Teil 3 - zwei tiefschlafende Riesen und ein Underdog
1. FC Nürnberg
Schon vor dem Start in die letztjährige Saison gab es beim Club Unruhe. Der belgische Spitzenverein RSC Anderlecht hatte ein Auge auf Rene Weiler geworfen und so musste Nürnberg kurz vor Vorbereitungsbeginn einen neuen Trainer aus dem Hut zaubern. Mit Alois Schwartz, der zuvor in Sandhausen hervorragende Arbeit leistete, hatte man einen sehr guten Nachfolger für Weiler gefunden - dachte man. Doch Schwartz und Nürnberg fanden irgendwie nie wirklich zusammen. Am 3. Spieltag gab es eine 1:6 Klatsche in Braunschweig, der drei weitere Niederlagen und der Absturz auf Platz 18 folgten. Durch vier Siege gelang zwar der Sprung in die obere Tabellenhälfte, aber dort konnte man sich nicht wirklich festsetzen und verharrte im Tabellenniemandsland. Nach drei Zu-Null-Niederlagen wurde Schwartz am 23. Spieltag entlassen. Sein Nachfolger Michael Köllner konnte zwar verhindern, dass der Club in ernste Abstiegsgefahr gerät, aber ein wirklicher Schritt nach vorne war nicht zu erkennen. Will Köllner langfristig beim Club bleiben, muss mehr kommen als ein Punkteschnitt von 1,18 Punkten. Besonders zuhause drückt der Schuh - mit 21 Punkten und acht Niederlagen kann man nicht zufrieden sein.
Verlassen haben den Verein die beiden Leihspieler Shawn Parker und Tim Matavz. Parker ist kein großer Verlust, aber mit Matavz fehlt immerhin der zweitbeste Torschütze der abgelaufenen Saison. Mit fünf Toren hält er aber einen gehörigen Sicherheitsabstand zu Guido Burgstaller, der in einer Halbserie 14mal für den Club netzte. Tobi Kempe kehrt nach nur einer Saison zurück nach Darmstadt. Ebenfalls nicht mehr Teil des Nürnberger Kaders sind die beiden Innenverteidiger Dave Bulthuis und Even Hofland. Hofland wurde nach dem Trainerwechsel kaum berücksichtigt, Bulthuis dagegen war auch unter Köllner Stammspieler. Das Kapitel Nürnberg ist für Linksverteidiger Constantin Djakpa nach wenigen Monaten auch schon wieder beendet. Apropos beendet, Raphael Schäfer hat im Sommer seine Schuhe an den Nagel gehängt. Sportlich ist der Abgang verkraftbar, da Schäfer nicht mehr Stammkeeper war und mit Fabian Bredlow ein vielversprechender junger Torwart verpflichtet wurde, aber als Führungsspieler wird Schäfer fehlen. Ansonsten ist noch erwähnenswert, dass man Kutschke, der in Dresden zum Torjäger mutierte, für 1,5 Millionen an Ingolstadt verkauft hat. Diese Einnahme erhöht die Chancen, dass die Clubberer kurzfristig keinen weiteren Leistungsträger abgeben müssen.
Mit Adam Zrelak gönnt man sich einen neuen Mittelstürmer für eine Million. Angesichts seiner ausbaufähigen Torbilanz in der slovakischen Liga (25 Tore bei gut 100 Einsätzen sind jetzt nicht so überragend) und der Tatsache, dass er in der letzten Saison durch gleich zwei schwere Verletzungen nur fünf Ligaspiele in Tschechien machen konnte, muss man sich aber fragen lassen, ob es da nicht bessere und gleichzeitig günstigere Alternativen gegeben hätte. Mit Ewerton (s.o.) und Sebastian Kerk hat man für zwei weitere Neuzugänge vergleichsweise viel auf den Tisch gelegt - zusammen belaufen sich die Ablösesummen auf 1,3 Millionen. Im Gegensatz zu Zrelak weiß man hier aber, was man bekommt. Ewerton war Teil der starken Kaiserslauterer Defensive und Kerk hat in der Saison 2015/16 als Leihspieler beim Club durchaus ansprechende Leistungen gezeigt. Hier dürfte das Fehleinkaufrisiko deutlich geringer sein. Mit dem Österreicher Lukas Jäger hat man zudem eine Alternative für die Innenverteidigung und das defensive Mittelfeld verpflichten können. Zurück in seine Geburtsstadt wechselt zudem Außenverteidiger Enrico Valentini, der beide Seiten bespielen kann, beim Club aber in erster Linie als Rechtsverteidiger zum Einsatz kommen dürfte. Enis Alushi kehrt nach einem durchwachsenen halben Jahr in Israel zurück. Ob man den Streit, den es aufgrund einer Länderspielreise gab, kitten kann? Wenn ja, dann hätte man eine weitere gute Option fürs zentrale Mittelfeld.
Prognose: Die Transfers haben mit einer Ausnahme Hand und Fuß. Was man sich aber bei Zrelak gedacht hat, bleibt für mich ein Rätsel. Eine Million sind für die meisten Zweitligisten viel Geld und für die klammen Nürnberger gilt dies sogar noch mehr. Da musst du für die Summe die Garantie haben, dass da zu 99% zehn oder mehr Saisontore am Saisonende stehen. Dass das bei Zrelak eintrifft, erscheint zweifelhaft. Es droht eine weitere verlorene Saison im Niemandsland. Platz 11.
Fortuna Düsseldorf
Die Formkurve der Fortuna aus Düsseldorf ging in der letzten Saison kontinuierlich in die falsche Richtung. War die Hinrunde mit 25 Punkten und Platz 8 noch ordentlich, näherte man sich, je näher das Saisonende kam, der bedrohlichen Tabellenzone an. Am 31. Spieltag hatte man nur noch drei Punkte auf einen direkten Abstiegsplatz und angesichts der anhaltenden Formkrise wurden die Abstiegsängste immer größer. Das anschließende 1:1 gegen den Rückrundenletzten Würzburg kam er glücklich zustande (Schauerte traf erst in der 90. aus gut 40 Metern zum Ausgleich - mit gütiger Mithilfe des Würzburger Torhüters) und konnte das Abstiegsgespenst nicht vertreiben. Als der Nürnberger Möhwald am vorletzten Spieltag eine Viertelstunde vor Schluß zum 2:2 ausglich, sah es so aus als würde dieses Schreckgespenst noch mindestens eine weitere Woche in Düsseldorf verbleiben und es am letzten Spieltag zu einem Endspiel gegen den direkten Konkurrenten Erzgebirge Aue kommen. Doch dann kam die große Stunde von Alexander "Fußballgott" Madlung. Dieser köpfte den Ball nach einer Ecke aufs Tor, Sabri fälschte den Ball ab, es stand 3:2 für die Rheinländer und man war de facto gerettet. Es ist davon auszugehen, dass in Düsseldorf in naher Zukunft der Name Alexander zu den beliebtesten Babynamen gehören wird - und damit meine ich bei Jungen und Mädchen. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass man so lange zittern musste? In erster Linie ist hier die Heim- und Abschlußschwäche zu nennen. Wenn sich im heimischen Stadion die Fans von den Sitzen erhoben, dann wahrscheinlich um zum Pinkeln zu gehen, denn mit 19 Heimtoren war die Ausbeute der Mannschaft unterdurchschnittlich.
Das muss sich ändern, denn man wird sich in dieser Saison nicht darauf verlassen können, dass Madlung die Fortuna wieder im Alleingang vor dem Abstieg bewahrt. Der zweimalige Nationalspieler hat seine Karriere nämlich beendet. Ebenfalls den Verein verlassen haben Ersatztorwart Lars Unnerstall, Christian Gartner und die beiden Leihspieler Ferati (s. Aue) und Kevin Akpoguma, der sich in der Rückrunde schwer verletzte und hoffentlich bald wieder auf dem Platz stehen wird - dann aber im Trikot von Hoffenheim.
Teil des Düsseldorfer Kaders bleiben dagegen Rouven Hennings (mit neun Treffern bester Schütze der abgelaufenen Saison) und Andre Hoffmann. Beide waren in der letzten Saison schon per Leihe an die Düsseldorfer gebunden. Hennings wird mit Navard Nielsen einen neuen Sturmpartner bekommen. Dass man die Offensive als größte Schwachstelle ausgemacht hat, zeigt auch die Verpflichtung eines weiteren Mittelstürmers. Aus Gent kommt mit Emir Kujovic eine ziemliche Kante. Der 1,94 m große Schwede hat aber praktisch in der letzten Saison nicht gespielt und wird erstmal mit Kurzeinsätzen leben müssen. Neuer Ersatztorwart wird Raphael Wolf und Nico Gießelmann (Fürth) soll die Abwehr verstärken. Gießelmann kann auf der Außenbahn zum Einsatz kommen, könnte aber auch den linken Verteidiger in einer Dreierkette geben. Dazu hat die Fortuna zwei sehr interessante Leihspieler verpflichtet. Florian Neuhaus hat in den letzten Jahren bei 1860 sein Talent schon angedeutet, der Schritt zu Borussia Mönchengladbach wäre aber wohl zu groß gewesen und so soll der zentrale Mittelfeldspieler in Düsseldorf weitere Spielpraxis und Erfahrung sammeln. Dies gilt auch für den kroatischen Jugendnationalspieler Davor Lovren, der einen Vertrag bei Dinamo Zagreb besitzt und vornehmlich auf den offensiven Außenpositionen zuhause ist. Hier geht die Leihe sogar über zwei Jahre, zudem besitzt man eine Kaufoption.
Prognose: Die Einkäufe zeigen, dass man aus der letzten Saison gelernt hat, die Offensive verstärken und unabhängiger von Rouven Hennings werden möchte. Nielsen sollte dort helfen, wobei man da - aufgrund der fehlenden Praxis - eine längere Anlaufphase einkalkulieren sollte. Madlung fehlt natürlich an allen Ecken, aber dennoch wird man diesmal eine konstantere Runde spielen, die an die letzte Hinrunde anknüpft. Platz 10.
SV Sandhausen
Seit Jahren abgeschrieben, entpuppt sich Sandhausen Saison für Saison als gallisches Dorf, das die Großen ärgert und ihnen am Saisonende die lange Nase zeigt. Mit Start der Saison geht man in die sechste Saison in der zweiten Liga und wenn man weiterhin so gut arbeitet, stehen die Chancen nicht schlecht, dass noch viele dazu kommen. Dabei stand auch die vergangene Saison unter keinem guten Stern. Wie weiter oben ausgeführt, wechselte Alois Schwartz, der die Sandhäuser in der Saison 2015/16 trotz Punktabzug souverän zum Klassenerhalt führte, unmittelbar vor Vorbereitungsbeginn. Sein Nachfolger wurde Kenan Kocak, zuvor bei Waldhof Mannheim verantwortlich an der Seitenlinie. Der Start in die Saison war mehr als holprig und so sahen sich die ganzen Wahrsager, die jedes Jahr den Absturz prognostizieren, in ihrer Meinung bestätigt, dass es diesmal aber wirklich nichts mehr mit dem Klassenerhalt werden würde. Wie jedes Jahr irrten sie und Sandhausen krabbelte aus dem Tabellenkeller. Am 19. Spieltag stand man gar auf Platz 6 und hatte Tuchfühlung mit den Aufstiegsrängen. Im weiteren Verlauf der Rückrunde kam ein kleiner Einbruch, aber man geriet quasi nie in ernste Abstiegsgefahr.
Die kommende Saison wird man ohne Thomas Pledl bestreiten. Pledl, der mit sieben Vorlagen bester Vorlagengeber der abgelaufenen Saison war, kehrt nach Ablauf der Leihe zu Ingolstadt zurück. Weniger ins Gewicht fallen die weiteren Abgänge. Nach einem eher enttäuschenden Jahr wechselt Jakob Kosecki zurück in seine polnische Heimat. Dort wird er auch auf seinen ehemaligen Teamkollegen Daniel Lukasik treffen, der nach einem Jahr wieder zu seinem Stammverein Gdansk zurückkehrt. Die Abwehrspieler Daniel Gordon und Moritz Kuhn schließen sich mit Karlsruhe bzw. Wehen Wiesbaden zwei Drittligavereinen an. Marco Thiede und Taner Yalcin müssen dagegen zusehen, überhaupt einen neuen Arbeitgeber zu finden.
Bei den Neuzugängen bleibt der SV Sandhausen seiner Linie treu. Seit Jahren hält man die Augen insbesondere in der 3. Liga und den Regionalligen offen und konnte so manchen guten Griff machen. Mit Ali Ibrahimaj und Marcel Seegert bedient sich Kocak gleich zweimal bei seinem Ex-Verein Waldhof Mannheim. Aus der aufgelösten Zweitvertretung von RasenBallsport Leipzig kommt Rechtsverteidiger Ken Gibson ins Hardtwaldstadion. Mit Robert Herrmann konnte man sich zudem jemanden sichern, der die letzten Jahre bei Wolfsburg II in der Regionalliga Nord auf sich aufmerksam machen konnte - 14 Vorlagen in der letzten Saison. Leider hat sich Herrmann den Mittelfuß gebrochen, so dass er erst in ein paar Wochen auf den Platz zurückkehren kann. Noch länger wird es bei Mirco Born dauern. Der ehemalige Meppener hat sich das Kreuzband gerissen und wird vermutlich erst nach der Winterpause zurückkehren. Marcel Schuhen kommt von der Ostseeküste und wird den Ersatztorwart hinter Marcel Knaller geben. Bei Nejmeddin Daghfous ging wie bei nahezu allen Würzburgern in der Rückrunde nicht mehr viel, aber als flexibler Außenspieler soll er zusammen mit Leihspieler Eroll Zejnullahu (Union Berlin) die Lücke, die Pledl im Offensivspiel hinterlässt, schließen.
Prognose: Sandhausen agiert auf dem Transfermarkt wieder sehr überlegt. Die langwierigen Verletzungen von Born und Herrmann sind ärgerlich, aber verkraftbar. Der Abgang von Pledl tut weh, aber Daghfous sollte im funktierenden Kollektiv wieder besser zurechtkommen und an seine Vorrundenform anknüpfen können. Zejnullahu dürfte die Luftveränderung auch gut tun und sein Spiel effektiver werden. Die Vertragsverlängerung von Wooten ist ein kleiner Coup und mit Höler und Sukuta-Pasu ist man vorne gut aufgestellt. Dies gilt auch für die Defensive. Es winkt die beste Platzierung der Vereinsgeschichte. Platz 8.