Tja normalerweise versorgt Bosnien doch immer die ehemaligen Kriegsgegner mit 12 Punkten oder? Hat mich auch sehr gewundert, dass die Balkan-Connection diesmal nicht so zog :kgz:
Für den Sieg beim ESC reichen diese Connections auch so gut wie nie, aber sie machen den Unterschied zwischen den Losern (Ländern wie Großbritannien, das quasi "nur" auf Irland und Malta bauen kann, oder eben Deutschland in vielen Jahren) und den Balkanländern, Ex-Sowjetrepubliken und skandinavischen Teilnehmern aus, die von ihren Nachbarn immer genug Punkte bekommen, um wenigstens im Mittelfeld abzuschneiden.
Die Sieger sind inzwischen meistens diejenigen, die sich vorher über die Medien am besten positioniert hatten und europaweit viele Menschen dazu brachten, sich ihre Songs bereits vor dem Wettbewerb mal anzuhören. Das ist eben eine große Stärke von Raab, denn er generiert viel Aufmerksamkeit und Unterstützung in Deutschland für seine Kandidaten, und der Presserummel schwappt oft auch ins Ausland über, so dass andere Länder sich dann auch mehr dafür interessieren, warum ein solcher Hype um diesen Künstler / diesen Song herrscht, mit viel größeren Chancen, dass man sich schon mal in den Beitrag hineingehört hat bzw. dass er für die Abstimmung besser in Erinnerung bleibt.
Für den Rest reicht die professionelle Performance: Bei Guildo Horn war es ein unvergesslicher Auftritt eines offensichtlich Verrückten, bei Raab selbst war es eine recht lustige Persiflage aller möglichen ESC-Klischees, bei Mutzke (im Vergleich dazu relativ schwach, weil er bei seinem Auftritt mit geschlossenen Augen anfangs nur wenig Eindruck machte) sprach der Song einige Liebhaber "klassischer" ESC-Auftritte an, so dass es für den 8. Platz reichte, und jetzt bei Lena kann ich zwar den Hype um den Song nicht verstehen, aber er hob sich etwas vom Rest ab (ich wusste nur nicht, ob das jetzt nach oben oder nach unten ausschlagen würde), und die Pressekonferenzen zuvor waren exzellent: Wie Raab und Lena dort mit den Reportern witzelten und sich selbst über die Akzentdebatte lustig machten, hat es auch im Ausland in manche Medien geschafft und so für Aufmerksamkeit gesorgt.
Das ist nunmal ein riesiger Unterschied zu den Ralph Siegel-Künstlern und ähnlichen Konsorten des letzten Jahrzehnts, für die sich selbst in Deutschland außerhalb eines harten ESC-Kerns niemand interessierte. Da wurde zum Beispiel auch stark die Wirkung der No Angels überschätzt, die eh schon in ihrer Hochphase außerhalb von Deutschland nicht überragend erfolgreich waren und seitdem wieder völlig vergessen wurden. Bei ihnen hat der Medienhype nur in einem einzigen Land funktioniert, denn Lucy trat in bulgarischen Shows auf, mit welchem Resultat? 12 der 14 geholten Punkte kamen aus Bulgarien.
Das sind die Mechanismen, wie heute der ESC funktioniert.