Hier ein sehr guter Artikel zum Thema und zu Armstrongs "Verteidigungsstrategie":
Armstrong baut seine Verteidigungslinien - Ein texanischer Held gegen die bösen Franzosen
LOS ANGELES/BERLIN, 25./26.08.05 (rsn) - Der Tour de France-Sieger 1999 soll EPO genommen haben! Schockierend - schockierend! - fanden das die europäischen Zeitungen. Auch solche, die seit einem halben Jahrhundert jedem halbwegs erfolgreichen Radrennfahrer automatisch Doping unterstellten. In den USA reagierten die Medien dagegen von Beginn an höchst skeptisch auf die Enthüllungen der Pariser Sportzeitung L'Equipe. Lance Armstrong, der zunächst nur mit einer lakonischen Pressemitteilung auf die Berichte reagierte, hilft das. Der siebenfache Toursieger hat seine Verteidigungslinien inzwischen in Stellung gebracht. Tenor: Die bösen, neidischen Europäer wollen bloß einmal mehr einem amerikanischen Helden ans Zeug flicken.
Nachdem die Sportzeitung L'Equipe in ihrer Dienstagsausgabe berichtete, dass in Armstrongs Urinproben von der Tour de France 1999 bei angeblich nur zu wissenschaftlichen Zwecken nachträglich durchgeführten Untersuchungen im letzten Jahr EPO-Spuren gefunden wurden, hüllte sich Armstrong zunächst in Schweigen. Und - ganz im Gegensatz zu den europäischen - überschlugen sich die amerikanischen Medien nicht gerade. Es dauerte bis zum Nachmittag nach Ostküstenzeit, bis überhaupt die ersten zaghaft vorgetragenen Meldungen auf den großen Sportsendern wie ESPN auftauchten. Die US-Zeitungen am Mittwochmorgen behandelten das Thema auch nicht wie eine Bombe, während etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Armstrong-Story auf der ersten Seite mit Bericht und Leitartikel laufen ließ. In den USA wartete man lieber; einem Pariser Sportblatt, das seit Jahren kritisch über Armstrong berichtet und Fragen stellt, traute man nicht. Armstrongs erste Reaktion ("Hexenjagd") fiel auf fruchtbaren Boden. "They have had an attitude and that in itself attacks its credibility", tönte etwa John Eustice, der Radsport-Experte des Sportsender ESPN. Das sei alles "sour grapes", also Neid.
Die doch schon halbwegs wieder überwunden geglaubten transatlantischen Verstimmungen der letzten Jahre zwischen USA und dem "alten Europa" (Donald Rumsfeld) kommen in der Armstrong-Affäre wieder hoch und der Radstar spielt damit geradezu. Armstrong braucht Frankreich und Europa, wo er ohnehin noch nie beliebt war, nach dem Ende seiner Radkarriere sowieso nicht mehr. Seine zweite Karriere als öffentliche Figur macht er in den USA. Und seinen Landsleuten, bei denen der siebenfache Toursieger in erster Linie wegen seiner Lebens- und Krankheitsgeschichte populär wurde, will Armstrong weis machen, dass hinter all den Vorwürfen nichts weiter als Neid steckt. Die verknitterten Europäer wollen mit Tricks und Intrigen den großen amerikanischen Helden stürzen. In Talkshows wie der von Larry King bei CNN, dem harmlosesten Fragesteller im US-Fernsehen, kommt sowas gut an. Am Donnerstagabend (US-Ortszeit) reagiert Armstrong hier erstmals öffentlich auf die Vorwürfe. Armstrong lächelte viel, strahlte Selbstgewissheit aus und sagte Sätze wie: "Wir alle wollen einen sauberen Sport".
"Die Story war (für die französische Presse) von Anfang an zu gut, um nicht wahr zu sein. Berücksichtigen Sie meine Situation: Hier ist ein Kerl, der von einem Todesurteil zurückkommt. Warum sollte ich dopen?"
Armstrong bei Larry King Live (CNN)
"Ich hatte mal einen französischen Teamkollegen, der sagte zu mir: 'Schau, Lance, die Franzosen mögen keine Sieger'"; sagte Armstrong bei Larry King Live. "Wir könnten eine Menge Dinge anschauen. Wenn man die Landschaft zwischen Amerikanern und Franzosen derzeit anschaut, sind die Beziehungen offensichtlich angespannt. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass das (die Doping-Verdächtigungen) alles begann, als ich 1999 meine erste Tour gewann. Eine Menge an Andeutungen und slimey journalism." Der Radsport in Frankreich stecke in einer tiefen Krise, auch das trage zu seiner Verfolgung bei, glaubt Armstrong. "Ich erinnere mich an eine Umfrage, wer der meist gehasste Sportler in Frankreich ist. Ich bin froh, dass ich nicht gewonnen habe und nur Dritter wurde." Nach Frankreich werde er nach seiner Karriere nie mehr zurückkehren. "Ich muss nicht mehr dahin und mich mit den Leuten da abgeben", so der Amerikaner, der vor der letzten Tour groß angekündigt hatte, er wolle die "Herzen der Fans" gewinnen.
In einer Telefon-Pressekonferenz mit ausgewählten Journalisten aus einem Hotelzimmer in Washington hatte Armstrong bereits am Mittwoch Vorwürfe von Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc als "absurd" bezeichnet. Der Franzose hatte dem erfolgreichsten Radprofi der Gegenwart nach Bekanntwerden der positiven Urinprobe aus dem Jahr 1999 vorgeworfen, die Sportwelt betrogen und zum Narren gehalten zu haben. "Es gibt nicht nur eine B-Probe. Es gibt sieben A- und B- Proben, die alle negativ sind. Alle Proben, die ich während meiner Tour-Jahre abgegeben habe, enthielten definitiv kein EPO", sagte Armstrong. Das Urin-Nachweisverfahren, mit dem 2004 nachträglich die 99er Proben überprüft wurden, wurde allerdings erst bei der Tour 2001 eingeführt. L'Equipe warf Armstrong vor, die Veröffentlichungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lanciert zu haben: "Das verkauft sich sehr gut." Das bedeutet allerdings ja nicht automatisch, dass es falsch ist. Rechtliche Schritte gegen L'Equipe scheut der ansonsten sehr klagefreudige Armstorng bezeichnenderweise. "Wenn man einen Prozess anstrebt, muss man der Sache wirklich auf den Grund gehen. Das kostet eineinhalb Millionen Dollar und zwei Jahre meines Lebens. Mit meinem Geld und meiner Zeit kann ich besseres anfangen", sagte Armstrong.
In seinem Talkshow-Auftritt bei CNN wiederholte Armstrong diese Äußerungen fast wörtlich. Der US-Star attackierte die WADA, der er vorwarf, die eigenen Regeln zu brechen. Sanktionen befürchte er aus formalen Gründen nicht. "Ein Kerl in einem Pariser Labor öffnet deine Probe. Er testet sie. Keiner ist dabei, kein Protokoll wurde befolgt. Dann bekommst Du einen Anruf von einer Zeitung und es heißt: Wir haben rausgefunden, dass Sie sechs Mal positiv auf EPO waren. Seit wann regieren Zeitungen den Sport? Seit wann entscheidet eine Zeitung, dass ein Fahrer bestraft werden muss? So funktioniert das nicht", sagte Armstrong.
Substantielleres muss der Amerikaner zu seiner Verteidigung wohl auch gar nicht sagen, denn die ganze Affäre dürfte eine PR-Schlacht werden, bei der die Zeit für Armstrong läuft. Nächste Woche ist das Thema auch in Europa durch. Sportrechtliche Sanktionen, gar eine Aberkennung seines Toursiegs von 1999, muss Armstrong nicht befürchten. Der französische Sportminister Jean-Francois Lamour bekräftigte die Ansicht vieler Experten, dass eine Bestrafung Armstrongs unmöglich erscheint, weil die Gegenkontrolle durch eine zweite Probe nicht stattfinden kann. "Ich habe die in L'Équipe abgedruckten Laborprotokolle nicht im Original gesehen. Aber, wenn es stimmt, was in der Zeitung steht, ist das ein schwerer Schlag gegen den Radsport", sagte Lamour.
Gegenwind bekommt Armstrong inzwischen auch aus dem Kollegenkreis, nachdem ihm aktive und ehemalige Profis bislang eher Rückendeckung im Sinne einer Unschuldsvermutung gegeben hatten. "Die Fakten sprechen für sich. Es ist enttäuschend, auch wenn es sich um 1999 handelt. Das wirft ein neues Licht auf all seine Siege, zitiert L'Equipe am Donnerstag den französischen Nachwuchsstar Thomas Voeckler, der bei der Tour 2004 10 Tage im Gelben Trikot gefahren war. "Der Fall zeigt nur, dass ich immer die Wahrheit gesagt habe"; meinte Armstrongs Intimfeind Fillippo Simeoni, der in einem Prozess Armstrongs berüchtigten Betreuer Michele Ferrari belastet hatte, woraufhin sich Armstrong bei der Tour 2004 und danach mit Mobbingmethoden rächte.
Moralische Sieger
Das "USA gegen Europa"-Motiv ist derweil auch in der anderen Richtung genauso sinnleer. Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), sagt in der Bild-Zeitung (Freitag-Ausgabe) über die Armstrong-Enthüllungen: "Wenn das stimmt, ist Jan Ullrich für mich der moralische Sieger der Tour de France." Der frühere Verteidigungsminister sieht es als zulässig an, Urinproben erst Jahre später mit neuen Methoden noch einmal zu testen. Und genau da drohen noch mehr Enthüllungen: Neben den zwölf positiven Dopingproben der Tour de France 1999 ("nur" sechs davon stammen von Armstrong) weisen weitere 40 Proben aus dem Jahr 1998 Spuren des Dopingmittels Epo auf, wie der Leiter des französischen Anti- Doping-Labors in Chatenay-Malabry, Jacques de Ceaurriz, der Süddeutschen Zeitung sagte. Wer sich letztendlich als moralischer Sieger fühlen darf, muss man mal abwarten. "Wer weiß, was rauskäme, wenn man Ullrichs Proben von 1997 untersuchen würde", meint Rudi Altig, der sich mit Doping auskennt wie die meisten Altstars. Radsport und Moral hat, was das Thema Doping betrifft, keine große Tradition. Der Beliebtheit des Sports hat das aber nie geschadet. Auch und gerade nicht in Europa. (kv)
http://radsportnews.net/2005/armstrongdoping4.shtml
@Red Shadow
Na, mal wieder nach einem Strohalm gegriffen :laugh2: Der wird dich und deinen Liebling aber auch nicht vor dem Abgrund retten
Die 5-10 gegenteiligen Meinungen von Dopingexperten bezüglich der Haltbarkeit der Proben hast du natürlich "überlesen". Zudem bildet sich in den Jahren EPO nicht von selbst. Das EPO war in den Proben drin und es hat in diesem Labor grantiert auch keiner künstlich beigemengt. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.