Ich sehe da qualitativ wenig Unterschied zu ZDF und UBP.
Da das Forum voll von Abraham-Groupies ist, werde ich wahrscheinlich gleich gelyncht, aber Abraham könnte auch woanders unterkommen und der Rest von Sauerland/ARD ist genauso sehenswert wie das, was das ZDF uns auftischt.
Also, wenn der Ausstieg des ZDF gut für das Boxen sein soll, dann kann die ARD Ihre Übertragungen auch gleich einstellen.
Teilweise gebe ich Dir Recht, teilweise sehe ich das aber auch anders.
Viele Entscheider bei Fernsehsender hängen grundsätzlich dem Glauben an, dass "Gesichter" Zuschauer binden. Völlig überspitzt heißt das aufs Boxen übertragen: Sie glauben, Sturm, Halmich, Krasniqi & Co. binden die Zuschauer und nicht der Boxsport als solcher. So gesehen passte das "System Kohl" (der war ja auch schon vor dem ZDF nicht gerade als Risiko-Promoter bekannt war) perfekt zum Sender. Man pushte die Heimboxer gegen häufig zweit- und drittklassige Gegner und verkaufte das als großen Sport. Der Haken: dieses System funktioniert nur so lange, wie die vermeintlichen Gesichter, mit den sich die Zuschauer identifizieren, da sind. Und das ist inzwischen geändert. Krasniqi, Halmich und viele andere sind weg, und UBP und ZDF waren nicht in der Lage, Nachfolger von ähnlichem "Publikumswert" aufzubauen. Was auch nicht verwunderlich ist, denn es ist viel schwieriger, einen Boxer zu finden, mit dem sich das Publikum identifiziert, als einen guten Kampf auf die Beine zu stellen (bei dem i.d.R. das Risiko besteht, dass der Heimboxer verliert). Dabei hat man leider vergessen, dass es sich immer noch um SPORT handelt. Auch ich würde mir viel lieber eine deutsche Meisterschaft zwischen Kretschmann und Köber anschauen, als einen WM-Kampf zwischen Sturm und Sato!
Die Sicherheitsschiene zeigt sich noch in einem anderen Punkt. Man braucht nur mal die Boxer von Universum und Sauerland zu vergleichen. Universum setzt vor allem auf technisch gute Leute z.B. wie Erdei, Sturm und Alexeev, die mit entsprechendem Matchmaking zwar in der Lage sind, ganz oben mitzuboxen, aber nicht unbedingt Garanten für Gänsehaut-Unterhaltung sind. Nun würde Rudi Völler sagen: Wenn ihr Unterhaltung wollt, müsst ihr Wetten dass...? machen! Stimmt. Aber wenn man die Durchschnitts-Boxzuschauer fragt, wen sie spannender finden, Erdei oder Huck, wählen imo 90 Prozent den Käpt'n mit all seinen Ecken und Kanten! Sauerland hat das erkannt und setzt auf Leute, die technisch nicht unbedingt immer zum Zungeschnalzen sind, dafür haben sie stets den K.O. in den Fäusten, wie eben z.B. Arthur oder Marco. Da ist mehr Gespür für den Show-Aspekt inklusive Spannung vorhanden. Klar, jetzt sind wir wieder beim Punkt „Show“. Aber da die ARD ihre Hausaufgaben bei der Aufbereitung ebenfalls besser macht und die Defizite mit einem seriösen BoxSPORT-Anstrich garniert (z.B. Henry Maske als Co-Kommentar), stimmt auch der Gesamtmix!
Dann die Sache mit dem Frauenboxen. Halmich war für Kohl ein Glücksfall, den man nicht so einfach wiederholen kann. Womit ist die Frau denn so bekannt geworden? Mit ihren "großartigen" Kämpfen gegen Caples, Brown oder Taskova? Nee, durch Stefan Raab! An keinem anderen Beispiel zeigt sich so gut, wie fein man die Show- und Sportaspekte beim Boxen trennen muss. Show lebt vom ständig neuen, sich permanent steigernden Spektakel. Was ist passiert, als die Halmich abgetreten ist? Es kam z.B. Ina Menzer. Sie ist boxerisch um Längen besser als Regina und wertet den Sport zweifellos auf, wird aber nie Halmichs Stellenwert erlangen. Die Show ist weg, und übrig bleibt das "Skelett" Frauenboxen, im Falle von Ina mit einer respektablen Boxerin, die mangels Leistungsdichte im Frauenboxsport aber kaum eine Chance hat, wirklich spannende Kämpfe zu liefern. Alltag statt Exotenbonus. Der Hype ist kollabiert und das Publikum, das sich davon angezogen fühlte, zieht weiter zum nächsten Showevent und nicht zum nächsten Boxkampf!
Der Boxsport in Deutschland krankt meiner Meinung nach generell daran, dass zu wenig riskiert wird. Es gibt viele gute Boxer, aber wenig gute Kämpfe. In den Staaten gibt es den Begriff „Watercooler-Talk“ – etwas im Fernsehen war so spektakulär, dass man am nächsten Morgen auf der Arbeit darüber spricht, wenn man sich auf dem Gang begegnet. Wie viele Fights in Deutschland gehörten wohl in den letzten Jahren dazu? Abraham-Miranda vielleicht? Klitschko-Sanders? Aber sonst? Fehlanzeige! Natürlich kann nicht jeder Fight ein spektakuläres Highlight sein, aber indem man jahrelang 99 Prozent Masse und 1 Prozent Klasse raus haut, verbessert man halt auch nichts. Das ist natürlich nicht nur Schuld der Sender. Beispiel: Alle vier großen HW-Weltmeister werden in Deutschland promotet, aber kommen hier wirklich große Schwergewichtskämpfe zustande? Wohl kaum. Die unerträgliche Allianz zwischen Promoterinteressen, Titelinflationen und Verbandskungelei hat eine Ursuppe angerührt, aus der keine Evolution von frischem Boxsport mehr entstehen kann. Lähmung ist das Resultat. Und da ein Fernsehsender wie das ZDF, dessen Zuschauerdurchschnitt bei 60 Jahren liegt, kaum als Innovationskraft herhalten kann, hat die Teppichbodenabteilung lieber kapituliert und die Reisleine gezogen!
Auf Ploog & Co. kann ich auch gerne verzichten, ebenso auf den Frauenbox-Hype und endlose handverlesene „Weltklassegegner“ für Sturm und Konsorten. Aber ohne Fernsehsender sind die Promoter nichts. Und wenn einer der mächtigsten Fernsehsender Europas nicht in der Lage sind, am System zu schrauben, dann finde ich das traurig und kann auch keine Häme darüber empfinden!