Ich bin auch wirklich der Letzte der ein menschen- und demokratieverachtendes Regime wie die Al-Sauds in Saudi-Arabien verteidigen möchte und finde das Sportswashing einerseits sehr übel, andererseits regt mich Infantino und die FIFA mitsamt aller Klüngeleien und dreckiger Deals fast genauso auf. Dass sich Infantino die FIA wirklich zu seinem eigenen kleinen korrupten Intrigenstadl und Königreich zusammengebaut hat und er mit ALLEM durchkommt und sich wohl zweifellos auch persönlich dadurch massiv bereichert (er und andere Günstlinge), ist einfach grotesk und dass vereinsrechtlich innerhalb der FIFA nicht besser vorgegangen werden kann, ist sehr bedauernswert.
Aus Sicht Saudi-Arabiens muss man bei aller Kritik natürlich trotzdem sehen, in was für einem massiven Wandel sich das Land und die Gesellschaft in den letzten 5-10 Jahren befindet. Wie manche wissen habe ich vor 10 Jahren mal ein gutes Jahr in den VAE gelebt und gearbeitet und die VAE waren damals was Religionsfreiheit und auch generell den westlichen Lifestyle anbelangt, deutlich weiter als SA (auch wenn man dies gerne alles in einen Topf wirft). Fakt ist natürlich auch dass trotzdem in allen Golf-Monarchien die Scharia gilt und die Herrscher an der Spitze gegen freie (unliebsame) Meinungsäußerungen oder Pressefreiheit massiv vorgehen, um ihre Macht ja nicht zu gefährden. Das ist verheerend und verwerflich und für uns als westliche Demokratien keinesfalls akzeptabel.
Fakt ist allerdings auch, dass zumindest die Rechte von Frauen in SA zuletzt doch deutlich ausgeweitet wurden und es langsame kleine Fortschritte gibt. Damit will ich die Vergabe an SA wie gesagt kein Stück rechtfertigen oder gar legitimeren, aber wie schon erwähnt sehen halt Zwei-Drittel der Welt viele dieser Aspekte gänzlich anders als wir in Europa und genießen längst nicht solche Freiheiten und Rechte wie wir. Die Frage ist eben würde es tatsächlich Sinn machen und etwas ändern, wenn sich jetzt die großen europäischen Verbände tatsächlich abspsalten und auf Konfrontationskurs mit der FIFA (und damit aber auch dieser großen Mehrheit von anderen Ländern/Verbänden) gehen würden? Trägt dies zur weiteren Eskalation und Verschlechterung der Verhältnisse bei? Oder würde sich dann am System der FIFA oder gar am politischen System in anderen Ländern was ändern und verbessern?
Zudem ist der Aufschrei beim Fußball natürlich besonders groß wegen des weltweiten Marketing-Effekts, den eine WM so generiert. Aber seit Jahrzehnten werden Tennisturniere in entsprechenden Ländern ausgetragen, Schwimm oder Leichtathletikbewerbe und WMs (etc. und man könnte die Liste jetzt lange fortführen) in Ländern wie Katar, SA etc. ausgetragen und da gab es insgesamt doch relativ wenig Kritik oder mediale Äußerungen dagegen... Wo fängt man also an, wo hört man auf?
Und wie gesagt bitte bevor wer in die Tasten haut, das ist von mir ein Versuch eines etwas neutraleren Blicks auf das Ganze ohne dass es meiner persönlichen Meinung und Abneigung gegenüber der Vergabe an SA entspricht - wie schon geschrieben kritisiere ich das insgesamt auch scharf. Aber ich denke diese Aspekte muss man aus Sicht anderer Länder und Befürworter der Vergabe einfach berücksichtigen und die weltpolitischen Realitäten ein Stück weit anerkennen, wenn man eine faire Debatte führen will.
Dazu hier auch eine recht sachliche Einschätzung des Bonner Islamwissenschaftlers Sebastian Sons, der seit 15 Jahren zu den Golf-Monarchien forscht und sich mit der Thematik sehr genau auseinandersetzt:
Am Mittwoch vergibt die FIFA die Fußball-WM 2034 an das wegen seiner Menschenrechtspolitik höchst umstrittene Königreich Saudi-Arabien. Das Prozedere ...
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