Es gab kein einziges Fach, indem man weniger auswendig lernen musste als Mathe. In der Oberstufe gab es sogar Formelsammlungen für Geometrie und bestimmte Integrale.
Französisch hatte ich in der 8ten 3 Monate Nachhilfe bei einer völlig unsympathischen Ex-Lehrerin für 50 Euro pro Sitzung oder so. Sie war fast so schlimm wie meine Französischlehrerin. Der Erfolg hat mir am Ende Recht gegeben und ich habe eine mangelhaft minus bekommen. Das war auch komplett lächerlich, denn ich hatte 6,4-,4- geschrieben. Bei einer 6 war man weg vom Fenster.
Bis heute habe ich den Alptraum, dass ich zurück zur Schule muss, weil nachträglich festgestellt wurde, dass mir ein Französischkurs gefehlt hat.
Ich wurde tatsächlich kurz vor dem ABI vom Schulleiter per Durchsage in sein Büro gerufen und dort hat er mir mitgeteilt, dass ich das Jahr wiederholen muss, weil ich zu wenig Kurse belegt hatte. Den Schock werde ich nie vergessen.
Die ausführliche Geschichte:
Als mein Jahrgang in die zwölfte Klasse startete wurde das Oberstufen Kurs System reformiert. Die Stundenplan Zusammensetzung veränderte sich damit im Vergleich zu den Vorjahren in einigen kleinen Punkten. Man konnte beispielsweise mit einem Seminarkurs (eine ausführliche Projektarbeit) ein Nebenfach oder aber eine mündliche Prüfung ersetzen. Einer der Lehrer die einen solchen Seminarkurs durchführten war kurz vor der Rente und für seine Großzügigkeit bekannt. Logisch, dass ich mich da meldete. Wir Schüler mussten unsere Fächerwahl schriftlich einreichen und das wurde dann von verantwortlichen Lehrern abgesegnet.
18 Monate später und kurz vor dem Abi gab es eine Durchsage in der Schule. Ich und ein Kumpel sollten zum Direktor ins Büro kommen. Die hatten beim Eintragen unserer Noten in das Computer System festgestellt, dass uns Noten für 3 Halbjahre Unterricht in einem Nebenfach fehlen. Wir hatten zu wenige Fächer belegt. Dieser Seminarkurs hätte zwar einige Noten von einem Nebenfach ersetzen können aber man hätte das Nebenfach (also zB Physik oder Chemie) trotzdem belegen müssen. Das war also eher so gedacht, dass man diesen Seminarkurs freiwillig zusätzlich macht um dann eine schlechtere Note in einem Nebenfach auszugleichen.
Der Vorschlag der nervösen Schulleitung: Es fehlten uns insgesamt 4 Noten. Jeweils für ein Halbjahr in einem Nebenfach. Wir sollen dann im letzten Halbjahr 4 Klausuren in 4 verschiedenen (!) abgewählten Fächern schreiben. Aber es hatte natürlich einen Grund, dass wir beide Spanisch, Französisch, Musik sowie Physik und Chemie abgewählt hatten. Und nach 18 Monaten ohne Unterricht in diesen Fächern war der Gedanke an die Klausuren nicht sehr verlockend.
Wir hatten glücklicherweise damals unsere Fächerwahl schriftlich eingereicht und damit war klar, dass der Fehler bei der Schule lag. Die wollten sich natürlich mit dieser Peinlichkeit nicht an das Regierungspräsidium wenden und so waren wir in einer ganz netten Verhandlungsposition.
Am Ende haben wir uns geeignet, dass wir die letzten Wochen des Schuljahres Psychologie belegen und die letzte Klausur mitschreiben. Das war zwar auch nur ein freiwilliges Zusatzfach und kein offizielles Nebenfach aber das Computer System hat keinen Fehler mehr gemeldet sobald die richtige Anzahl an Noten eingetragen war. Die Note aus diesem Halbjahr wurde dann 4x eingetragen als hätten wir die vollen 2 Jahre durchgezogen.
Der Psychologie Kurs war ein Traum. Ein kleiner Kurs mit vielen attraktiven Frauen und einer tollen Lehrerin. (Im Nachhinein hätte man den sowieso von Anfang an belegen müssen) Eigentlich hat der Kurs keine Klausur mehr geschrieben aber auf Drängen der Schulleitung mussten wir eine schriftliche Leistung erbringen. Die Lehrerin hat mich mit dem Kumpel unbeaufsichtigt in einen Raum gesetzt um einige extrem einfache Aufgaben zu lösen. 14 von 15 möglichen Punkten.
Und kein Schüler hat in Baden Würrtemberg jemals mit so wenig Unterricht sein Abi bestanden
Und fließender Übergang in eine andere Geschichte:
Einige Wochen später waren die schriftlichen Prüfungen und danach konnte ich ausrechnen, dass sich mein Schnitt nicht mehr verschlechtern wird wenn ich meine mündliche Prüfung in Mathe mache. Das war mit Abstand mein schlechtestes Fach. Verbesserung war sowieso nicht mehr möglich und somit bin ich dann komplett unvorbereitet und lustlos in meine mündliche Matheprüfung.
Die peinlichste halbe Stunde meines Lebens. Die Fragen wurden immer einfacher und ich hatte keine Ahnung. Die Prüfer wurden regelrecht unfreundlich und es kam der Vorwurf dass ich ihnen die Zeit stehle. Das hat mich genervt und ich habe den Chefprüfer angepflaumt, dass es ja nicht meine Schuld ist, dass ich hier erscheinen muss obwohl meine Abschlussnote schon feststeht. Die ganze Nummer tat mir aber extrem Leid für meinen Mathelehrer. Der saß neben den Kollegen und mit jeder Frage wurde deutlicher, dass ich in den zwei Jahren nix gelernt hatte.
Ich hatte nach der 11ten Klasse beschlossen Mathe aufzugeben. Hatte da einen gewaltigen Rückstand und wollte nicht alles aufholen. Habe dafür in der Oberstufe in allen anderen Fächern gut abgeliefert und daher war das einkalkulierte Versagen in Mathe kein Problem. Ich hatte nicht einmal einen Taschenrechner in der Oberstufe
Später im Studium habe ich den ganzen Stoff dann aber gebraucht und festgestellt, dass es eigentlich machbar gewesen wäre...