Rachel Getting Married
Es war ja zu erwarten, dass es für Anne Hathaway nach ein paar lahmen romantischen Komödien nur bergauf gehen kann. Das durchaus eine Menge Talent vorhanden ist zeigt sie in ihrer Darstellung der Kym in "Rachel Getting Married". Es ist zunächst schwierig einen Zugang zu ihrem Charakter zu finden, erst im Laufe der Zeit offenbart sich was hinter der zynischen Fasade steckt, was die Ambivalenz zwischen Unsicherheit, psychischer Labilität und dem Wunsch im Mittelpunkt des Interesses zu stehen begründet.
Stark ist der Film vor allem dann, wenn nur scheinbar beiläufige Kommentare große Krisen auslösen, wenn die mitten im Hochzeitsstress steckende und dadurch eh schon hochgradig angespannte Schwester Rachel ihre Nerven verliert und die Mitglieder dieser Familie Teile ihres angekratzten Seelenlebens offenbaren. Dies ist dazu auch in den Nebenrollen auf hohem Niveau gespielt, die zahlreichen Dialogpassagen sind differenziert ausgearbeitet und ein hohes Maß an emotionaler Spannung wird aufgebaut.
Ungewöhnlich für ein Drama dieser Art, aber aktuell wohl absolut in Mode, ist der dokumentarische Stil des Film, die überwiegend eingesetzte Handkamera. Wie sinnvoll das in diesem Fall ist muss wohl jeder für sich entscheiden, in Momenten wenn die Kamera zwischen den ganzen Hochzeitsgästen, zwischen Buffet und Band allein das Gesicht von Kym zu suchen scheint, dabei Schwenks und Zooms einsetzt, ist dieser Stil schon fesselnd. Man ist als Betrachter automatisch angehalten auch die scheibar unwichtigste Informationen aus den Nahaufnamen von Hathaways Ausdruck zu erhaschen, etwa wenn sie, abseits des eigentlichen Geschehens, ein klein wenig zu übertrieben lächelt um es auch so zu meinen.
In anderen, leider ziemlich lang gewordenen Szenen werden ohne erkennbares Ziel Hochzeitsgäste gezeigt wie sie, nun ja, eigentlich nichts machen. Ok, sie essen, tanzen wohlmöglich, sprechen in einer recht zähen Sequenz ihre Glückwünsche aus. Dennoch, viel interessanter als das Hochzeitsvideo einer völlig unbekannten Familie ist das leider nicht.
Insgesamt hat mich diese angenehm "unfertige" Momentaufnahme einer Familie aber überzeugt, auch wenn Jonathan Demme seinen Film 10-15 kürzer hätte gestalten können.
8/10
The Wrestler
Sicher schon tausendmal geschrieben, gesagt oder gedacht und immer wieder wahr: Rourke ist wie gemacht für den Film, man könnte hinsichtlich der offensichtlichen (biographischen) Parallen meinen hier hat sich Jemand gut 50 Jahre auf eine Rolle vorbereitet, sich geschunden, sein Gesicht und seinen Körper in die richtige Form gebracht um als ehemalige Ikone der 80er auch in einem Film diese Figur nicht nur zu spielen, sondern sie zu leben - "The Ram" ist Rourke und umgekehrt.
Von dieser denkbar günstigen Grundvoraussetzung abgesehen erfüllt auch Marisa Tomei ihre Aufgabe als weibliches Pendant gut. Das ihr Charakter beinah zu nah am Klischee wandelt stört dabei nicht.
Der "realistischen", oft mit leisen ironischen Zwischentönen angereicherten Inszinierung ist es zu verdanken, dass die vordergründige Gefahr - eine grundsätzlich starke Charakterstudie durch den Rührseligkeitskleister zu verkleben - auf geniale Weise ausgehebelt wird. In einer immer nah am Geschehen bleibenden Kamera hat Rourke alle Freiheiten, der dokumentarische Anstrich der Geschichte mündet, noch eindrucksvoller als bei "Rachel Getting Married", in einer sogartigen Wirkung auf den Zuschauer.
Das die Vater-Tochter-Beziehung etwas erzwungen und oberflächlich abgehandelt wirkt ist dann auch nicht mehr so wichtig, mit seinem tollen Drehbuch, der einfallsreichen Ausstattung (wunderbar wirken "Relikte" wie VHS Bänder alter Kämpfe oder eine Nintendo-Konsole hier) und zahlreichen popmusikalischen Referenzen ist Aronofskys "The Wrestler" vor allem eins: extrem unterhaltsam. 8.5/10
"Let the Right One in" ("So finster die Nacht")
Ein gewisses Faible für die Skandinavier und ihre Filme wäre schon nicht schlecht. Denn wenn man sich auf das Tempo einlassen kann und die wohl bedrückenste Atmosphäre in einem "Beinahe"- Liebesfilm (ein fast leeres und kalt ausgeleuchtetes Hallenschwimmbad bei Nacht ist dabei fast noch am optimistischsten) "erträgt" kann man einen Film genießen, der, ohne das man ihn so leicht einordnen oder umschreiben könnte, ziemlich außergewöhnlich ist. Ein Film, in dem Worte weit weniger Bedeutung haben als Bilder.
Außergewöhnlich weil das Vampirdasein oft als brutal realistisches Leid portraitiert wird, weil existenzielle Probleme und Ängste (mehr oder weniger) zwölfjährige Kids auszubaden haben, die dazu noch dabei sind jeglichen Bezug zu ihrer Welt zu verlieren und außergewöhnlich auch weil nach der Romanvorlage von Lindqvist ein filmisches Drama entstand, was auf gewisse Art real wirkt, aber in der melancholichen und spröden Abgeklärtheit seiner jungen Protagonistin ebenso unbegreiflich scheint. Nach der, natürlich kaum vergleichbaren, Twilight-Enttäuschung jedenfalls eine positive Überraschung in einem Sub-Genre, das seit einiger Zeit schwächelt. 7.5/10
"Dance of the Vampires (The Fearless Vampire Killers)" (1967)
Welch unterschiedliche Rollen Vampire in einem Film einnehmen können sieht man dann wohl an diesem Extrembeispiel, an Polanskis erstem größeren Projekt "Tanz der Vampire".
Natürlich ist die Dichte gelungener Slapstick Einlagen durchweg hoch, so richtig Fahrt nimmt der Film aber erst nach 40 Minuten, Abronsius und Alfred erreichen das Schloss des Grafen Krolock (ein ganz und gar toller Vampircharakter), auf.
Das Wichtigste und Unterhaltsamste an diesem Film, das Zusammenspiel von MacGowran als zerstreuten Professor wie er im Buche steht und seinem Assistenten, gespielt von Polanski selbst, kommt erst hier so richtig zur Geltung.
Irgendwie hatte ich aber ab und an Probleme Abronsius in seinem dahergenuschelten Dialekt (?) zu verstehen, sonst hätte es eventuell noch zu einem Tick mehr als 6.5/10 gereicht.
Mittlerweile ne Woche her ist auch schon wieder folgener Film:
"Tokyo!" (2008) (eventuell Spoiler-Gefahr)
Drei voneinander unabhängige Episoden von zum Teil recht angesehenen Regisseuren, die neben dem Einbinden einer grotesken, zumeist metaphorisch gemeinten (Ausgangs)Situation in die "alltägliche" Welt eigentlich nur gemeinsam haben, dass sie, welch Überraschung, in Tokyo spielen.
Während bei Michael Gondrys "Interior Design" die Auflösung der Story im Mittelpunkt steht - eine Frau, entfremdet vom einstigen Lebensgefährten und sowieso recht ziellos im Leben, wird unfreiwillig zum Möbelstück, kommt damit aber ganz gut klar - ist bei Episode #2 (Julian Carax: "Merde") die Sache etwas verzwickter. Hier steht ein Mann names Merde (frz.: "shit") im Vordergrund. Wobei dieser Mann eher zu einem ziemlich misanthropischen Monster geworden ist, welches in der Kanalisation lebt, ab und an mit seinen Handgranaten durch die Stadt wütet und, nachdem die Polizei ihn stellt auch wichtig: Nur von zwei Menschen auf der Welt überhaupt verstanden werden kann.
Die letzte Episode finde ich persönlich am schwächsten, hat aber auch durchaus die eine oder andere einfallsreiche Idee auf Lager. "Tokyo!" ist im Prinzip recht kurzweilige Unterhaltung, die in einigen Momenten vielleicht sogar etwas viel gesellschaftliche Botschaft übermitteln will, durch ein hohes Maß an künstlerischer und erzählerischer Kreativität allerdings durchaus zu punkten weiß. 7/10