Die Bahn
Ich pendle seit fünf Monaten am Wochenende zwischen Hamburg und Magdeburg. Die schnellste und günstigste Verbindung führt mich dabei unter anderen durch Stendal und Uelzen. Wenn alles gut läuft, dauert die Fahrt ungefähr drei Stunden. In Uelzen wechsel ich den Zug, da der Streckenabschnitt Uelzen-Hamburg im Regionalverkehr vom Metronom organisiert wird. Normalerweise funktioniert das halbwegs und in der Regel habe ich nicht mehr als 30min Verspätung, was ich in Anbetracht von Bauarbeiten etc., die nunmal am Wochenende laufen, zu akzeptieren bereit bin.
Dieses Wochenende habe ich allerdings richtig in die ******e gegriffen. Freitag Abend betrete ich die Wendelhalle in Hamburg, schaue auf die Anzeigetafel und freue mich, dass der ME mal pünktlich abfährt. Ticket gezogen, schnell noch zum Inder, Chicken Masala eintüten lassen, im neu eröffneten Edeka mit ner Spezi bewaffnet und die aktuelle Ausgabe der Zeit (danke Aboservice) im Anschlag, habe ich mich auf ner Bank am Bahnsteig 13a niedergelassen. Durchsage: 15 min Verspätung, ohne Angabe von Gründen. Nächte Durchsage: 15-20min Verspätung. Nächste Durchsage: 20-25 Minuten Verspätung. Nächste Ansage: 25-30 Minuten Verspätung. Das ganze hat sich bis zur 45min Marke ohne die Angabe von Gründen hingezogen. Plötzlich hieß es, diese Mißgeburt von Zug fährt endlich ein. Allerdings auf Bahnsteig 13b. Das hieß, die Bahnhofshalle zu verlassen. Angestachelt durch das gut gewürzte Curry haben sich in mir die ersten Verstimmungen breit gemacht. Dann fuhr auch tatsächlich ein Metronom Express ein, allerdings an den Wartenden und mir vorbei bis hin zu Bahnsteig 13a[/B Daraufhin hat sich der Mob sichtlich verärgert auf den Rückweg in die Bahnhofshalle gemacht. Dort angekommen, erbarmt sich der zuständige Servicemitarbeiter darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um einen andere Zug handle und man doch bitte die Bahnhofshalle wieder verlassen würde. Ich glaube der Typ steht auf den Nervenkitzel von einer wütenden Meute aufgemischt zu werden.
Irgendwann fuhr das Teil dann tatsächlich Richtung Uelzen, konnte dort aber meinen Anschlusszug nicht erreichen. Also wurde mir nahegelegt, von Uelzen aus doch mal "Richtung Hannover" zu fahren und dort weiterzusehen. Nach bestaunen der niedersächsischen Diaspora bin ich dann in der überflüssigsten Stadt Deutschlands angekommen. In Hannover gabs natürlich keine Ansagen aber dank Telefonkonferenz mit Freundin, Eltern und Kumpels habe ich einen verspäteten Zug in Hannover ergattern können, der mich nach Wolfsburg gebracht hat, von wo aus ich mit dem Assi-Express durch die nicht gerade attraktive Börde gefahren bin und geschlagene zwei Stunden nach Plan tatsächlich am Zielbahnhof ankam.
Der Vogel aber wurde am Sonntag, also gestern abgeschossen. Zugausfall zwischen Stendal und Salzwedel. Stattdessen: Schienersatzverkehr. Nach Stendal gings noch mit dem Zug. Dort Umsteigen in nen Zug, der nur zu diesem Zwecke gestern eingesetzt wurde und völlig unverständlich 20 Minuten Verspätung hatte. Klar, wenn man einfach im Bahnhof rumsteht, dass sich da die Minuten im Laufe der Zeit anhäufen. Irgendwann ging es dann los und die Bahn hielt in Brunau-Packebusch. Den Ort darf man sich getrost so vorstellen, wie der Name vermuten lässt. Eine Straße, eine Laterne und ein stillgelegte Bahnhofsgebäude. Man munkelt, dass hier ein gutes Versteck für das verschollene Nazi-Gold wäre. Im strömenden Regen wurde eine 50-köpfige Gruppe also am Ende der Welt aus dem Zug geworfen. Dummerweise war da kein Bus. Nichts als Dunkelheit und Regen, der Brunau-Packebusch-Blues erfasste mich. Panisch habe ich mich telefonisch nach Unterkünften in der Nähe umsehen wollen - Fehlanzeige. Der örtliche Ameisenhaufen war wohl bereits ausgebucht. Irgendwann, nach guten 30 Minuten Brunau-Packebusch-to-its-finest kam dann ein Bus. Licht am Ende des Tunnels. Erlösung. Der Busfahrer, nennen wir ihn Radoslav, fühlte sich aber für uns nicht verantwortlich und wollte den Bahnhofsvorplatz lediglich dafür nutzen, ein Nickerchen zu machen. Klar, warum auch nicht, in diesem Kaff kann man ja eigentlich nicht gestört werden. Der Mob drohte dann jedenfalls in Anbetracht des Orkantiefs damit, Sergeijs Bus zu stürmen, was dieser mit "Ich holen Polizei" zu verhindern gedachte. Irgendwann erbahmte sich der sympathische Busfahrer mit dem Axel-Schulz-Gedächtnis-Gesicht allerdings, mal in seiner Zentrale nachzuhaken. Ergebnis: Der Bus, der den Schienenersatzverkehr erledigen sollte, ist leer nach Salzwedel gefahren. Ist ja logisch, dieser verdammte Bastard muss ja seinen Fahrplan einhalten (Erinnerung: wir waren zu spät in der Hölle Brunau-Packebuschs, weil der Zug der eigens dafür verkehrte, ohne jeden Grund später losfur), da kann man natürlich nicht auf die einzigen Fahrgäste des Abends warten. Wohl aus Angst um seine Holzrollenauflage auf seinem Fahrersitz, mit der wir ihn anderweitig verdroschen hätten, erbarmte sich Wladimir dann, uns in sein allerheiligstes aufzunehmen und sich auf halber Strecke mit dem Fahrplaneinhaltungs***** zu treffen. Nach freundlicher Verabschiedung von Igor sind wir dann in den Bus, gesteuert von einem Fahrer Marke Kinderschänder gestiegen, der uns mehr schlecht als recht in Salzwedel ableiferte.
Dort stand tatsächlich ein Zug bereit, der uns relativ schnell nach Uelzen brachte. Dort angekommen registrierte ich völlig ermüdet und verängstigt (Don't **** with Brunau-Packebusch), dass der nächste Regionalzug erst in einer halben Stunde Richtung Hamburg aufbrechen würde und dabei jede Kuhbläke in der Nähe anzusteuern gedachte. Geistesgegenwärtig verschaffte ich mir Zutritt in die bereits geschlossene Bahnhofshalle, konnte die offenbar zuständige Mitarbeiterin der DB davon abhalten, ihren Sessel zu zerfurtzen und mir schriftlich zu bestätigen, koatenlos den nächsten Fernzug Richtung Hamburg nehmen zu dürfen. Als ich mich dann, sichtlich erleichtert von ihr verabschieden wollte, warf sie mir noch hinterhir, dass sie in zwei Minuten Feierabend hätte und jetzt daher "keine Böcke mehr habe, da jetzt rüberzulaufen und denen allen einzeln zu sagen, dass sie mit dem IC fahren können", um halbwegs schnell in Hamburg oder Lüneburg anzukommen. Völlig am Ende, konnte ich mich 10 Minuten später im IC niederlassen und habe mir dort geschworen, nie wieder Spezi und Chicken Masala vor einer Bahnfahrt zu kaufen. Scheint Unglück zu bringen.
