Gladiator
Banned
14.10.2004
Leko - Kramnik (11. WM-Partie)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 La6 5.Da4 Lb7 6.Lg2 c5 7.dxc5 Lxc5 8.0-0 0-0 9.Sc3 Le7 10.Lf4 a6 11.Tfd1 d6 12.Dc2 Dc7 13.Tac1 Td8 14.Dd2 Sh5 15.Lg5 Sf6 16.Lf4 Sh5 17.Lg5 Sf6 remis.
Die Uhr des Herausforderers lief, aber die Stühle der beiden Spieler waren schon minutenlang leer. 17 Züge hatten Peter Leko und Wladimir Kramnik in der elften Partie um die Schach-WM gespielt. Als sie aus ihren Ruheräumen eilten – zuerst Leko, zwei Schritte dahinter Kramnik –, spürten die Zuschauer wohl schon eine neuerliche Enttäuschung nahen: Leko setzte sich, notierte etwas auf sein Partieformular, schaute Kramnik an – und schon reichten sie sich die Hände. Wieder ein Kurzremis, schon das sechste. Gemurmel im Publikum. Ein alter Mann fluchte laut auf Russisch.
Kramnik und Leko scheint es in diesen Tagen gleichgültig zu sein, was der Rest der Schachwelt über ihren WM-Kampf in Brissago am Lago Maggiore denkt. Sie spielen nur für sich. Und offenbar halten es beide für eine gute Idee, die Entscheidung auf die letzten Partien zu vertagen. Leko führt vor der heutigen zwöften Partie mit 6:5 Punkten. Kramnik müsste aus den verbleibenden drei Runden mindestens zwei Punkte erzielen, um seinen Titel zu verteidigen.
„Dies ist ein merkwürdiges Match“, gestand Leko nach der elften Runde, in der er den Vorteil der weißen Steine besaß. Leicht fallen dem jungen Ungarn die Kurzremisen nicht. Vor dem 17. Zug war ihm anzumerken, wie er sich mal kopfschüttelnd, mal mit geschlossenen Augen wand. Sollte er in eine dreimalige Zugwiederholung und damit in ein Remis einwilligen, oder sollte er versuchen, seinen Vorsprung auszubauen? Je mehr Bedenkzeit Leko verstreichen ließ, desto unwahrscheinlicher erschien ein Weiterspielen. Insgesamt verbrauchte Leko 70 Minuten, Kramnik nur 23.
Längeres Grübeln ist für Leko in Brissago zur Gewohnheit geworden. In fast allen Partien scheint er schlechter vorbereitet zu sein als sein Gegner. Niemand weiß, warum er zuletzt stets mit den d-Bauern eröffnet hat. Vermutlich ist der Respekt vor Kramniks russischer Verteidigung so groß, dass Leko sich seinen Standardzug 1.e4 nicht mehr zutraut. Aber auch mit 1.d4 hat er zuletzt keinen Vorteil herausgeholt.
Normalerweise wirft Leko Eröffnungsfeinheiten so selbstverständlich aufs Brett, wie er Fremdsprachen spricht. In Brissago quält er sich jedoch jeden einzelnen Zug ab und gerät immer wieder in erheblichen Zeitnachteil. Der überraschende Repertoirewechsel vom Königs- auf den Damenbauern hat ihm, wie er selbst einräumt, viele Stellungstypen eingebrockt, mit denen er wenig Erfahrung besitzt. Folglich wirkt sein Spiel zuweilen wie die Rede eines Mannes, der mal eben alle Vokabeln einer ihm unbekannten Sprache gepaukt, aber keinerlei Praxis im Sprechen hat. Der Erfolg gibt Leko jedoch Recht. „Ich habe immer noch einen Punkt Vorsprung.“
Umso rätselhafter erscheint es, weshalb Kramnik keine Risiken eingeht. Vielleicht hat ihn das nervenaufreibende Ringen um kleinste Vorteile erschöpft. Selbst nach Kurzremisen sieht er aus wie ein Arbeiter, der die ganze Woche Nachtschicht gehabt hat. Nach der neunten Partie war er sogar der üblichen Pressekonferenz ferngeblieben. Er fühle sich nicht wohl, ließ er ausrichten. Nach der elften Partie verteidigte er sich wieder wortgewand. „Ist eine Stellung remis, dann ist es eben remis. Sollte ich etwa irgendwelche zweitklassigen Züge spielen und am Ende vielleicht verlieren?“
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/sport/in...tagesspiegel.de/archiv/14.10.2004/1418434.asp
Respekt vor russischer Verteidigung
Bei der Schach-WM verzichtet der führende Ungar Leko
gegen Kramnik nunmehr auf jegliches Risko
Bei der Schach-WM verzichtet der führende Ungar Leko
gegen Kramnik nunmehr auf jegliches Risko
Leko - Kramnik (11. WM-Partie)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 b6 4.g3 La6 5.Da4 Lb7 6.Lg2 c5 7.dxc5 Lxc5 8.0-0 0-0 9.Sc3 Le7 10.Lf4 a6 11.Tfd1 d6 12.Dc2 Dc7 13.Tac1 Td8 14.Dd2 Sh5 15.Lg5 Sf6 16.Lf4 Sh5 17.Lg5 Sf6 remis.
Die Uhr des Herausforderers lief, aber die Stühle der beiden Spieler waren schon minutenlang leer. 17 Züge hatten Peter Leko und Wladimir Kramnik in der elften Partie um die Schach-WM gespielt. Als sie aus ihren Ruheräumen eilten – zuerst Leko, zwei Schritte dahinter Kramnik –, spürten die Zuschauer wohl schon eine neuerliche Enttäuschung nahen: Leko setzte sich, notierte etwas auf sein Partieformular, schaute Kramnik an – und schon reichten sie sich die Hände. Wieder ein Kurzremis, schon das sechste. Gemurmel im Publikum. Ein alter Mann fluchte laut auf Russisch.
Kramnik und Leko scheint es in diesen Tagen gleichgültig zu sein, was der Rest der Schachwelt über ihren WM-Kampf in Brissago am Lago Maggiore denkt. Sie spielen nur für sich. Und offenbar halten es beide für eine gute Idee, die Entscheidung auf die letzten Partien zu vertagen. Leko führt vor der heutigen zwöften Partie mit 6:5 Punkten. Kramnik müsste aus den verbleibenden drei Runden mindestens zwei Punkte erzielen, um seinen Titel zu verteidigen.
„Dies ist ein merkwürdiges Match“, gestand Leko nach der elften Runde, in der er den Vorteil der weißen Steine besaß. Leicht fallen dem jungen Ungarn die Kurzremisen nicht. Vor dem 17. Zug war ihm anzumerken, wie er sich mal kopfschüttelnd, mal mit geschlossenen Augen wand. Sollte er in eine dreimalige Zugwiederholung und damit in ein Remis einwilligen, oder sollte er versuchen, seinen Vorsprung auszubauen? Je mehr Bedenkzeit Leko verstreichen ließ, desto unwahrscheinlicher erschien ein Weiterspielen. Insgesamt verbrauchte Leko 70 Minuten, Kramnik nur 23.
Längeres Grübeln ist für Leko in Brissago zur Gewohnheit geworden. In fast allen Partien scheint er schlechter vorbereitet zu sein als sein Gegner. Niemand weiß, warum er zuletzt stets mit den d-Bauern eröffnet hat. Vermutlich ist der Respekt vor Kramniks russischer Verteidigung so groß, dass Leko sich seinen Standardzug 1.e4 nicht mehr zutraut. Aber auch mit 1.d4 hat er zuletzt keinen Vorteil herausgeholt.
Normalerweise wirft Leko Eröffnungsfeinheiten so selbstverständlich aufs Brett, wie er Fremdsprachen spricht. In Brissago quält er sich jedoch jeden einzelnen Zug ab und gerät immer wieder in erheblichen Zeitnachteil. Der überraschende Repertoirewechsel vom Königs- auf den Damenbauern hat ihm, wie er selbst einräumt, viele Stellungstypen eingebrockt, mit denen er wenig Erfahrung besitzt. Folglich wirkt sein Spiel zuweilen wie die Rede eines Mannes, der mal eben alle Vokabeln einer ihm unbekannten Sprache gepaukt, aber keinerlei Praxis im Sprechen hat. Der Erfolg gibt Leko jedoch Recht. „Ich habe immer noch einen Punkt Vorsprung.“
Umso rätselhafter erscheint es, weshalb Kramnik keine Risiken eingeht. Vielleicht hat ihn das nervenaufreibende Ringen um kleinste Vorteile erschöpft. Selbst nach Kurzremisen sieht er aus wie ein Arbeiter, der die ganze Woche Nachtschicht gehabt hat. Nach der neunten Partie war er sogar der üblichen Pressekonferenz ferngeblieben. Er fühle sich nicht wohl, ließ er ausrichten. Nach der elften Partie verteidigte er sich wieder wortgewand. „Ist eine Stellung remis, dann ist es eben remis. Sollte ich etwa irgendwelche zweitklassigen Züge spielen und am Ende vielleicht verlieren?“
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/sport/in...tagesspiegel.de/archiv/14.10.2004/1418434.asp