Ich sehe das anders. Haye hat sich zunächst in einen Knebelvertrag begeben. Das ist schonmal in fast jedem Fall ziemlich bescheuert. Und nun boxt er halt national in UK rum ohne das es irgendeinen außerhalb Englands sonderlich interessiert. Da Haye wie du ja selbst anmerkst einen beträchtlichen Anteil seiner Börse an Sauerland abführen dürfte und einen weiteren beträchtlichen Teil seiner Börse an Golden Boy macht er noch nicht einmal so richtig viel Geld. Außerdem bezweifel ich auch ziemlich stark, dass er später die gleichen Konditionen bekommt. Vitali dürfte nur noch einen Kampf machen, dann gibt es schon einmal nur noch einen Klitschko. Und wenn sich jemand dann den vakanten Titel von Vitali sichert, dürfte der genauso interessant sein für Wladimir wie Haye. Sollte Haye schlichtweg ein allenfalls durchschnittlicher Boxer sein, ist es sicherlich richtig die nationale Schiene zu fahren. Sollte er aber wirklich - wie es doch so häufig behauptet wird - Weltklasse sein, macht er eigentlich alles falsch und eben nicht wie man es hier oft lesen kann alles richtig.
Dass sich Haye von Sauerking hat knebeln lassen, wirkt vor dem Hintergrund der "Knebelvorwürfe" natürlich lächerlich. In realiter hat er dadurch aber einen Gürtel und eine Verhandlungsbasis gewonnen, die er vorher nicht hatte. Man sollte ihm fairerweise auch die zweite Seite der Medaille zugestehen, ehe man auf ihn einprügelt.
Haye baut sich in England eine große Fanbase auf. Er festigt seinen Sitz. Daran ist nichts verwerflich, kann man als Altersvorsorge betrachten - und für die Kämpfe der Klitschkos interessiert sich international kein Schwein. Die beiden wurden in den Staaten sogar regelmäßig verwechselt oder von Prominenten fälschlicherweise für Profi-Wrestler gehalten. Insofern ist das, was die Klitschkos in der Schweiz oder in Deutschland abhalten, ähnlich gallisch wie das, was Haye gerade im Begriff zu tun ist.
Dass er nächstes Jahr die selben Bedingungen erhält - darauf jede (virtuelle) Wette. Die Klitschkos brauchen Haye, denn auch der deutsche Zuschauer merkt, dass man mit Sosnowski oder Johnson bestenfalls zweitklassige Leute in den Ring geholt hat - und auch der deutsche Zuschauer wird sich über die "Dominanz" der Brüder langweilen. Wie sonst soll man das krampfhafte Bemühen Wladmirs bezeichnen, seinen längst düpierten Gegner Chambers noch in der zwölften Runde wegzuhauen? Da ging es einzig und alleine darum, der unter der Oberfläche brodelnden Kritik an seiner langweiligen Zögerlichkeit ein wenig die Luft zum Atmen zu nehmen.
Die wirklich einzige sportlich interessante Option, die für beide Klitschkos noch bleibt, ist Haye. Das ist durch die medienwirksamen Aktionen des Engländers auch in das kollektive Gedächtnis der Boxgemeinschaft gesickert. Insofern mag Wladimir zwar den Nachfolger Vitalis boxen und seinen IBF-Titel pflichtverteidigen, aber für die Reputation, die Legacy und den Geldbeutel bleibt halt nur einer ungemein interessant. Und für den besteht gar keine Notwendigkeit, dem Drängen der Brüder nachzugeben. Warum auch? Weil er das Maul aufgerissen hat? Solange er geknebelt ist, werden wir von ihm ganz sicher keinen Millionenkampf mit den Klitschkos sehen.