Der Hobbit - Die Schlacht der fünf Heere
Pro: Toller Score, gigantische Schauwerte, ein letzter wehmütiger Ausflug ins Tolkien-Universum
Contra: der Rest
Dramaturgisch ist Die Schlacht der fünf Heere für mich leider eine absolute Vollkatastrophe.Das liegt zuallerst schlicht und ergreifend daran, dass eine dramatische Entwicklung (nachvollziehbare Plotenfaltung, Spannungsbogen, Figurenentwicklung...) trotz 144 Minuten Laufzeit im Prinzip nicht stattfindet. Erzählerisch ist der Film eine Luftnummer. CGI-Schlacht 1 (Smaugs Angriff auf Seestadt) folgt CGI-Schlacht 2 (der namensgebende Kampf der fünf Heere). Dazwischen sieht der Zuschauer einen wahnsinnigen Zwergenkönig, ein bisschen Liebelei und das "Sich in Stellung bringen" der verschiedenen Parteien. Letzteres ist mit Abstand am interessantesten. Was der Zuschauer nicht - oder zumindest kaum - sieht, ist der Hobbit. Immerhin der Titelträger des Films. Bilbo verkommt zum bloßen Stichwortgeber und Grimassenschneider. In manchen Szenen ahnt man, dass er in einer früheren Fassung des Films wohl sowas wie eine ambivalente Gestalt darstellen sollte, die zwischen allen Stühlen sitzt. In der Kinoversion bekommt er dafür aber viel zu wenig Screentime - und die verbleibende wird auch noch mies genutzt. Sogar die vermeintlich kriegsabwendende Szene, in der Bilbo den Arkenstein zu Thranduil bringt, verkommt zu einem plumpen Comic-Relief:
Thranduil: "Hahah, du bist also der kleine Schlawiner, der meinen Wachen den Schlüssel stibitzt hat"
Bilbo (lustige Grimassen schneidend): "Hihi, ja, das war ich, hihi ..."
Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen. Peter Jackson hat den Raum, die letzten paar Seiten eines Kinderbuches auf zweieinhalb Stunden Film auszuwälzen. Da sollte doch die Möglichkeit bestehen, die Motivationen und inneren Zustände der einzelnen Charaktere erfahrbar und nachvollziehbar zu machen. Das klappt aber bei Bilbo nicht - und das klappt auch bei allen anderen der eindimensionalen, holzschnittartigen Figuren nicht. Richard Armitage - also Thorin Eichenschild - bringt nicht mal im Ansatz rüber, warum aus dem grimmigen Aragorn-Verschnitt der ersten beiden Teile nun ein wahnsinniger Choleriker geworden ist. Ob Drehbuch oder Schauspieler schuld sind, weiß ich nicht. Tendenz: beide. Da wird dann in zwei Halbsätzen vom Fluch des Schatzes genuschelt, der Thorin verrückt gemacht habe. Warum aber keiner der anderen Zwerge betroffen ist, obwohl die ebenso tagelang in den Klunkern rumgewattet sind, wird nicht erklärt. Außerdem zündet die Liebesgeschichte zwischen Tauriel und Kili nicht. Überhaupt nicht. Die ist der Buchvorlage ja sowieso nur dazugedichtet worden, um der Zielgruppe der 12-jährigen Mädchen ein romantisches Aragorn-Arwen Äquivalent bieten zu können. Das wäre ja ok, wenn dieser Part denn wenigstens sinnvoll und stimmig in die Haupthandlung eingebunden wäre. Aber imo merkt man nur allzu deutlich, dass diese Love-Story einfach nur unmotiviert in den Film gequetscht wurde, um das romantische Element von der Checkliste streichen zu können. Chemie zwischen Zwerg und Elbin? Da sprühen bei Reiner Calmund und Giselle Bündchen mehr Funken.
Ansonsten gibt es zwischen den beiden Schlachten dann noch die Flucht der Menschen aus der zerstörten Seestadt in Richtung Erebor-Festung. Der Part geht für mich in Ordnung, auch wenn Luke Evans (Bard) mit dem immer gleichen durchdringenden Blick keine schauspielerische Höchstleistung zeigen muss. Die comichafte Figur des listigen Alfrid bringt in dieser Passage aber nochmal das Kernproblem der Figuren in die Schlacht der fünf Heere auf den Punkt: Zu sehr over-the-top. Flach und eindimensional. Kein Platz für Zwischentöne und Ambivalenz. In meiner Erinnerung behandelt selbst die (Kinder)buchvorlage des Hobbits ihre Charaktere differenzierter als dieser Film. Das Traurige ist: Jackson scheint dieses Problem erkannt zu haben. Er traut seinen Hauptdarstellern/den Figuren nicht zu, den Film alleine zu tragen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass an allen Ecken und Enden bekannte Gesichter wie Legolas, Saruman, Elrond und Galadriel um die Ecke lugen. Sogar der olle Sauron ist als zweiter Gegenspieler wieder mit von der Partie. Legolas, der in der Vorlage nicht vorkommt, ist sogar so etwas wie die heimliche Hauptrolle des Films. Jackson hätte imo besser seinen neuen Figuren mehr Gewicht verliehen, als den Film mit Cameos und alten Bekannten aus der Herr-der-Ringe-Trilogie retten zu wollen.
In den Schlachten kann Jackson dann aber endlich zeigen, was er so auf dem Kasten hat. Tolle Panoramaaufnahmen der Heere, schöne Choreographien. Einfach nette Schauwerte. Dabei wummert der tolle Score aus den Boxen. Wobei mir der CGI-Overkill deutlich zu viel ist. Während bei Herr der Ringe beispielsweise die Uruk-Hai alle durch Schauspieler verkörpert wurden, kommt man sich hier vor wie in einem unglaublich hübschen Videospiel. Das CGI ist stark umgesetzt - trotzdem sieht man einfach, dass es DA ist. Bei mir persönlich ist das für die Immersion eher abträglich. Smaugs Angriff auf Seestadt erinnert mich an ein technisch perfekt umgesetztes Jump n Run, das aber ohne große Höhepunkte vor sich hinplätschert. Bei der Schlacht der fünf Heere setzt dann bei mir sowas wie der Michael Bay Effekt ein. Wenn Elben in glänzenden Rüstungen, Menschen in glänzenden Rüstungen und Zwerge in glänzenden Rüstungen kämpfen, geht bei mir mitunter der Überblick verloren, wer da gerade Prügel kassiert. Legolas Sieg gegen die Schwerkraft (oder jedes andere physikalische Gesetz) fällt dagegen gar nicht mehr auf. Im Bezug auf die Schlachten ist das aber alles Meckern auf hohem Niveau. Die kann man schon so lassen. Da ist Jackson in seinem Element.
Was mir dagegen gar nicht gefallen hat, ist das Ende. Das versucht gar nicht erst, für sich zu stehen und einen eigenständigen, stimmigen Abschluss hinzulegen. Stattdessen wird krampfig versucht, einen Anschluss an die Herr der Ringe-Trilogie herzustellen. Die Endsequenz IST im Prinzip die Anfangssequenz aus Herr der Ringe. Als besonders ätzend empfand ich die Szene, in der Thranduil Legolas letzte Anweisungen erteilt:
Thranduil: "Suche im Norden nach einem Waldläufer. Er könnte ein großer und wichtiger Mann werden. Ich weiss nicht, wie er heisst, aber der Name seines Vaters lautet - an dieser Stelle eine dramatische Pause und sekundenlanges Close-Up auf Thranduils Gesicht vorstellen - ARATHORN".
An dieser Stelle sieht man imo, wie sich der Film weigert ein eigenes, sinniges, abgeschlossenes Ende zu schaffen. Sondern verzweifelt versucht, einen Anschlusspunkt an HdR zu finden. Und zwar egal, ob dieser Anschlusspunkt nun wirklich existiert, oder nicht. Denn Aragorn, auf den in der Szene angespielt wird, ist zu der Zeit, zu der der Hobbit endet, noch ein kleines Kind! Und sicher kein erwachsener Waldläufer. Das mag Fanboy-Korinthenkackerei. Ist mir trotzdem aufgefallen.
Alles in allem kann ich dem Streifen nicht mehr als 5 von 10 Punkten geben. Ein bisschen wehmütig ist man, Mittelerde endgültig verlassen zu müssen. Die Hobbit-Trilogie - insbesondere die Schlacht der fünf Heere - machen es dann aber doch relativ leicht loszulassen.