Habe mir gestern den Super Bowl nochmal in voller Länge angeschaut. Der Holding Call von Bradberry am Ende wird für mich noch einmal dadurch relativiert, dass er vor dem ersten Punt der Chiefs Juju schon einmal leicht gehalten hat, das wurde nicht gecalled. Nun ist erstes Viertel und 3rd & 8 mit 1:54 Uhr auf der Uhr nicht vergleichbar, klar, aber wer weiß, ob das Spiel nicht ganz anders läuft, wenn die Chiefs da ihre Possession verlängern. Und einen der beiden Holds sollte man dann definitiv geben.
Weiterhin nicht darüber hinweg komme ich, wie man den Catch von Smith kurz vor der Halbzeit überstimmen kann. Verdammte Axt! Er hat klar zwei Beine und Control. Am Ende berührt der Ball den Boden und bewegt sich auch, aber er verliert doch nie die Kontrolle. Pereira hat das während der Übertragung auch gut erklärt. Und dann brauchen sie über fünf Minuten dafür. "Clear and obvious" ist ein Klischee, ich weiß, aber diese Entscheidung darf New York einfach nicht treffen. Nicht, wenn die Entscheidung auf dem Feld Catch war. Ich möchte ja kein Verschwörungstheoretiker sein, aber wenige Minute zuvor humpelte Mahomes vom Feld. Der Super Bowl ist das Event der NFL schlechthin. Wollte sie in Angst vor dem QB Chad Henne und einem (erneuten Eagles-) Blowout in der zweiten Halbzeit dann auf Nummer sicher gehen? Klar ist es nicht gesichert, dass die Eagles statt dem Field Goal dann einen TD machen. Aber sie hätten 50 Sekunden auf der Uhr gehabt, zwei Timeouts, 1st & 10 von der 15 Yard Line. Aus meiner Sicht wäre ein TD hier zumindest deutlich wahrscheinlicher gewesen als ein FG. Und was 14:28 zur Halbzeit dann mit den Chiefs macht, weiß man nicht. Für mich wird diese Szene hängen bleiben.
Ansonsten konnte ich, in Ruhe und ohne die Nervosität des Moments, Andy Reids Playcalling schon noch etwas mehr wertschätzen. Jerrick McKinnon als Fullback? Diese Formation hat ihm zwei Big Plays gebracht, einmal mit McKinnon selbst (wobei ich da sagen muss, hätte die Eagles Defense besser lesen können) und dann der Konter aus der Formation heraus, langer Lauf von Pacheco. Dazu die zwei Touchdowns durch die Fake Fly Motion. Da sah Maddox gar nicht gut aus. Ist aber auch schwer für ihn, das sind schon sehr gute Red Zone Plays.
Der Take klingt jetzt wahrscheinlich wie abgestandener Kaffee, weil man es so häufig gelesen hat, aber Jalen Hurts Leistung war, wenn man das Spiel in Ruhe nochmal anschaut, noch beeindruckender, als ich dachte. Alleine schon wenn man den grandiosen Wurf auf Quez Watkins (den dieser fangen muss, besser kann ihn Hurts nicht werfen) und eben den Catch von Smith, den sie aberkannt haben, dazu rechnet, wäre er auf ~ 370 Yards Passing + 70 Rushing + 4 Total TDs (möglicherweise noch mehr mit den Catches) gekommen. Im Prinzip hat er im gesamten Spiel zwei Fehler gemacht: eine schlechte Entscheidung, in Double Coverage auf Brown zu werfen - war dann einfach Incomplete und zuvor hatte ein ganz ähnlicher Wurf zu Browns TD geführt, trotzdem wird er diesen Wurf zurück wollen. Und dann natürlich der Fumble. Geht komplett auf ihn, wobei es ohne Seumalos False Start nie zu dem Play kommt. Für Hurts war dieses Play genug, um die Niederlage auf seine Kappe zu nehmen. Und genau deswegen habe ich mittlerweile keinerlei Bedenken mehr, ihm einen Mega-Vertrag zu geben. Zumal das für Hurts nicht nur PR-Blabla ist, sondern er das so
in die Mannschaft trägt.
"I always hold myself to a very high standard in everything I do," the 24-year-old said. "Obviously, I try to control the things I can. I touch the ball on every play. I want to protect it. It hurt us. You never know what play it will be.
"I don't do this to be loved. I don't do this to be hated. I don't do this to seek anybody else's approval. I do it for the guys in the locker room. I do it for all the time we invested in this. I do it for the thrill and love of something that we put work into. It is a tough feeling to come up short. But I know the only direction is to rise and that will be the mentality going forward. We'll sit back and reflect on it and learn from it.
"I've already challenged everyone to think about those things," he continued. "Look yourself in the mirror and be able to learn from everything. You either win or you learn."
Dieses Messaging wenige Minuten nach so einer Niederlage zeigt mir sehr viel Reife, Intelligenz und Führungsqualität.
Nick Sirianni hatte in der zweiten Hälfte im Game Management leider ungewohnte Schwächen. Delay Strafe bei 3rd & 9 - Hurts und Goedert verwerten dann zwar 3rd & 14 spektakulär, aber das kannst du dir in so einem Spiel nicht leisten. Wenig später rettet er die Offense dann mit einer Timeout vor einer weiteren Delay Strafe bei 3rd Down - unnötig zu erwähnen, wie teuer es war, diese Timeout zu verlieren. Und dieses mal verwertete Hurts eben nicht. Klar, das kann man alles nicht vorher wissen, aber man kann es verhindern.
Die 4th Down Entscheidungen waren dann schon komplexer. Im Spiel selbst Live war ich sowohl mit der Entscheidung einverstanden, bei 4th & 6 das Field Goal zu nehmen (um auf 21:27 zu gehen), als auch der Entscheidung, bei 4th & 2 an der eigenen 32 Yard Line zu punten. Es wäre also vermessen, da jetzt die ganz große Keule herauszuholen. Aber Sirianni hat die ganze Saison über mit
übertrieben großen Cojones solche Entscheidungen getroffen, in der ersten Hälfte des Super Bowls auch. In der zweiten dann leider nicht mehr. Vor allem der Punt war
aus Analytics Sicht ein klarer Fehler (knapp 5 Prozent Winning Percentage ist eine Menge Holz). Ich bin, während ich ein Spiel schaue, normalerweise hyperaggressiv, wenn es um 4th Down Entscheidungen geht, und ich hatte Live wie gesagt kein Problem damit. Aber Sirianni ist der Head Coach und wird für diese unheimlich schwierigen Entscheidungen bezahlt. Zumal es nicht nur Analytics waren, die da Go sagen. Der Game Flow war zu diesem Zeitpunkt so, dass die Eagles die Chiefs nicht stoppen konnten, ergo: Possessions sind alles, was zählt. Bedeutet auch: Den Chiefs den Ball an deiner 32 Yard Line zu geben, spart dir selbst auch Zeit, den Ball wieder zu bekommen. Bei 4th & 1 wäre Sirianni sicher gegangen (Sneak). Ich glaube, die Abwesenheit der Sneak Möglichkeit hat ihm da, wie mir auch, in der Situation den Blick aufs Große Ganze versperrt. Das ist übrigens alles unabhängig vom Ausgang des Punts, der natürlich fast nicht hätte schlimmer laufen können.
Ein weiteres heikles Thema ist das Feld. Ich möchte die Niederlage der Eagles sicher nicht darauf schieben, beide Teams mussten darauf spielen, die Chiefs hatten sich besser angepasst. Aber es war eine Frechheit, die Teams auf diesem Rasen spielen zu lassen. Da hat die NFL schon (leider, leider!) große Angst vor einem Super Bowl bei schlechtem Wetter, was ich total schade finde. Bei nahezu allen Wetterbedingungen, die für die Spieler und Zuschauer sicher sind, zu spielen, macht für mich diesen Sport aus. Aber dann in einen Dome zu gehen und so einen absoluten Kack-Untergrund hinzustellen, geht's noch? Ist für die Eagles schwierig, da öffentlich zu starke Kritik zu üben, weil sie nicht als schlechter Verlierer gelten wollen, und für die Chiefs, weil sie das Spiel gewonnen haben, aber zumindest hinter den Kulissen muss der Druck da erhöht werden - das darf sich nicht wiederholen. Durch den Spielverlauf und die Stärke des Eagles Pass Rushes hat es die Eagles am Ende mMn mehr gekostet als die Chiefs. Aber wie gesagt, beide Teams mussten darauf spielen. Und es sollte niemals mehr ein Super Bowl auf so einem rutschigen Feld ausgetragen werden müssen. Das schadet dem Sport mehr als Schnee oder Regen und Minusgrade. Und erhöht, nebenbei gesagt, auch die Verletzungsgefahr. Ganz im Gegensatz zum Push Sneak der Eagles, den zumindest Teile der Liga
jetzt verbieten wollen. Dabei hat sich kein einziger Spieler in dieser Saison verletzt ...