Der Weltverbesserer mit Racket
Als Kind gemobbt, als Jugendlicher fast ertrunken, mit 20 an der Spitze der Tenniswelt angekommen: Stefanos Tsitsipas.
Stefanos Tsitsipas ist kein Tennisprofi wie jeder andere. Das hat auch mit seiner speziellen Geschichte zu tun. «Er ist quasi im Tennisclub Glyfada aufgewachsen», erzählt Vater Apostolos, der damals für die Tennisplätze zuständig war.
Mutter Julia, gebürtige Russin, war in ihrem Heimatland eine Spitzenspielerin. «Stefanos war ein spezielles Kind. Er suchte keinen Anschluss, spielte gern für sich», sagt Apostolos. «Ich war immer allein, wurde in der Schule sogar gemobbt», sagt Stefanos. Später hätten ihm diese Erfahrungen aber geholfen, ihn zusätzlich motiviert, den Leuten zu zeigen, wozu er fähig sei.
Die geklauten Schläger
Das ist ihm eindrücklich gelungen. Am vergangenen Sonntag holte er in Stockholm seinen ersten ATP-Titel, in der Weltrangliste nimmt er Position 16 ein. Für noch mehr Aufsehen hatte er im August in Toronto mit vier Siegen gegen Top-10-Spieler gesorgt. Der Vater ist von den Fortschritten und Erfolgen des Sohnes nicht überrascht, «denn ich kenne meinen Buben».
Und dann beginnt er, eine Geschichte zu erzählen: «Stefanos war 10-jährig, wir reisten mit ein paar Clubmitgliedern nach Nizza an ein Turnier. Stefanos stellte seine Rackets irgendwo hin, und kurz darauf waren sie gestohlen.» Der Knabe habe nicht geweint und darauf beharrt, nur ein einziges Racket zu bekommen. «Ich fragte, warum? Er antwortete: ‹Der erste Preis ist doch ein Schläger. Schreib mich einfach im U-10- und im U-12-Turnier ein.›»
Er gewann beide Kategorien, bei den Jüngeren siegte er relativ souverän, bei den Älteren aber kämpfte er bis zur Erschöpfung, gewann mehrere Spiele im Tiebreak des dritten Satzes. «Ich war überglücklich», berichtet der 20-Jährige, «doch als ich meine Preise abholen sollte, lagen dort statt Schläger zwei Thermotaschen.» Apostolos löste das Problem dann doch mithilfe der Kreditkarte.
Die Episode zeigt die Leidenschaft und den Ehrgeiz, die Tsitsipas bis heute auszeichnen. Ein anderes Erlebnis war allerdings noch viel prägender. Nach einem Turnier auf Kreta wurde der damals 16-Jährige von einem älteren Kollegen dazu überredet, im Anschluss an einen Saunagang ins Meer zu springen.
Nach wenigen Sekunden waren die Jugendlichen wegen der starken Strömung schon 100 Meter vom Ufer entfernt. Zum Glück kam Apostolos dazu, der selber ins Wasser hetzte, um den beiden zu helfen. «Ich sagte ihnen, sie müssten parallel zum Ufer schwimmen, wir kämpften sicher zehn Minuten in den Wellen ums Überleben. Ich trank unglaublich viel Wasser, doch plötzlich spürte ich wieder Boden unter den Füssen. Am Strand kollabierte ich, aber die Jungs überlebten. Stefanos hatte danach viele Nächte lang Albträume.»
Stefanos war bewusst, in welcher Gefahr er geschwebt hatte. Er sei vor Angst erstarrt, habe kaum noch atmen können, sagt er heute. «Ich fühlte mich derart schlecht, dass ich zu visualisieren begann, dass ich sterben würde. Ich hatte das Gefühl, mich nicht mehr auf der Erde zu befinden, sondern im Nirgendwo zu schweben.» Seither sei er vorsichtiger, gibt er zu. «Ich weiss, dass ich Glück habe, noch am Leben zu sein und Tennis spielen zu können.»
Die Episode zeigt die Leidenschaft und den Ehrgeiz, die Tsitsipas bis heute auszeichnen. Ein anderes Erlebnis war allerdings noch viel prägender. Nach einem Turnier auf Kreta wurde der damals 16-Jährige von einem älteren Kollegen dazu überredet, im Anschluss an einen Saunagang ins Meer zu springen.
Nach wenigen Sekunden waren die Jugendlichen wegen der starken Strömung schon 100 Meter vom Ufer entfernt. Zum Glück kam Apostolos dazu, der selber ins Wasser hetzte, um den beiden zu helfen. «Ich sagte ihnen, sie müssten parallel zum Ufer schwimmen, wir kämpften sicher zehn Minuten in den Wellen ums Überleben. Ich trank unglaublich viel Wasser, doch plötzlich spürte ich wieder Boden unter den Füssen. Am Strand kollabierte ich, aber die Jungs überlebten. Stefanos hatte danach viele Nächte lang Albträume.»
Stefanos war bewusst, in welcher Gefahr er geschwebt hatte. Er sei vor Angst erstarrt, habe kaum noch atmen können, sagt er heute. «Ich fühlte mich derart schlecht, dass ich zu visualisieren begann, dass ich sterben würde. Ich hatte das Gefühl, mich nicht mehr auf der Erde zu befinden, sondern im Nirgendwo zu schweben.» Seither sei er vorsichtiger, gibt er zu. «Ich weiss, dass ich Glück habe, noch am Leben zu sein und Tennis spielen zu können.»
Tsitsipas fällt nicht nur mit seinem spektakulären Offensivtennis auf, sondern auch mit seinen Aktivitäten abseits des Courts. Er verfügt über einen Youtube-Kanal und stellt Videoblogs ins Internet.
Einerseits thematisiert er seine Reisen, andererseits aber auch umweltpolitische Probleme. «So kannst du Leute motivieren. Videos sind das beste Medium, um die Realität wiederzugeben. Ich mag es, zu meinen Fans zu sprechen. Und wenn sie die Welt verändern wollen, wäre das fantastisch.»
Er bewundert Multimilliardär Elon Musk, der unter anderem das private Raumfahrtunternehmen SpaceX gründete und in den Elektroautohersteller Tesla investierte. «Er wird die Welt verändern, weil er eine andere Denkweise hat als alle anderen», hält Tsitsipas fest.
Tsitsipas selber schreibt derzeit die griechische Sportgeschichte um: erster Spieler in den Top 100, erster mit ATP-Titel. Doch diese Messlatte ist für ihn zu tief, er hat höhere Ziele. «Ich möchte Kinder inspirieren, nicht nur griechische, auch solche aus anderen Ländern.» Kurzfristig will er sich für die ATP-Finals in London qualifizieren. Die Aufgabe ist ähnlich schwierig wie einst jene in Nizza.
Adrian Ruch / Berner Zeitung