tennisnet: Eine interessante Turnierwoche liegt hinter Ihnen. Sind Sie wieder in der Heimat?
Jurij Rodionov: Genau, allerdings nur kurz. Morgen geht es in den "Urlaub". Auf Gran Canaria werde ich mich eine Woche lang von meiner langen Saison regenerieren.
tennisnet: War es möglich, zwischen ihren Matches in Bratislava nach Hause zu fahren?
Rodionov: Das wäre grundsätzlich möglich, es war aber praktischer, im Hotel des Turniers zu übernachten, da es gleich neben der Tennis-Anlage liegt.
tennisnet: Das Turnier bat eine Unterkunft für die Spieler an. Wie läuft das genau ab?
Rodionov: Ab dem nächsten Jahr müssen ohnehin alle Challenger-Turniere eine Hospitality zur Verfügung stellen. Jeder Spieler kann ein Hotelzimmer gratis benutzen. Jenes meines Trainers muss ich aber natürlich selbst bezahlen. Praktisch ist, wenn zwei Spieler sich einen Trainer teilen. Dann bekommt letzterer eines, und die Spieler teilen sich das zweite Zimmer. Dadurch entstehen keine Nebenkosten.
tennisnet: Mit wie vielen Leuten reisen Sie üblicherweise zu den Turnieren?
Rodionov: Meistens ist nur mein Coach dabei. Hin und wieder reist mein Bruder, der gleichzeitig mein Manager ist, auch mit.
tennisnet: Kommen wir zur letzten Turnierwoche. Bratislava war ein perfektes Beispiel dafür, dass Ihr Ranking Sie immer wieder zwischen Hauptfeld und Qualifikation für ein Challenger-Turnier schwanken lässt. Wie gehen Sie damit um?
Rodionov: Als Spieler kann man das ganz gut einschätzen, ob man es ins Hauptfeld schafft. Der größte Unterschied ist, dass ich zwei Tage vorher anreisen muss. In Bratislava war das kein Problem, bei anderen Turnieren verlangt dies eine genauere Planung. Mir macht es sportlich gesehen aber ohnehin wenig aus, denn ich versuche immer, mein Bestes zu geben.
tennisnet: Sprechen wir über das Turnier selbst. Zunächst spielten Sie zwei souveräne Quali-Runden, das Finale gegen Aldin Sektic wurde aber dann zum Krimi.
Rodionov: Es war eine harte Partie. Wir schlugen beide extrem gut auf. Das einzige Break des Matches gelang mir zum 5:4 im Entscheidungssatz. Das hätte ich auch leicht verlieren können. Ich war am Ende um den Tick souveräner beim Service.
tennisnet: Dann kam es im Hauptfeld in der ersten Runde zu einem hitzigen Duell mit Uladzimir Ignatik. Was verbindet - oder besser gefragt - was trennt Sie beide so sehr?
Rodionov: Wir kennen uns schon seit zwei Jahren aus der Akademie in Wien. Seitdem besteht eigentlich diese Rivalität zwischen uns, denn wir konnten uns nie wirklich leiden. Deshalb ging es für uns persönlich um sehr viel in diesem Match.
tennisnet: Wie war das Match aus Ihrer Sicht? Er dürfte sich während des Matches nicht unbedingt von seiner fairsten Seite gezeigt haben.
Rodionov: Einige Schiedsrichterentscheidungen waren mehr als umstritten. Er fluchte während des Matches mehrmals, auch gegen den Schiedsrichter, der ihn dafür verwarnte. Zum Glück konnte ich bis zum Matchball meine Coolness bewahren. Als er mir allerdings den Handshake verwehrte, bin ich endgültig explodiert.
tennisnet: Dann brach es nämlich aus Ihnen heraus, und Sie zeigten einen Jubel im Stile von Cristiano Ronaldo. Rückblickend gesehen: Würden Sie solch einen Jubel noch einmal zeigen?
Rodionov: Es war ein sehr emotionales Spiel. So etwas plant man natürlich auch nicht, es ist mir einfach passiert. In meinem Kopf lief der verwandelte Matchball, das Händeschütteln mit dem Schiedsrichter und der Jubel in weniger als einer Sekunde ab. Das war eine Instinkt-Reaktion, die ich vielleicht auch etwas dezenter möglich gewesen wäre (lacht).
tennisnet: Sind Sie generell ein aufbrausender Typ?
Rodionov: Ich kann durchaus sehr emotional sein, aber immer im positiven Sinne, um mich selbst zu pushen. Vielleicht schieße ich damit hin und wieder über das Ziel hinaus, aber ich bin erst 19 und muss das vielleicht noch lernen. Ich sehe mich allerdings keineswegs als aufbrausenden Typen.
tennisnet: Aus einigen Twitter-Videos geht hervor, dass sich auch ein paar Zuschauer lautstark bemerkbar gemacht hatten.
Rodionov: Es war für solch ein Turnier extrem laut. Die Zuseher haben auch gemerkt, dass es für die beiden Spieler um viel geht. Es war eine gute Atmosphäre.
tennisnet: In Runde zwei verloren sie denkbar knapp gegen Evgeny Donskoy. War das die bislang bitterste Niederlage Ihrer Karriere?
Rodionov: Nicht unbedingt, denn ich verlor gegen einen guten Tennisspieler. Ich zeigte nicht mein bestes Tennis, und ja, ich hätte eigentlich gewinnen müssen. Aber es ist ein guter Beweis dafür, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
tennisnet: Warum haben Sie das Match trotz Break-Vorsprung im dritten Satz und einer 5:1-Führung im Tiebreak noch verloren?
Rodionov: Die vorigen Partien waren sehr anstrengend. Zudem war die Saison schon ziemlich lang. Seit gut einem Monat plagen mich leichte Schmerzen im Oberschenkel. Das war vielleicht auch noch ein Faktor. Am Schluss muss man aber sagen, dass ich nicht kaltschnäuzig genug war, während Donskoy in den entscheidenden Momenten keine Fehler machte.
tennisnet: War es das letzte Turnier ihrer Saison?
Rodionov: Genau, Bratislava war mein Abschluss.
tennisnet: Wie planen Sie Ihre Vorbereitung auf die kommende Saison?
Rodionov: Nach Gran Canaria steht der Plan noch nicht genau fest. Zwei, drei Wochen werde ich mich in Österreich vorbereiten, dann könnte es nach Frankreich oder Mallorca in die Rafael Nadal Academy gehen.
tennisnet: Wie sehen Sie die Umstrukturierung auf der ITF-Ebene, die ab kommender Saison umgesetzt wird?
Rodionov: Zum Glück muss ich mich damit nur wenig beschäftigen. In der abgelaufenen Saison spielte ich nur ein Futures-Turnier, dabei machte ich keinen einzigen Punkt für die Rangliste. Die Änderungen bringen mich im Ranking vermutlich sogar nach vorne, weil einigen anderen Spielern vor mir Punkte rausfallen werden. Die Regeln der Transition-Tour sind mir durchaus bekannt, aber ich bin ein Challenger-Spieler, daher betrifft mich das kaum.
tennisnet: Ihr erstes großes Ziel der neuen Saison ist vermutlich die Qualifikation für die Australian Open.
Rodionov: Damit plane ich. Ich habe bis Australien keine Punkte zu verteidigen, und mit einem Ranking von ungefähr 220 sollte ich den Sprung ins Quali-Feld schaffen.
tennisnet: Sie posten auf Facebook immer wieder kurze Anmerkungen zu Ihren Matches. Seit Kurzem verfassen Sie die Einträge auch auf Russisch. Warum?
Rodionov: Einige meiner Fans sprechen Russisch, beispielsweise meine Verwandten in Weißrussland verstehen kein Deutsch oder Englisch. Mein Manager und ich entschieden uns dazu, damit mehrere Menschen zu erreichen. Da wir Russisch sprechen, ist es auch kein allzu großer Aufwand