Inzwischen haben es die Tour-Organisatoren geschafft, von allen Etappen die Profile zu veröffentlichen. Klasse Arbeit so 8-9 Monate nach der Veröffentlichung!
Ich geh mal auf ein paar Etappen ein (alle Images von letour.fr)
Am Anfang steht wie gehabt ein kurzer Prolog an, dann folgen auf den Etappen 1 + 3 Anstiege zum Schluss, so dass es dort wieder sehr spannend werden kann. Da haben die Planer aus dem vergangenen Jahr gelernt, dass sowas zu Beginn, wo sich noch viele Fahrer um das Gelbe streiten, verdammt interessant sein kann.
Die Etappe nach Boulogne-sur-Mer mit vier kurzen, knackigen Anstiegen (teilweise um 10%) auf den letzten 15 Kilometer lädt zu Angriffen ein.
Nach einer Woche folgt dann der erste Test für die Klassementfahrer mit einem netten Schlussanstieg in den Vogesen.
6km lang, Steigungen um 10% laden zu ersten Attacken auf den Tour-Sieg ein. Große Abstände wird es nicht geben, aber hier wird sich das erste Mal die Spreu vom Weizen trennen.
Die Etappe in die Schweiz wird was für Ausreißer um das Bergtrikot, aber nicht selektiv genug für das Klassement. Danach folgt das erste Zeitfahren mit 41,5km Länge. Bis auf ein paar Erhebungen fast flach, hier wird Wiggins das erste Ausrufezeichen setzen. Nun kommt die Etappe über den Grand Colombier, wo man einiges an Rummel veranstaltete. Der "französische Zoncolan". Und dann packt man den in so eine Etappe. Ja, er ist schwer (wenngleich kein Zoncolan), aber 40km vorm Ziel und danach nur der Richemond mit ca. 4% im Schnitt. Vollkommen verschenkt. Am Ende geht es noch 20km bergab, damit auch alles wieder zusammenläuft.
Die erste große Bergetappe steht dann zwischen Albertville und La Toussuire an. Kurz (148km) und im Endeffekt nur hoch und runter. Direkt nach dem Start auf den klassischen Madeleine, danach der eklige, da unrhytmische Croix-de-Fer und schließlich der Schlussanstieg. Zuletzt fuhr man 2011 bei der Dauphine hier hoch. 13 Mann innerhalb von 23 Sekunden... Der Anstieg ist wie gemacht für eine kontrollierte Hinauffahrt, klassicher Rollerberg mit konstanter Steigung. Fährt man so wie bisher bei jeder ersten Bergetappe in den letzten Jahren wird hier nix passieren. Da wartet man bis 3 km vorm Ziel und merkt plötzlich, dass noch 20 Mann in der Gruppe sind... darunter wahrscheinlich 5 Sky-Fahrer, die für den gelben Wiggins alles neutralisieren.
Die Etappe aus den Alpen hinaus beginnt interessant und hart (warum baut man nicht mal eine Etappe rund um die Anstiege der Chartreuse? - da hat man so schöne Pässe wie den Granier) und endet wahrscheinlich im Massensprint.
Mit Etappe 14 verstehen es die Planer, mich vollends zu verärgern und an ihrer Kompetenz zu verzweifeln. Im zweiten Drittel stehen mit dem schwierigen Port de Lers und der knackigen Mur de Peguere zwei nette Anstiege im Programm. Vor allem der Peguere mit seinen hammerharten letzten 4 Kilometern bietet eine massive Schwierigkeit. Hier kann man mit einem Antritt das ganze Feld zermalmen.
Gut, danach folgt eine längere Abfahrt und nach 25 Kilometern ist man im Etappenziel in Foix. Man hätte dennoch ordentlich Raum für Angriffe, die bis zum Ziel durchkommen können. Und was macht man??? Man fährt noch eine 13 Kilometer lange Runde rund um Foix, damit auch ja keiner angreift. Was soll dieser Blödsinn?
Wo ich das gesehen habe, war ich einfach nur sprachlos. So eine saublöde Etappenplanung...
Pau ist mal wieder Etappenort, die Planer haben fleißig drauf geachtet, jeden Meter Anstieg zu vermeiden. Nach 16 Etappen haben die Organisatoren dann wohl gemerkt, dass man vielleicht doch mal eine interessante Etappe für die Gesamtwertung einbauen soll, will man nicht nur eine internationale Zeitfahrmeisterschaft über drei Wochen zeigen.
Die beiden großen Bergetappen sind natürlich sehr interessant. Von Pau aus geht es über Aubisque und Tourmalet verdammt schwer los. Leider ist der Aspin zu Beginn sehr einfach (nur die letzten 4km sind schwer), dafür steht mit dem Peyresourde am Ende noch ein netter Brocken da.
Die letzte Pyrenäenetappe wird ab dem Bales interessant. Der ist richtig schwer und nach der Abfahrt geht es dann direkt wieder auf den Peyresourde (diesmal von der anderen Seite hoch). Nach kurzer Abfahrt folgen noch 4 ansteigende und ein letzter flacher Kilometer ins Ziel. So müssen Bergetappen aussehen!
Zum Ende hin folgt noch topfebenes 54km langes Zeitfahren.
Für Bergfahrer wird es fast unmöglich sein, diese Tour zu gewinnen. Wie schon jemand schrieb, wäre das eine perfekte Rundfahrt für Ulle gewesen, den hier hat ein bergfester Zeitfahrer beste Chancen auf den Sieg. Und nach dem aktuellen Stand wird kein Weg an Wiggins vorbeiführen. Er ist der mit Abstand beste Zeitfahrer der Favoriten, hat das beste Team (Froome, Porte, Rogers > Klöden, Horner, Zubeldia) und auch die Bergetappen liegen ihm gut.
Sein Hauptkonkurrent ist der Titelverteidiger. Der muss schauen, dass er auf den 100 Zeitfahrkilometer nicht so viel Zeit verliert. In der Form des letzten Jahres könnte er hier sogar mit Wiggins mithalten. Der Aufbau passt bisher auch sehr gut. In der ersten Woche kann er den Briten schon piesacken (Boulogne, Vogesen). Ansonsten wird es für Evans sehr schwer werden, signifikant Zeit aufzuholen. La Toussuire ist zu einfach, die Mur de Peguere und der Grand Colombier (die zwei Anstiege, wo ich deutlich Evans > Wiggins sehe) zu weit vom Ziel entfernt. Einzig bei den beiden Pyrenäenetappe sehe ich gute Möglichkeiten. Sollte das Sky-Team aber die Form der Dauphine haben, wird es sehr schwer werden, wenn Wiggins nix passiert.
Mit Andy Schleck sollten wir nicht mehr rechnen, der fährt praktisch ohne Vorbereitung zur Tour (wenn überhaupt). Dagegen kommt Frank nun in Form und kann in den Bergen sicherlich auch auf sich aufmerksam. Aufgrund seiner Zeitfahrschwäche wird er aber mit dem Gesamtsieg nix zu tun haben. Ansonsten sind auch andere Kandidaten fürs Podium weit von der Form entfernt (Nibali, Menchov). Sammy Sanchez wird wohl auch ausfallen.
Es fällt mir schwer, einen Herausforderer für Evans und Wiggins zu finden. Van den Broeck fällt mir da am ehesten ein, wobei der auch einiges an Zeit im ZF liegen lassen wird. Leipheimer ist nach seinem Sturz auch wieder langsam in Form, könnte sicherlich um die Top5 mitfahren. Ansonsten noch Brajkovic, Danielson die nicht so viel Zeit im ZF verlieren. Für Valverde passt der Kurs nicht. Gesink ist ein Rätsel, ein bockstarkes Team (Kruijswijk, Mollema, Ten Dam), aber er zwischen Genie (wie in Kalifornien) und Wahnsinn. Vom Talent und Fähigkeiten her derjenige, der am ehesten mit um den Toursieg kämpfen kann. Das wird aber wahrscheinlich in diesen Leben nicht mehr passieren.
Was bleibt festzuhalten - eine Tour wie gemacht für den aktuellen Wiggins, der nur von Evans gefährdet werden kann.