Meiner Meinung nach wird bei der alten Wilt oder Russell Diskussion oft eine schwarz-weiß Malererei betrieben. Russell ist der Superwinner, der aber das Glück hatte unzählige Hall of Famer neben sich zu haben und Wilt hatte leider immer diese ach so schlechten Mitspieler neben sich. So lautet oft der Argumentationsstil der Wilt-Befürworter. Die Wilt-Gegner bezeichnen ihn als egoistischen Scorer, der es selbst verschuldet hat so wenig erfolgreich zu sein.
Ich denke beides ist so nicht richtig und möchte einmal meine Sicht der Dinge schildern.
Vorurteil #1: Russell gewann hauptsächlich, weil er so viele Hall of Famer neben sich hatte
An der Seite von Bill Russell waren während seiner Karriere tatsächlich 10 Spieler im Kader der Celtics, die heute in der Hall of Fame sind. Es sind: John Havlicek, Bob Cousy, Bill Sharman, Tom Heinson, Sam Jones, K.C. Jones, Frank Ramsey, Clyde Lovelette, Arnie Risen und Andy Phillip.
10 Hall of Famer klingen unglaublich imposant, ABER erstens spielten neben Chamberlain auch 8 Hall of Famer (Tom Gola, Paul Arizin, Nate Thurmond, Hal Greer, Billy Cunningham, Elgin Baylor, Jerry West und Gail Goodrich) und zweitens sind Hall of Famer nicht gleich Hall of Famer. Die drei letztgenannten bei den Celtics sind nicht aufgrund ihrer Boston-Karriere in der Hall, sie hatten vorher ihre große Zeit und hatten kaum Einfluss auf die Meisterschaften der Celts. K.C. Jones und Ramsey sind imo nur in der Hall, weil sie so viele Titel hatten. Keiner der beiden war je All-Star!
Das ergibt 5 "echte" Hall of Famer für Russell gegenüber 7 "echten" bei Chamberlain (alle außer Gola). Wer hatte nochmal die besseren Mitspieler?
Wilts Teams verloren nicht wegen der schlechteren Mitspieler, sondern erstens, weil sie oft Pech hatten (Wer 5 mal erst im 7. Spiel der Conference Finals oder NBA Finals verliert ist nicht viel schwächer als der Gegner, sondern eher glückloser oder nervenschwächer) und zweitens, weil die Teams schlecht gecoacht wurden. Kaum waren nämlich starke Coaches an Bord gelangen zwei überragende Saisons (1967: 68 Siege u. 1972: 69 Siege). Diese Teams waren dominanter als die Celtics es in den 60ern je waren.
Vorurteil #2: Chamberlain war ein egoistischer Scorer, weshalb seine Teams erfolglos waren
Zum Erfolg habe ich oben schon was geschrieben... Was den Egoismus von Chamberlain angeht: Ja er war Stats-geil. Er tat trotzdem nur das, was von ihm verlangt wurde. In den frühen Jahren, als Chamberlain alle erdenklichen Scoringrekorde pulverisierte, wurde er von Frank McGuire quasi darum gebeten. Das Ziel soviele Rekorde wie möglich zu brechen war also keinesfalls Wilts Idee. Er bekam das grüne Licht, warum sollte er anders spielen? Als er zu den Sixers getradet wurde, schraubte er sein Ego zurück und spielte unter Alex Hannum die meisten Assists, die je ein Center gespielt hat. Später bei den Lakers tat er auch genau das, was Sharman von ihm verlangte, nämlich Defense spielen und Rebounden. Dass er immer noch 30 Ppg auflegen hätte können, steht für mich völlig außer Frage, was man ja auch an seinen Feldquoten sehen kann. War Chamberlain ein egoistischer Spieler? Ich denke nicht.
Vorurteil #3: Chamberlain war nur so gut, weil er körperlich überlegen war und gegen schwache Konkurrenz spielte
Das hat jetzt nichts mit Russell gegen Chamberlain zu tun, aber wird auch immer wieder als Argument gegen Chamberlain genannt. Es stimmt ganz einfach nicht, dass Wilt keine Konkurrenz auf der 5 hatte. Spielerisch war die Centerposition sowieso ungemein stark. Der Dipper spielte unter anderem gegen Bill Russell, Walt Bellamy, Willis Reed, Wes Unseld, Nate Thurmond, Zelmo Beaty, Johnny Kerr, sowie die jungen Ausgaben von Kareem Abdul-Jabbar, Dave Cowens und Bob Lanier. Die genannten Gegner sind aber nicht nur spielerisch, sondern auch körperlich top gewesen. Kareem, Lanier und Thurmond haben alle Center Gardemaß (mind. 6-11). Bells war so groß wie Olajuwon und ein Schrank (die 225 Pfund die er laut databasebasketball haben soll, stimmen nie und nimmer). Reed ist auch unglaublich kräftig gebaut gewesen, auch wenn etwas undersized. Das ist Alonzo Mourning allerdings auch... Bill Russell ist als einer der wenigen hier zu klein und zu leicht für einen idealen Center. Dafür war er ungemein athletisch und schnell. Ich würde ihn körperlich mit Chris Bosh vergleichen.
Man sieht also, dass Chamberlains Gegner weder alle zu klein, noch unathletische Bohnenstangen waren. Wie dieses Märchen entstanden ist, kann ich nicht sagen. Dass der Durchschnittscenter von damals sicher leichter war als in der heutigen NBA, möchte ich nicht verschweigen. Auf der anderen Seite war Chamberlain in seiner dominantesten Zeit ja auch 70 Pfund leichter als Shaq in seiner Prime. Das Krafttraining ist einfach viel bedeutender und professioneller geworden.
Nun noch kurz etwas zum eigentlichen Thema
Topcenter aller Zeiten: Wilt Chamberlain (welch' Überraschung... Argumentation siehe oben)
Topcenter über die ganze Karriere hinweg: Kareem Abdul-Jabbar... unglaublich wie gut er mit 37, 38 noch war; vor allem wenn man sieht, wie rasant Shaq mit 35 abbaut. Wenn es darum ginge in den nächsten 20 Jahren erfolgreich zu sein, würde ich zweifellos in picken.
Topcenter in einem wichtigen Spiel: Shaquille O'Neal... wie er sich in den Finals steigern konnte, war etwas ganz besonderes. Das ist gleichzeitig auch das einzige Manko bei Chamberlain. Er war in den wichtigen Spielen nie so gut, wie in den "unbedeutenden" Saisonspielen. Shaq ist deshalb mein No. 1 Pick, wenn es darum ginge in der nächsten Saison einen Titel zu holen.
Gut, jetzt bleibt nur noch die Frage: Wer liest sich das alles durch?