@Roberts
Alles korrekt. Einzig bei der Aussage:
und vergleicht man diesen mit dem Hoffmann-Kampf von VK dann finden sich Parallelen. Bei beiden Kämpfen gab es Enttäuschungen im Hinblick auf den jeweiligen Favoriten für die Betrachter, die aber eben nicht für die grundsätzliche Leistungsfähigkeit stehen. Boxer entwickeln sich im Laufe ihrer Karriere und das ganz sicher nicht linear.
...muss ich einen kleinen Widerspruch einlegen in Bezug auf Vitali. Denn die defensiven Fehler, die er gegen Hoffmann begangen hat, konnte man ebenfalls gegen Lewis (wieder)-erkennen. Eine Weiterentwicklung konnte ich ehrlich gesagt nicht erkennen.
Ich gebe Dir in einem Punkt Recht (dazu später mehr), trotzdem springt mir Deine Schlussfolgerung zu kurz:
Der Hoffmann-Kampf war ein Comeback-Kampf nach einer schweren Verletzung. Dass danach bei einem Boxer nicht zwangsläufig alles rund läuft, ist so ungewöhnlich nicht. Abseits der Spinatus-Witze halte ich bei einer nüchternen Betrachtung zwei negative Punkte bei Vitali Klitschko für evident:
1. Seine Beinarbeit war schon in der frühen Phase der Karriere unterdurchschnittlich und ist in der Comeback-Phase nach dem Byrd-Kampf zuweilen katastrophal gewesen. Das kulminierte insbesondere im Donald-Kampf, wo bewegungstechnisch kaum noch etwas passte.
2. Dies hängt zusammen mit einem weiteren gewichtigen Punkt: seiner unorthodoxen Art zu boxen, insbesondere auch der eigenartigen Schlagtechnik mit dem ebenso eigentümlichen gesamten Bewegungsablauf, der materialmordend für den Körper war - daraus ergab sich eine extrem hohe Verletzungsanfälligkeit des Bewegungsapparates.
Man konnte im Lewis-Kampf schon deutliche Verbesserungen gegenüber dem Donald-Kampf erkennen, was die Bewegungsabläufe angeht. Was die Defensive angeht, ist aber der Lewis-Kampf wenig wegweisend, weil sich dort zwei Alpha-Tiere gegenüberstanden, die sich jeweils dafür entschieden haben, mit offenen Visier zu boxen. Wenn zwei Boxer es sich so richtig geben wollen, die beide über gute Schlagarsenale verfügen, dann gewinnt nicht selten derjenige Boxer, der der bessere Puncher ist. In diesem Fall abseits der reinen KO-Quote eindeutig Lennox Lewis. Der Kampf war aus der Sicht von VK in Anbetracht seiner Stärken und Schwächen einfach dämlich geführt. Beide Boxer haben in 5 Runden zusammen mehr als doppelt so viele Treffer gelandet (oder erhalten) als Wilder und Fury in deren Rematch bis zum Abbruch in der 7. Runde. Von Defensive kann bei Lewis und VK keine Rede sein in diesem Kampf - das war aber eine taktische Entscheidung und ebenfalls kein Pars pro toto.
Im Rahmen seiner weiteren Kämpfe nach Lewis fand er im alten Stil wieder zu seiner Beinarbeit bis zum Byrd-Kampf zurück. Damit blieb es aber auch bei der sattsam bekannten Verletzungsanfälligkeit und wirklich gut war die Beinarbeit im Hinblick auf die Weltklasse weiterhin nicht.
Nach dem Williams-Kampf und dem vorläufigen verletzungsbedingten Karriereende hat es einen weitreichenden Reset bei VK gegeben. Gegen die ständige Rückenverletzungsproblematik hat es eine Stilumstellung gegeben, die boxtechnisch wohl eher weniger beeindruckend ausgefallen ist (Stichwort Armpunches), die aber einen Effizienzgewinn mitgebracht hat. In der Beinarbeit hat das auch defensiv einen erheblichen Effizienzgewinn gebracht, wobei dem der altersbedingte Abbau recht bald Grenzen gesetzt hat.
Von der Defensive her finde ich die Zurücklehnthematik immer viel zu kurz gesprungen. Wesentlichster Teil der VK-Defensive waren seine Reflexe. Er hat versucht die Defensive nicht über die Deckung, sondern das reine Ausweichen mit Kopf und/oder Oberkörper zu gestalten. Das ist legitim und kein qualitativer Nachteil, solange die Reflexe passen. Dabei gab es mehr Bewegungsmuster als das reine Zurücklehnen. Diese Art der Defensive funktioniert auch gegen große Gegner, sofern die Beinarbeit dafür stimmt. Das war wie ausgeführt phasenweise überhaupt nicht der Fall. Es ist aber eben m. E. nicht richtig, sich für eine Bewertung nur spezifische Signature-Kämpfe herauszusuchen und anhand derer eine allgemein gültige Aussage aufzustellen. Das war der Bezug zu Furys Wallin-Kampf und damit komme ich auf auf die Richtigkeit Deiner Aussage zurück, weil die Gründe, warum beide in den genannten Kämpfen nicht so gut aussahen, in der Tat nicht vergleichbar sind.
Für mich hat in der Rückschau Fury schon im Wallin-Kampf an seiner offensiven Strategie für den Wilder-Rückkampf gearbeitet und seine Offensivstrategie ist nicht alleine der Tatsache geschuldet, dass er sich für den us-amerikanischen Markt attraktivieren wollte.