Transfers beim VfB Stuttgart
Der falsche Dreh am großen Rad
Stuttgart - Es ist nicht so, dass Christian Gross eine Revolte anzetteln würde. Unzufrieden mit der Personalpolitik des VfB Stuttgart ist der Trainer dennoch. Seit Wochen mache er sich Sorgen, sagt Gross, der zwei Spieler für das Mittelfeld verpflichten will. Passiert ist noch nichts, weil der Bundesligist genau überlegt, welche Maßnahmen mit seiner Philosophie vereinbar sind. Die beinhaltet finanzielle Seriosität und sparsames Wirtschaften. Immer wenn sich der VfB daran gehalten hat, war er erfolgreich - und wenn nicht, dann nicht.
Die Geschichte wiederholt sich. Auch im Verein gab und gibt es Stimmen, die für mehr Risiko plädieren. Dabei ist der Versuch, am großen Transferrad zu drehen, nie gelungen - schon in den 80er und 90er Jahren nicht, als der VfB nicht mit teuer eingekauften Fußballern zweimal den Titel gewann, sondern mit Spielern, die vorwiegend aus dem Talentschuppen auf dem Wasen stammten oder wie Karl Allgöwer, Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald und Walter Kelsch von den Stuttgarter Kickers ausgebildet wurden. Die Kickers sind passé, aber der Trend hat sich fortgesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Ära von Felix Magath.
Magaths teure Forderungen
Der wirtschaftlichen Not gehorchend musste der Trainer zunächst auf den Nachwuchs bauen. Mit Timo Hildebrand, Andreas Hinkel, Kevin Kuranyi und Alexander Hleb stürmte der VfB 2003 in die Champions League, was ihn wieder handlungsfähig machte. Magath stellte teure Forderungen, die mit Emanuel Centurion, Hakan Yakin, Marco Streller und Boris Zivkovic erfüllt wurden. Sie erwiesen sich als Flop - und das schöne Modell war kaputt.
Ähnlich war es zwei Jahre später, als der VfB auf dem Trainerposten ein Zeichen setzen wollte. Das hieß Giovanni Trapattoni, der ebenfalls Geld ausgeben wollte. Dabei scheiterte er - und mit ihm seine prominenten Neuzugänge Jon Dahl Tomasson und Jesper Grönkjaer. Dafür wurde der VfB 2007 Meister, mit Schnäppchen wie Pavel Pardo, Antonio da Silva, Roberto Hilbert und Ricardo Osorio sowie mit den Eigengewächsen Mario Gomez, Serdar Tasci und Sami Khedira. In der Folge war es der Trainer Armin Veh, der seine kostspieligen Vorstellungen mit Yildiray Bastürk, Ewerthon und Ciprian Marica durchdrückte. Das Ergebnis? Siehe Trapattoni, siehe Magath.
Kleine Brötchen backen
So wurden im Sommer 2008 wieder kleinere Brötchen gebacken, außer bei Khalid Boulahrouz. Dessen Verdienst war es jedoch nicht, dass der VfB erneut die Königsklasse erreichte - um auf Wunsch des Trainers Markus Babbel dasselbe zu tun wie bei Magath, Trapattoni und Veh. Dieses Mal wurde für Zdravko Kuzmanovic, Pawel Pogrebnjak und Hleb tief in die Tasche gegriffen, ohne dass es sich ausgezahlt hätte.
An Hleb zeigt sich auch das Phänomen, das den VfB seit Jahr und Tag begleitet. Er war der Liebling der Fans und sportlich unumstritten, als er zwischen 2000 und 2005 noch ein junger, aufstrebender Spieler war. Dann hat sich Hleb im Ausland behauptet - und nach der Rückkehr nach Stuttgart war alles anders als zuvor, auf dem Feld und im Verhältnis zum Publikum. Passt zum VfB also gar kein Star von außen? Muss er ihn selber entwickeln? Oder hat er bis jetzt nur keinen passenden gefunden?
Die Antwort könnte in der schwäbischen Mentalität liegen, die den VfB prägt. Wer den roten Brustring nicht im Herzen hat und dazu noch viel verdient, wird von vornherein kritischer betrachtet - was auch der Exmanager Horst Heldt moniert hat. Oder ist es Zufall, dass beim VfB fast nur Spieler den Durchbruch schafften, die entweder von der Jugend an im Club waren oder die von den Kickers kamen oder die zuvor in einer Nische tätig waren - in der zweiten Liga oder in Mexiko wie Pardo?
Weiterverkauf ohne Gewinn
Von den teuren Neuzugängen konnte schon lange kaum noch einer mit Gewinn weiterverkauft werden - im Gegensatz zu den Eigengewächsen Hleb, Kuranyi, Hinkel, Gomez und Khedira, für die der VfB seit 2005 eine Ablöse von insgesamt rund 70 Millionen Euro kassierte. Das Geld wurde zu weiten Teilen wieder in neue Spieler gesteckt. Jetzt ist Gross der Trainer. Er schließt sich seinen Vorgängern an und fordert Investitionen. Stets ist zu hören, der VfB könne mit seiner Strategie nicht mehr lange an der Spitze der Liga mithalten. Dabei war er immer genau dann am besten, wenn er sein Konzept verfolgt hat.