem Tennisplatz verbracht – und trotzdem immer gewusst, dass die Welt grösser ist als diese 692 Quadratmeter. Deshalb bin ich nie ausgebrannt. Weil ich immer noch andere Interessen gepflegt habe. Tennis hat mir so viele schöne Erinnerungen beschert. Aber meine Erfahrungen abseits des Platzes nehme ich genauso mit. Die Orte, die ich bereisen durfte, die Möglichkeit, etwas zurückzugeben, und vor allem die Menschen, die ich getroffen habe. Alle Studentinnen und Studenten haben nun in Dartmouth in einem Hauptfach abgeschlossen. Aber es ist essenziell, über das Spezialgebiet hinauszudenken und immer offen zu sein für Neues."
(Quelle: derbund.ch)