tennisnet: Herr Haider-Maurer, vor wenigen Tagen gaben Sie Ihren Rücktritt vom Profitennis bekannt. Wie fühlt es sich an?
Andreas Haider-Maurer: Es ist ein Schritt, der einem sehr schwer fällt. Ich musste seit 2015 viele Rückschläge hinnehmen und habe es lange probiert. Aber mir geht es gut mit der Entscheidung, denn ich weiß, dass es die richtige ist, auch wenn es weh tut.
tennisnet: Ihr Körper machte eine Fortsetzung Ihrer Karriere unmöglich. Haben Sie auch im Alltag Schmerzen?
Haider-Maurer: Im Alltag habe ich keine Probleme. Wenn ich aber an meine Grenzen gehe und hart trainiere, brauche ich schnell ein paar Tage Pause zur Regeneration. Das ist mit einem normalen Leben auf der ATP-Tour nicht vereinbar.
tennisnet:
Im Interview vor etwas mehr als einem Jahr haben Sie detailliert über Ihre komplizierte Fersenverletzung gesprochen. Damals hatten Sie aber auch zugegeben, einige Matches unter Schmerzen bestritten zu haben. Waren das schon die ersten Vorboten auf ein Karriereende?
Haider-Maurer: Der Fuß ist sehr gut verheilt. Unter der Saison waren einige Partien dabei, die auch völlig schmerzfrei verliefen. Wenn man aber merkt, dass man mehr Zeit in der Therapie als auf dem Tennisplatz verbringt, ist es ein mühsamer Weg. Im Verlauf des Jahres ist es dann leider nur viel schlechter geworden, deshalb war der Schritt notwendig. Es ist bitter, dass meine Karriere eigentlich mit 28 Jahren beendet war. Viele Herren sind mit Ende 30 noch auf der Tour aktiv.
tennisnet: Gab es im Jahr 2018 trotz Protected Rankings auch deshalb nur wenig zu holen?
Haider-Maurer: Ich hatte einige gute Partien dabei. Der Großteil verlief aber frustrierend, auch weil mir der Aufbau durch regelmäßiges Training fehlte. Ich war es immer gewohnt, mit einem guten Gefühl und aus einer soliden Saisonvorbereitung heraus zu spielen. Ich konnte aber schon im Training nicht an meine Grenzen gehen und dort Selbstvertrauen aufbauen.
tennisnet: Gab es ein bestimmtes Match, in dem Ihnen klar wurde, dass der Rücktritt der richtige Schritt ist?
Haider-Maurer: Man will es lange nicht wahr haben und redet sich selbst ein, dass es besser wird. Bei meinem letzten Challenger-Turnier in Banja Luka gewann ich die erste Quali-Runde souverän (6:3, 6:4 gegen Mikhail Balmashev, Anm.). Am nächsten Tag wusste ich aber gar nicht mehr, wie ich auf den Platz gehen soll. Die Partie war ein wirklicher Krampf, und die Schmerzen waren größer als alles andere. Ich habe das Match verloren (4:6, 6:7 gegen Andrea Vavassori, Anm.), obwohl ich sie normalerweise gewinnen hätte müssen. Das ist auch für den Kopf sehr schwer, solche Situationen ärgern einen Sportler besonders. Nach dieser Partie war klar: Es macht keinen Sinn mehr.
tennisnet: Ihre Fersenverletzung von 2015 mussten Sie operativ behandeln. Sie sprachen von einer 50:50-Wahrscheinlichkeit, dass diese erfolgreich verlaufen würde. Ähnliches steht nun Andy Murray mit seinen Hüftproblemen bevor. Was würden Sie ihm raten?
Haider-Maurer: Er spürt anscheinend, dass es ganz schwer wird, seine Schmerzen wieder in den Griff zu bekommen. Sonst hätte er vor seinem tollen Match gegen Roberto Bautista-Agut nicht seinen Rücktritt erklärt. Im Training merkt man, ob Schmerzen kurzfristig zu lösen sind, oder chronische Probleme bereiten. Er kennt seinen Körper genau und wird dieses Gefühl auch haben.
tennisnet: Wie sehr schmerzt es, mit Österreich nicht mehr in der Davis-Cup-Weltgruppe spielen zu können?
Haider-Maurer: Der Davis Cup war immer eine Riesen-Sache. Es ist aber nicht nur der Davis Cup, der abgeht. Ich stand in den Top-50, das war ein großes Ziel von mir. In jener Saison ließ ich aber auch einiges liegen, da wäre noch viel mehr möglich gewesen. Dennoch bin ich auf meine Karriere sehr stolz.
tennisnet: Stehen Sie in Kontakt mit Österreichs Topspielern?
Haider-Maurer: Ich habe mich sehr über einige Nachrichten zu meinem Rücktritt gefreut. Ich beobachte auch alle Spiele der Kollegen, man lebt richtig mit. Dazu gibt es natürlich auch weiterhin einen Austausch.
tennisnet: Dominic Thiem machen weniger Verletzungen sondern vielmehr seine Gesundheit zu schaffen. Wie beurteilen Sie seine Situation?
Haider-Maurer: Aus der Ferne ist es sehr schwer zu beurteilen. Wir dürfen nicht vergessen: Es war gerade einmal ein Match, in dem er körperliche Probleme hatte. Normalerweise zählt Dominic zu den fittesten Spielern der Tour. Deshalb kam die Aufgabe auch etwas überraschend, aber sein Team wird die Situation genau analysieren. Wir dürfen dieses eine Match nicht überbewerten.
tennisnet: In Ihrer Karriere gab es einige Highlights. An welche erinnern Sie sich besonders gerne?
Haider-Maurer: Gegen Djokovic in der Night Session der US Open zu spielen, bleibt von der Größe des Stadions her unerreicht. Besonders emotional war der Weg ins Finale in der Wiener Stadthalle. In der ersten Runde spielte ich gegen Thomas Muster, und zum ersten Mal in meiner Karriere vor so vielen Zuschauern. Mir fallen noch zwei weitere Matches ein.
tennisnet: Erzählen Sie uns bitte davon.
Haider-Maurer: In Monte Carlo bezwang ich Bernard Tomic mit 6:4 im dritten Satz und stand damit fix in den Top-50. Es war eine Druck-Partie, die ich nie vergessen werde. In Kitzbühel 2015 kassierte ich eine ganz bittere Niederlage gegen Dominic, wo ich im dritten Satz schon mit 4:1 führte. Auch wenn das Ergebnis unglücklich war: Die Stimmung war phänomenal. Das fühlt sich auch noch gar nicht so lange her an.
tennisnet: Sie planen derzeit an einer Tennisakademie in Tirol. Haben Sie bereits als Trainer gearbeitet?
Haider-Maurer: Es ist etwas Neues, ich muss noch Fuß fassen. Mein großer Vorteil im Umgang mit Top-Spielern ist, viel Erfahrung aus meiner Profi-Karriere mitnehmen zu können. Wo ich mich noch einarbeiten muss, ist der Bereich mit jungen Talenten, die erst herangeführt werden müssen.
tennisnet: Gab es schon Kontakt mit dem ÖTV oder dem Tiroler Tennisverband?
Haider-Maurer: Dafür ist es noch zu früh. Es befindet sich vieles noch in Planung, ich arbeite mit meinem früheren Coach, Daniel Huber zusammen. Es wird bestimmt ein super Projekt.
tennisnet: Wo genau wird diese Akademie gebaut?
Haider-Maurer: Den Standort möchte ich noch nicht verraten, aber er wird in den nächsten Wochen, wenn alles ausverhandelt ist, bekannt gegeben.
tennisnet: Wie sieht die Tennis-Infrastruktur im Westen Österreichs aus?
Haider-Maurer: Hier sehen wir eine große Chance. Ein Stützpunkt hat sich in den letzten Jahren noch nicht wirklich etabliert. In Vorarlberg gibt es zwar durchaus Potenzial, aber ich finde, im Westen besteht großer Aufholbedarf.
tennisnet: Nach einigen Wochen der Vorbereitung: Wie groß ist die „Konkurrenz“ aus dem Wintersport?
Haider-Maurer: Keine Frage, der Wintersport ist im Westen die klare Nummer eins. Aber ich sehe es positiv, denn es ist eine große Sportbegeisterung vorhanden. Wenn man in die Tennishallen blickt, merkt man: An der Nachfrage scheitert es nicht. Ich will mich auch nicht als Gegenangebot zum Wintersport verstehen.
tennisnet: Verfolgen Sie die Matches der Tour?
Haider-Maurer: Während meiner Leidenszeit gab es hin und wieder Momente, wo ich Tennis im Fernsehen vermieden hatte. Heute und vor allem jetzt zu einem Grand Slam sehe ich mir aber sehr viele Matches an.
tennisnet: Dann liegt die letzte Frage auf der Hand: Wer gewinnt die Australian Open?
Haider-Maurer: (überlegt) Mein Tipp ist Petra Kvitova. Bei den Herren hoffe ich auf Rafael Nadal.