Also diese Liste ist ja mehr als lächerlich. Keinerlei Bewertungsgrundlage ist angegeben, die einzelnen Begründungen sind haarsträubend (Tilden auf Platz 8, weil mein Großvater ihn so toll fand...), Spieler wie Pancho Gonzales oder Ken Rosewall werden komplett ignoriert. Ein Roy Emerson, der selbst von seinen Zeitgenossen niemals auch nur ansatzweise zu den besten aller Zeiten gezählt wurde und enorm von der Abtrennung des Profisports profitierte wird auf einmal auf Platz 4 geführt. Selbst der 40jährige Gonzales konnte Emerson zu Beginn der Open Era regelmäßig schlagen. Diese Platzierung von Emerson ist ein ganz großer Witz. Da zeigt sich die absolute Unkenntnis der Autoren über die Tennisgeschichte vor den 70er Jahren. Weitere ignorierte Größen dieser Zeit: Henri Cochet, Fred Perry, Don Budge, Bobby Riggs, Jack Kramer, Lew Hoad...diese Liste könnte man wohl noch weiterführen.
Auch die Bewertung der modernen Spieler ist lächerlich, Roger Federer wird auf Platz 1 geführt, obwohl in der Begründung geschrieben wird, dass er noch nicht der beste Spieler aller Zeiten ist...sehr logisch.
Hier mal meine momentane Top-10 der Open-Era (Spieler vor 1968 nicht einbezogen, da ich dies für nicht vergleichbar halte, durch die Trennung der Profi- und Amateurwettbewerbe):
1.) Pete Sampras (USA)
14 Grand-Slam-Titel, 6 Jahre die Nummer 1 der Welt, von 1990 bis 2001 war er ununterbrochen in den Top-10 der Welt, 7 Titel in Wimbledon, bei den US Open bei 14 Teilnahmen neunmal im Halbfinale. Einziges Manko: der fehlende Sieg bei den French Open.
2.) Björn Borg (SWE)
11 Grand-Slam-Titel, der dominierende Spieler der Jahre 1977-1980, positiver Rekord gegen Connors und Lendl, gegen McEnroe ausgeglichen. Schaffte dreimal in Folge das Roland Garros-Wimbledon Double. Unglücklich bei den US Open, bei den Australian Open nur einmal angetreten. Mit etwas mehr Glück hätte er den Grand-Slam gleich mehrfach gewinnen können. Insgesamt nicht allzuweit von Sampras entfernt.
3.) Roger Federer (SUI)
9 Grand-Slam-Titel, größte Dominanz in der Open-Era-Geschichte über einen Zeitraum von drei Jahren. Erster Spieler seit Borg mit realistischer Chance auf den Grand-Slam-Gewinn. Manko: fehlende Konkurrenz.
4.) Ivan Lendl (USA)
8 Grand-Slam-Titel, galt zu Beginn seiner Karriere als Verlierertyp, schaffte es später aber aus dem Schatten von Connors und McEnroe und dominierte die Jahre 1985-1987. Bewährte sich im hartumkämpftesten Jahrzehnt der Open-Era-Geschichte. Manko: der fehlende Sieg in Wimbledon, zudem seine schlechte Bilanz in großen Endspielen.
5.) Jimmy Connors (USA)
8 Grand-Slam-Titel, wurde 1974 durch seine Sperre bei den French Open womöglich um den Grand-Slam-Gewinn gebracht. Die ersten Jahre seiner Karriere waren die besten, später wurde er von McEnroe, Lendl und auch Wilander größtenteils beherrscht. Profitierte vom Weltranglistensystem, das ihn in den Jahren 1974-1978 zur Nummer 1 der Weltrangliste machte, obwohl er 1975 mindestens Ashe und Borg und 1977, 1978 Borg unterlegen war. War bei seinem Comeback 1982 wohl noch einmal der beste Spieler der Welt, bevor er um den Kampf um die Weltspitze nicht mehr regelmäßig eingriff. Manko: sein fehlender Sieg bei den French Open, wo er viermal im Halbfinale scheiterte.
6.) Andre Agassi (USA)
8 Grand-Slam-Titel, für ihn spricht sein Karriere-Grand-Slam, bei dem er allerdings auch oftmals von glücklichen Umständen profitieren konnte. Zudem ist seine Langlebigkeit zu erwähnen, zwischen seinem ersten Grand-Slam-Finale 1990 bei den French Open und seinem letzten bei den US Open 2005 lagen mehr als 15 Jahre. Den Vergleich mit Lendl und Connors verliert er trotzdem aufgrund seiner fehlenden Dominanz. Lendl dominierte drei Jahre lang, Connors mindestens auch drei. Agassi dagegen hing schon früh ein ähnliches Verliererimage wie Lendl an, von dem er sich im Verlauf seiner Karriere aber hingegen nie richtig befreien konnte. 1995 war er Sampras im vielleicht wichtigsten Spiel seiner Karriere bei den US Open unterlegen und 1999 profitierte er von den Verletzungsproblemen von Sampras, der ihn bei 4 von 5 der direkten Duelle in diesem Jahr bezwingen konnte. Agassi war ein Fitnessfanatiker, der aufgrund dessen auf dem langsamen Hardcourtbelag der Australian Open oft gewinnen konnte, in Wimbledon und den US Open nach 1999 aber besseren Gegnern unterlegen war.
7.) Rod Laver (AUS)
5 Grand-Slam-Titel (Open_Era), obwohl bereits 30 Jahre alt, schaffte Laver es trotzdem die ersten drei Jahre der Open-Era zu prägen. 1969 gelang ihm der zweite Grand-Slam-Gewinn seiner Karriere, diesmal sowohl gegen die besten Amateurspieler als auch gegen die Rivalen der Profiserie. Dennoch reichen diese Erfolge nicht aus, um Laver in die vorderste Reihe der besten Open-Era-Spieler zu befördern, bei einer Liste der besten Spieler aller Zeiten kommt man um Laver allerdings nicht herum. Den Vergleich mit John McEnroe gewinnt er dennoch aufgrund seiner Siege bei allen vier Grand-Slam-Turnieren und McEnroes relativ kurzen Erfolgsphase.
8.) John McEnroe (USA)
7 Grand-Slam-Titel, für McEnroe spricht die persönliche Bilanz gegen Borg, dessen Serie er auf Gras beenden konnte und dem er auch zwei Titel bei den US Open verweigerte. Zudem konnte McEnroe den persönlichen Vergleich gegen Connors für sich entscheiden und auch der Vergleich gegen Lendl kippte erst in den späten Jahren der Karriere von McEnroe. McEnroe war der unangefochten beste Spieler der Jahre 1983 und 1984, verschwand aber schon im Alter von 26 Jahren aus der absoluten Weltspitze. Zudem fehlen sowohl die Australian Open (einmal Halbfinale) und French Open (einmal Finale) in seiner Erfolgsbilanz.
9-11) Boris Becker (GER), Stefan Edberg (SWE), Mats Wilander (SWE)
Kommen wir zur schwersten Entscheidung in der Liste, den Platzierungen 9-11. Es ist relativ schnell ausgemacht, dass nur die Spieler Becker, Edberg und Wilander für diese Plätze in Frage kommen, aber die Reihenfolge ist sehr schwierig. Wilander gewann die meisten Grand-Slam-Titel der drei Spieler (7) und war in den Jahren 1983-1985 einer der besten Spieler auf der Tour, zudem erreichte er 1987 und 1988 noch fünf weitere Grand-Slam-Finals und konnte als erst dritter Spieler in der Open-Era drei Grand-Slam-Titel in einer Saison gewinnen. Manko: nur 1988 war er der dominierende Spieler der Welt, zudem blieb er in Wimbledon ohne große Erfolge. Insgesamt tendiere ich dazu Wilander den ungeliebten 11. Platz zuzusprechen.
Die Entscheidung zwischen Edberg und Becker fällt noch knapper aus. Beide gewannen 6 Grand-Slam-Titel, wobei beide bei den French Open nie gewannen. Edberg erreichte dort einmal das Finale, Becker dagegen dreimal das Halbfinale. Auch der direkte Vergleich ist nicht sehr aufschlussreich. Zwar konnte Becker die meisten Spiele gewinnen, doch Edberg gewann die meisten der wichtigeren Partien und verlor den Großteil seiner Partien nach dem Ende seiner besten Phase, wobei damit die Langlebigkeit wieder für Becker spricht. Edberg konnte die Jahre 1990 und 1991 an der Spitze der Weltrangliste beenden, Becker war zwar der dominierende Spieler der Saison 1989 beendete aber keine Saison an der Spitze. Insgesamt gebe ich aber Becker einen kleinen Vorsprung.