Ich frage mich grad, ob es sich nicht mittlerweile herumgesprochen hat, dass ich mir kaum merken kann, wer im Vorjahr die VST gewonnen hat. Wie soll ich da Gegebenheiten von vor 5 Jahren und früher rekonstruieren
Zudem hatte ich 2010 mein Skisprung-Sabbatical. Ich kann da leider wirklich keine Aussage mehr über ein allgemeines Niveau um 2013 herum treffen oder welches Material da genau wie vorhanden war. Aber ich gehe mal auf die Punkte ein, die du explizit nennst. Alles, was Benjamin schon ergänzend genannt hat, würde ich so unterschreiben. Es war tatsächlich eine Zeit, in der die Konkurrenz noch etwas auf der Suche nach dem richtigen Weg war - oder schon über dem Zenit.
Ich hatte die Einführung des gebogenen Bindungsstabes als einen bedeutenden Faktor genannt, weil die flache Skiführung ja vorher einer seiner ganz großen Vorteile war und der ihm praktisch damit genommen wurde. Dass er 2011 als einziger der Spitzenleute noch mit dem alten Bindungssystem die WM gesprungen ist und damit Weltmeister wurde, spricht aber tatsächlich dafür, dass die Konkurrenz daraus zu dem frühen Zeitpunkt noch nicht viel machen konnte. Es ist, oder war, aber halt auch nur ein Faktor.
Was die Anzüge angeht, kann ich nur mutmaßen, dass er mit engen Anzügen und damit weniger Fläche möglicherweise weniger Probleme hat als manch anderer, weil er das durch ein übermäßig gutes Bewegungsempfinden kompensieren kann. Der Junge ist ein kleines kinästhetisches Wunder. Ich habe noch nie einen Sportler erlebt, der jede noch so minimale Bewegung spüren und kontrollieren kann, wie er. Ich gehe davon aus, dass das beim Skispringen eine nicht zu unterschätzende Gabe ist und umso mehr zum Tragen kommt, je weniger Hilfestellung man durch das Material erfährt.
Bei den Meisterschaften hat er, wie auch Kraft, ein wenig was ausprobiert. Aber ich glaube auch einfach, dass die Tagesform an beiden Tagen nicht optimal war. Zudem kam er gerade aus einem recht straffen Kraftblock neben den Lehrgängen mit der Mannschaft. Hat wohl auch die Spritzigkeit etwas gefehlt. Glaube nicht, dass man das überbewerten sollte. Was ich die ganze letzte Zeit im Training gesehen habe, war technisch und auch rein von der Weite der Sprünge her ne andere Liga. Einzig die Konstanz hat da noch etwas gefehlt. Die kommt aber oft auch parallel mit der Sicherheit. Und daher hoffe ich, dass es in Wisla einfach schon mal ordentlich läuft. Mit einem guten Start in die Saison traue ich ihm schon einiges zu. Aber das Vertrauen in die eigene Stärke und die eigene Technik ist wichtig, um die Sprünge einfach mal laufen zu lassen.
Was das normale Leben angeht, da hat er gar keine Probleme. Das Skispringen ist ja schon ne Extremsituation. Wenn man sich allein die Anfahrt bewusst macht. Man muss auf Ski, mit denen man nur an den Zehen fix verbunden ist und hinten einfach mal komplett frei draufsteht, eine Eisspur mit einer solchen Steigung bewältigen, und das möglichst gleichmäßig und ausbalanciert, damit keine Geschwindigkeit verlorengeht. Vom Sprung selbst mal ganz abgesehen, ist das schon extrem.
Alles an "normalen" Tätigkeiten ist gar kein Problem. Selbst mit ner Slackline oder so einem Zeug kommt er klar - und das sehr viel besser als ich, wobei ich als Reiter jetzt durchaus auch Körpergefühl und Balance habe. Denke nicht, dass er für das private Leben jemals Neuroathletik machen muss. Selbst wenn die Kompensationsstrukturen nicht mehr genug Power haben, um so eine Extrembelastung wie beim Skispringen abzufangen, reichen sie auf jeden Fall für das normale Leben.